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TAKASHI MURAKAMI in der Galerie Raphael

SKULLS AND FLOWERS


Takashi Murakami: Multiverse, Flowers, 2023, Ø 71 cm, Mixed media print, Foto: Galerie Raphael

Der japanischer Maler und Bildhauer Takashi Murakami wird häufig mit Künstlern wie Warhaol Hirst oder Koons verglichen, die in der Tradition der Pop Art stehen. Murakami kombiniert klassische japanische Kunst mit der zeitgenössischen Popkultur des Landes. Zum Saisonstart der Frankfurter Galerien sind seine Werke in der Galerie Rapahel zu sehen.

 

Der japanische Künstler Takashi Murakami, geboren am 1. Februar 1962 in Tokio, einer Stadt, die althergebrachte und moderne japanische Kunst vereint, erhält eine tief verwurzelte traditionelle Kunstausbildung. An der ehrwürdigen Tōkyō Geidai (bis 2008 Tokyo National University of Fine Arts and Music), die seit ihrer Gründung im Jahr 1887 als angesehenste Kunsthochschule Japans gilt, studiert er die Nihonga-Malerei. Diese traditionelle japanische Maltechnik entwickelt sich im späten 19. Jahrhundert als Gegenbewegung zur westlichen Malerei. Die Nihonga-Malerei basiert auf jahrhundertealten japanischen künstlerischen Traditionen und Techniken, nutzt aber auch Einflüsse und Methoden der westlichen Kunst. Des Weiteren widmet sich Nihonga der Erhaltung und Fortführung der klassischen japanischen Malereikunst und ermöglicht Murakami eine fundierte Ausbildung in der Tradition der Meisterschüler.

Nachdem er sich an verschiedenen künstlerischen Strömungen wie zum Beispiel der westlich ausgerichteten japanischen Maltechnik Yōga orientiert hat, erfindet
Murakami einen neuen Stil: Superflat. Er entfaltet damit eine faszinierende Welt voller poppiger und comicartiger Motive. In seiner Kunst verzichtet er gänzlich auf Schattierungen und Schraffuren, stattdessen setzt er auf flache, leuchtende Farbflächen – eine subtile Hommage an die Nihonga-Tradition. Seine Gemälde, Skulpturen und Designs, tief in der Otaku-Subkultur verwurzelt, offenbaren bei genauerem Hinsehen ihre Bedeutung: Sie isolieren Motive auf eindrucksvolle Weise oder setzen sie ironisch in neue Zusammenhänge.

Die Otaku-Subkultur bezeichnet ein kulturelles Phänomen, das seinen Ursprung im Geburtsland Murakamis hat und sich auf Menschen bezieht, die eine intensive Leidenschaft für bestimmte Aspekte der Popkultur haben, insbesondere für Anime, Manga, Videospiele und andere verwandte Medien. Was einst als Rückzug in eine einsame Obsession galt, ist heute ein Stolz, eine Identität, die über Kontinente hinweg Menschen verbindet – hier durch die Kunst. Superflat symbolisiert eine absichtliche Abwesenheit von Perspektive und Tiefe, ein Konzept, das Murakami in seinem Buch The Meaning of the Nonsense of the Meaning als umfassende philosophische Theorie über die japanische Kultur kunstvoll darlegt.

Nach Superflat kommt der Super-Hype! Im Jahr 1996 ruft Murakami die Hiropon Factory ins Leben, aus der sich 2001 die Kaikai Kiki Company entwickelt. Dieses hochmoderne Unternehmen, das heute über 100 talentierte Mitarbeiter zählt, ist seitdem das Zentrum der Produktion und Vermarktung seiner Kunst in Tokio und New York. Der Name Kaikai Kiki, der „kraftvoll und einfühlsam“ bedeutet, spiegelt die künstlerische Vision wider, die sich in der massenhaften Verbreitung seiner schillernden Popkunstwerke manifestiert. Diese werden oft durch sorgfältig abgestimmte Merchandise-Produkte ergänzt, ein wesentlicher Bestandteil von Murakamis innovativem künstlerischen Konzept.

Ein großer Erfolg nach dem anderen: Murakamis außergewöhnliche Designs für Louis Vuitton ab dem Jahr 2003 erregen in den Medien beträchtliches Aufsehen und befeuern die bereits angestoßene Diskussion über die Beziehung zwischen Kunst und Merchandising. Der Künstler, erfreut vom medienwirksamen Aufschwung, verwandelt den Museumsshop in ein pulsierendes Zentrum seiner Ausstellungen, in dem die Grenzen zwischen Kunst und Kommerz kunstvoll verwischt werden. Besonders faszinierend ist: Je gewagter Murakami behauptet, dass Merchandising nicht nur ein bloßes Nebenprodukt der Kunst, sondern deren eigentlicher Ausdruck ist, desto mehr Anhänger finden seine provokanten Ideen unter den Kritikern. Diese beginnen plötzlich, auch die massenhaft produzierten, preiswerten Artikel – sei es das plüschige Kissen in Blütenform, seien es die Manga-Figuren oder die bunten Buttons – als vollwertige Kunstwerke anzuerkennen. Dem Künstler gelingt es auf meisterhafte Weise, die Wahrnehmung von Kunst zu erweitern und die Grenzen des Kunstbegriffs neu zu definieren.


Takashi Murakami: Flower #4703 Tomato, 2023, 50 × 50 cm, Mixed media print, Foto: Galerie Raphael

Im Jahr 2015 tritt Murakami eine spannende Kooperation mit der renommierten Marke Vans an. Im Zuge dieser Zusammenarbeit werden seine ikonischen Figuren auf limitierten Grafik-T-Shirts und Skateboard-Decks verewigt, ebenso wie auf einer speziellen Variante des klassischen Slip-on-Schuhs von Vans. Diese Kollektion verkörpert Murakamis unverwechselbaren Stil und bringt seine Kunst auf eine neue, zugängliche Ebene. Virgil Abloh, der weltweit berühmte und leider schon verstorbene Designer und Gründer der Modemarke Off-White, kollaboriert 2018 mit Murakami. Die beiden vereinen eine beeindruckende Palette ihrer Schöpfungen zu internationalen Wanderausstellungen. Diese bieten nicht nur eine vielfältige Auswahl an Gemälden und Skulpturen, sondern auch T-Shirts, Drucke und eine exklusive Murakami-Einkaufstasche aus Leder. Durch derartige Projekte festigt Murakami seine Rolle als Brückenbauer zwischen Kunst und Konsum und erweitert die Dimensionen seiner Kunst auf globaler Ebene. Aber da war ja noch was: die Blumen von Murakami. Das lebendige Blumenmotiv von Takashi Murakami hat tiefgreifende Spuren in der Welt der zeitgenössischen Kunst, der Mode und der Popkultur hinterlassen. Der heiter-fröhliche Charakter seiner Werke findet seinen Weg auf die Albumcover von Kanye West, die Ketten von Kid Cudi, die Hoodies von Drake und sogar auf ein gemeinschaftlich mit Pharrell Williams gefertigtes Kunstwerk, das im Jahr 2009 auf der Art Basel gezeigt wird. Seit der ersten Präsentation seiner Blumenbilder im Jahr 1995 haben diese Symbole unaufhaltsam die Mode- und Designwelt durchdrungen. Der Schmuck von Ben Baller, die Taschen von Porter und eine exquisite Tourbillon-Uhr schmücken sich mit den mittlerweile legendären lächelnden Blumen. Die langjährige, fruchtbare Zusammenarbeit mit Louis Vuitton, die beinahe zwei Jahrzehnte währt, basiert stark auf diesen Blumenmotiven und trägt wesentlich zur ikonischen Stellung dieser Kunstwerke bei.
Die Wurzeln von Murakamis faszinierendem Blumenmotiv liegen in seinen eingehenden Studien der traditionellen japanischen Malerei, besonders der Nihonga. Während dieser intensiven Auseinandersetzung stößt er auf das Konzept des setsu-getsu-ka, das „Schnee, Mond und Blumen“ bedeutet und eine tiefgründige Symbolik in der japanischen Kunsttradition verkörpert. Murakami versucht zunächst, Blumen im Geiste dieser alten Tradition zu malen. Doch anstelle der erhofften klassischen Darstellung entfaltet sich ein neuartiges und revolutionäres Motiv: die Murakami-Blumen, jede mit fünfzig Blüten an einem einzigen Stiel. Trotz ihrer scheinbar skurrilen und unschuldigen Erscheinung verbergen diese Blumen eine dunklere, vielschichtige Bedeutung, die weit über ihre äußere Fröhlichkeit hinausgeht. Sie entfalten eine subtile Komplexität, die das konventionelle Verständnis von Schönheit herausfordert, tieferliegende menschliche Emotionen ans Licht bringt und auch das Gedenken an Nagasaki und Hiroshima weitertragen soll.

Murakamis revolutionärer Superflat-Stil und seine künstlerischen Kollaborationen mit bedeutenden Marken wie Louis Vuitton und Vans haben nicht nur die Modeszene bereichert, sondern auch die Wahrnehmung von Kunst auf globaler Ebene herausgefordert. Die leuchtenden Blumen, die Murakami in die Welt entlässt, sind weit mehr als nur visuelle Reize – sie sind ein Statement, das die traditionelle japanische Ästhetik mit der modernen Popkultur vereint.

 

Auszug aus dem Text von Lars Jonathan Becker

GALERIE RAPHAEL
Domstraße 6
60311 Frankfurt am Main
www.galerieraphael.com

Erstellungsdatum: 25.08.2024