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Rothschild, Thomas

Thomas Rothschild, 1942 in Glasgow geboren, Studium der Slavistik und Germanistik in Wien, Moskau und Prag, 1968-1971 Linguist, 1971-2007 Literaturwissenschaftler an der Universität Stuttgart. Publikationen u.a. zum politischen Lied, zur Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts, zu Medienfragen. Umfangreiche jour­nalistische Tätigkeit. 

Thomas Rothschild. Foto: privat

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Totalität in der Literatur

Zufall oder Organisation

Wer davon ausgeht, dass die Welt in ihrer Totalität ein sinnvolles Ganzes ist, ist ein gläubiger Mensch. Wer, wie Michel Butor, in ihr nur einen zufälligen Haufen Material sieht, fügt sich dennoch dieses Material, um sich zurechtzufinden, zu Sinneinheiten zusammen, lebt also mit Zufall und Notwendigkeit. Thomas Rothschild skizziert, wie sich dieser Befund auf die Künste auswirkt und wie Texte auf ganzheitliche Erwartungen reagieren.

Zur Kritik eines missverständlichen Begriffs

Nationalcharakter

Der antike Geschichtsschreiber Tacitus schilderte die Germanen als wilde Völker mit befremdlichen Eigenschaften, wie er sie in der Literatur gefunden hatte. Auch Madame de Staël beschrieb, deutlich freundlicher, den Nationalcharakter der Deutschen, auf dessen kulturelles Potential sie Wilhelm von Humboldt hingewiesen hatte. Und was meinte Anton Bruckner im Programm zum Scherzo seiner 8. Sinfonie mit dem „deutschen Michel“, der ins Land hinaus träume? So sind sie eben, die Deutschen, Franzosen, Engländer, Italiener. Thomas Rothschild sieht auf Urteil und Vorurteil.

Kommentar zum Schweigen von Robert Lembke

Die Schuld der Opfer

Das Schweigen selbst ist nicht selbstredend. Es teilt nicht mit, ob es betroffen, fassungslos, aggressiv, diskret, verschämt oder diplomatisch ist. Solche Zuweisungen kommen stets von außen und sind willkürliche, unterstellende Interpretationen, bestenfalls Deutungen. Wenn nach Judenverfolgung und Schoa Täter und Opfer schweigen, ist man vor Deutungen nicht mehr sicher. Thomas Rothschild kommentiert eine jüngste Spekulation.

Identität am Beispiel von Tieck, Havel und Mitterer

Nie sollst du mich befragen

Wenn man davon absieht, dass man von manchen Leuten gar nichts wissen will, hat sich doch ein wenig Kenntnis des Anderen ganz hilfreich im Umgang miteinander erwiesen. Deshalb wirkt eine geforderte Anonymität wie eine soziale Verweigerung, die, wie Thomas Rothschild beschreibt, als Suspense in der Literatur, auf dem Theater und im Film dient, wenn sie nicht gar zum Motiv eskalierender Konflikte mit letalem Ausgang wird.

Frank Capra und der American Dream

Fahrstuhl und Mundharmonika

Schon die Biographie Frank Capras liest sich wie die Nacherzählung einer seiner Filme. Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen – der Vater ist Obstpflücker – emigriert er als Fünfjähriger mit der Familie nach den USA, verdient als Zeitungsjunge ein wenig Geld; der Vater stirbt, der Junge schlägt sich mit unzähligen Gelegenheitsjobs durch, die ihn in die Filmstudios führen, in denen er schließlich als Starregisseur mit prägenden Filmen Varianten des amerikanischen Traums realisierte. Thomas Rothschild beschreibt, vor allem anhand des Films, der im Deutschen Lebenskünstler hieß, die Grenzen des Künstlers.

Über den Umgang mit Geschichte auf der Bühne

Theater und Gegenwart

Öffnet sich der Vorhang im Theater, wird der Blick in eine andere Wirklichkeit frei. Der wird jedoch inzwischen immer häufiger durch überspitzte Gegenwartsbezüge vereitelt. Wie Peter Zadek, Claus Peymann oder Hans Neuenfels widersetzt sich auch die Theater- und Opernregisseurin Andrea Breth diesem Trend. Dass sie ihre Wiener Emilia-Galotti-Inszenierung nicht ins Heutige zerrte, sondern die Modernität des Textes zeigte, schätzt Thomas Rothschild sehr. Die Entsorgung von Geschichte auf der Bühne bedeutet für ihn die Entsorgung von Utopie.

Über die Verhinderung von Öffentlichkeit in unserer Gegenwart

Eine Zensur findet statt

Der mündige Staatsbürger kann private und politische Entscheidungen sinnvollerweise nur treffen, wenn er ausreichend und differenziert informiert ist. Dies zu gewährleisten, liegt in der Verantwortung der Medien, also der Presse und der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten. Zensur schränkt diese Verantwortung ein und entmündigt den Menschen. Nach Artikel 5,1 unseres Grundgesetzes findet Zensur nicht statt. Thomas Rothschild setzt in seinem Essay die Wirklichkeit gegen den Anspruch.