MenuMENU

zurück

Vor 80 Jahren wurde Georg Elser hingerichtet

Allein gegen Hitler

Helmut Ortner


Georg Elser, 1939. Foto: wikimedia commons

Vor achtzig Jahren – am 9. April 1945 – wurde der Schreinergeselle Georg Elser im KZ Dachau ermordet. Mit einer selbstgebastelten Bombe hatte er ein Attentat auf Hitler geplant, während dieser im Münchner Bürgerbräukeller eine Rede hielt. Doch der „Führer“ verließ vorzeitig den Saal und kam mit dem Leben davon. Elser wurde als „Sonderhäftling“ jahrelang inhaftiert – und kurz vor Kriegsende auf Befehl der Gestapo erschossen. Helmut Ortner schreibt über den Mann, der die Bombe baute, die Hitler töten sollte.

 

In der Galerie deutscher Widerstandskämpfer führte Georg Elser bis vor wenigen Jahren ein Schattendasein. Anders als der vier Jahre ältere Graf von Stauffenberg eignete er sich nicht für die Rolle des staatlich verklärten Helden. Hier der gebildete Offizier, der zunächst den Verheißungen des NS-Regimes vertraut, engagiert mitgemacht hat und erst später umgekehrt ist, dann aber entschieden zur Tat schritt. Dort der spröde, zurückhaltende Elser, der bereits 1939, als Stauffenberg und Millionen andere Deutsche noch dem Führer zujubelten, als Schreinergeselle mit Volksschulabschluss den mörderischen Charakter des Regimes erkannte und den Entschluss zum Attentat fasste.

Stauffenberg verstand sich zuerst als Soldat, ganz nach der jahrhundertealten Tradition seiner Familie. Obwohl er später jegliche Begeisterung zum Nationalsozialismus verlieren sollte, hatte er für die parlamentarische Demokratie zeitlebens nur Verachtung übrig. Sein Moralverständnis war ein vielschichtiges Konglomerat aus katholischer Lehre, einem aristokratischen Ehrenkodex, dem Ethos des alten Griechenlands und deutscher romantischer Dichtung. Sein kühner Entschluss, Hitler mit einer Bombe zu töten, war eher Ausdruck von militärischen als von moralischen Überlegungen. Der Zufall, durch den Hitler mit dem Leben davonkam, die aussichtlose Lage der Mitverschwörer, die hastige Hinrichtung Stauffenbergs – das alles ist eine tiefe Tragödie. Graf von Stauffenberg war ein mutiger Patriot – aber auch ein strikter Anti-Demokrat.

Interessant sind in diesem Zusammenhang die Äußerungen von Ian Kershaw, der als einer der angesehensten Historiker gilt und sich seit beinahe vierzig Jahren mit dem Nationalsozialismus in Deutschland beschäftigt. In Zusammenhang mit seinem Buch „Das Ende – Kampf bis in den Untergang, NS-Deutschland 1944/45“ meint er, dass das missglückte Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 zumindest vorübergehend eher zu einer Stärkung des NS-Regimes beigetragen habe. Kershaw: „In der Bevölkerung gab es einen deutlichen Anstieg der Popularität Hitlers. Der Schockeffekt des Anschlags war enorm, wie man aus vielen privaten Aufzeichnungen ersehen kann. Wichtiger aber noch ist, dass es danach bei der Wehrmacht zu einer Säuberung der Offiziersränge kam. An die Stelle von Leuten, die als unzuverlässig galten, traten Erz-Loyalisten. Damit war jeder weitere Widerstand ausgeschlossen.“ (DER SPIEGEL, Nr. 46, 2011).

Helmut Ortner
Der einsame Attentäter
Georg Elser – Der Mann, der Hitler töten wollte
246 S., brosch.
ISBN: 9783939816881
Nomen Verlag, Frankfurt am Main 2022
 
 
Bestellen

Erstellungsdatum: 09.04.2025