„Am meisten bedeutet Unverständliches.“, heißt es da. Denn die Verständigung der Personen geschieht über Klänge, Sprachähnlichkeiten, Assoziationen, Parabeln und das Philosophieren. Es gilt, ein Hörstück von Felix Philipp Ingold zu lesen. Nicht Lebensbilder bildet es ab; sondern die Worte, die untereinander recht anspruchsvoll korrespondieren, rufen Bruchstücke von Realität herbei, die sich aber im montierten Zustand präsentiert. Und nötig ist „ein bisschen Ruhe, das auch der Beste zum Entziffern braucht“.
Er (Bariton) > Kunst
Sie (Sopran) > Sex
Es (Computerstimme, neutral) > Mathematik
I
Er: Wer die Pfosten mit den zugeschneiten Kapitellen …
Sie: … ko-hoptisch? kori-ro-rinthisch? kroa-kreo-krerratisch?
Er: Wer die Kapitelle im Kopf hat, kann wählen.
Es: Kann hoffen, dass eins der schlechteren Wörter die Lösung enthält und ...
Er: ... oder wenigstens als Gedächtnisstütze taugt.
Sie: Nun aber dies Gelichter! Nun diese Asche, die hochflockt ins Off …
Er: … und die als weisses Rauschen – kaum zu hören – die Gegenwart zudröhnt.
Es: So gilt’s und enthält.
Sie: Enthält und verrät.
Es: Anderseits verrät im allgemeinen nur, was im Begriff ist.
Er: Was nie nicht zuviel gesagt ist.
Es: Nicht zuviel gesagt, auch dann, wenn’s noch unübersetzt …
Sie: Wenn’s noch unübersetzt auf der Zunge liegt.
Er: Wobei also bleiben? Wozu noch stehn? Um welchen ...
Sie: ... um wessen Rest sich raufen?
Es: Oder anderswie sich darum kümmern!
Sie: Wie?
Es: Zum Beispiel. Solang auf dem Siegesfries …
Sie: – am besten sieht man’s mit geschlossnen Augen −
Es: … der Untergang glüht.
Er: Allein auf den Strassen stadtauswärts jagt das Drittbeste dem Zweitbesten voran. Es: Hält die Führung.
Er: Hält sich raus aus den Prognosen und Distanzangaben.
Sie: Hält leicht nach vorn gebückt und schief zum Wind auf all die Versprechen zu,
die weiter hinten prangen.
Es: Die prangen im Weltformat und können alles bedeuten.
Er: Nur die höchsten der Gefühle sind hier angezeigt.
Sie: Da! wie sie leuchten und …
Er: … und lauten!
Es: Niemals hat die Schönheit keine Wahl. Weder Gut noch Wahr liegen so klar
an der Spitze, wo’s um Leben und Tod geht.
Er: Gut und Wahr sind mit der Schönheit immer im Vergleich und …
Sie: … aber nur beim Putzen zweifellos.
Er: Statt ewig im Rennen zu sein, stillen sie lieber.
Sie: Klar doch die Botschaft.
Es: Klar wie der rasende Puls. Quer wie …
Sie: Ja?
Es: … wie die Haken der Hasenattrappe, mit der man auf freiem Feld die Rüden zum Herzzerreissen trainiert.
Sie: Zum Herzzerreissen.
Es: Denn wo das Loch haust, weiss keiner im Voraus.
Sie: Und überhaupt ist ja keiner in dieser Umgebung daheim.
Es: Wo’s tobt.
Er: Und wo – zumindest ausnahmsweise – die Regel zur Norm wird. Etwa so.
Es: Und darüber hinaus und hinauf bis zu den gleissenden Zähnen, die in diesem grossen Augenblick nicht mehr zu fürchten sind als drum herum …
Er: … als drum herum dieses hellere Lächeln.
Sie: Wie denn? Das Röcheln kommt diesmal von oben. Von den schneeverwehten
Häuptern bis zum Zinsfuss ist’s zu ...
Es: ... ist’s zu sehn als schwelende Röte. Denn was wäre ohne sie die Welt!
Sie: Ja was?
Es: Sie wäre nur noch zu bedenken und bliebe auch in Zukunft das, was sie nun mal nicht ist.
Er: Was sie nun mal jedenfalls nicht richtig ist und nicht ganz. Nur so das Jammertal.
Es: Auch ohne jene schwärende Röte wär’s mit dem Paradies nicht zu verwechseln. Er: Nein.
II
Sie: Ja.
Er: Und dazu müsste das Röcheln ein Winkelzug sein.
Es: So ähnlich wie Weisheit.
Er: Es dämmert und ... aber der Abend geht nicht weg und auch der Morgen …
Sie: Was für ein Aufstand jedesmal!
Er: Und auch der Morgen verpufft nur ganz langsam.
Sie: Wozu noch schuften. Wozu ins Detail gehn bei all den Verlusten. Den meisten ist nämlich das Rücken zur Mitte noch so recht.
Er: Für viele das einzige Spiel, das vom Rand her gelingt.
Es: Das geht auch ohne Sieg. Es reicht, dass es genügt.
Er: Da kann dann aber jeder landen und fühlt sich in der rechten Mitte himmlisch. Kaum eingetrudelt stellt er die Zeit für immer auf Jetzt …
Sie: … und aber gleich ist Gestern.
Es: Und Morgen wird Vorgestern gewesen sein. Futurum Zwei. Das gilt für die Mütter − und selbst für das Mutterglück – genau so wie für das Jüngste Gericht.
Er: Das Jüngste Gericht das nie nicht der morgige Tag ist. Nie nicht Geburtstag.
Sie: Kind – dass du da bist! (Pause.) Was – oder wer − wäre denn aber die jüngste Richtung des Himmels?
Er: Windrichtung. Denkrichtung.
Es: Die ehrlicheren Wege.
Er: Das kann man „gut“ sein lassen. Das geht „in Ordnung“ zwischen so vielen Bräuchen und Sagen.
Sie: Und es stimmt für Birn- und Apfelbäume gleichermassen.
Er: Für Stamm wie Frau.
Sie: Doch wem die wahren Blicke schenken? Ist doch „Himmelsrichtung“ auch dort
ein Fremdwort, wo sie sich von selbst versteht.
Er: Wie ein Gähnen.
Es: Wie ein ungebrochnes Gelb und also die Farbe, die nie nicht zuletzt ausgeht.
Er: Im Unterschied zu so mancher Erinnerungsstütze. Wenn die Kapitelle
− delphisch! − endlich schneefrei sind.
Es: Und nach dem Schnee gehn umso deutlicher die Spuren ihren Weg.
Sie: Der Schritt und noch ein Schritt schleift hinterher wie …
Er: … wie hinterm Schrei ein verlegnes Lächeln.
Sie: Das ist der Augenblick, wo sich das Herz gehört.
Er: Akut der Schlag.
Es: Der Schädling in Nachtsicht.
Er: Das Schlachtfeld unter einem andern Stern.
Sie: Und gleich daneben auf dem Unschlittsockel gigantisch die Frohgeburt, wie sie leibt und übertreibt.
Es: Keine Frage ist der Himmel auch nach unten offen und …
Er: … und entsprechend schwer zu halten. Zu all den Zeiten hat es der Norden – allein um des Beweises willen − am weitesten getrieben. Nämlich bis ...
Es: ... bis zum strahlenden Pol des Nichtwissens.
Er: Das Nichthissen der Hungerfahne lässt denn aber doch den Zweifel aufkommen. Ob kein Prinzip keine Zumutung sei und kein Husten …
Sie: … keine Übertreibung.
Er: Am meisten bedeutet Unverständliches.
Sie: Endliches gehört dem Einfaltspinsel.
Er: Wenigstens zeitweise liegt’s in der Natur der Dinge, derweil die Dinge der
Natur …
Es: … wo U immer zur Hälfte für X gilt …
Er: … ruhig in Blüte stehn.
Sie: Statt endlich zu fruchten.
Er: So wie jedes Lächeln jedes Selbstbildnis verfälscht.
III
Es: Um auf Früheres zurückzukommen. Nicht weil er blüht, blüht der Kirschbaum. Er blüht, wie er blüht.
Er: Vergleichbar mit jenem gigantischen Gähnen, das Zähne zeigt und Ängste.
Es: In einem solchen Augenblick ist jeder Blick nichts andres, als was die Augen sehn.
Sie: Was huscht.
Er: Was flieht und sich entzieht und auf der Flucht nie nicht erschossen wird. Seht her! Da steht schon der Witz.
Sie: Und wie er grinst.
Es: Während dort die Beule vergeht und erneut für einen Augenblick Erleuchtung wird.
Sie: Doch das muss die Finsternis erst noch begreifen.
Es: Oase ist, wo keiner die Wahl hat.
Er: Wo Wasser den Durst staut und …
Es: … und alles steht am Rand der Gewalt.
Sie: Oder − kurz gesagt − vorm Verbrechen.
Es: Auch hier ist der Witz des Kreises das Quadrat und jede Gefahr kein Beweis.
Er: Auch hier ist das so oder anders Gewollte bloss ‘ne perfide Marotte. Bestenfalls Verrat.
Sie: Oase in As-Dur und auch sonst das Meiste in Noten.
Es: Man achte auf die schnellenden Sechzehntel und auf das Viererprinzip. Und man bedenke …
Sie: … bedenke, was es mit dieser Oase mitten im Largo für eine Bewandtnis hat.
Er: Bevor man sich … bevor du dich noch einmal spurlos in die Wüste steigerst.
Sie: Jeder steht bei jedem irgendwie in der Kreide.
Es: Beides – Verrat wie Verlust – ist eine Leideform und gilt nienicht für immer.
Er: So auch jeder Schmerz, der auf die Spitze zutreibt und vergessen lässt, dass allein die Leere – jede Leere – ganz in Erscheinung tritt.
Es: Alles kann sein und … und scheinen zugleich.
Sie: Am besten das Glück, das immer nicht zählt. Wie übrigens auch jeder Schmerz.
Er: Beides wäre also schlecht gewählt.
Sie: Nu-ja. Längst sind die blauen Nächte beschrieben.
Es: Man hat sie auch immergrün und … oder koptisch, erratisch genannt.
Er: Doch um eine von all diesen Nächten kommt keiner herum. Um jene des Beginns, in der das letzte Wort blinkt und jedes Ziel begraben ist.
Sie: Wie der Schnee im Jubelruf «Scheen!».
Er: Bis irgendeine der zahllosen Möglichkeiten ihr wahres Gesicht zeigt und tagt.
Sie: Und aber die Nacht?
Er: Die wievielte!
Es: Wie jedes Prinzip ist sie Das Letzte und ...
IV
Sie: … aber das Erstbeste ist gut genug.
Er: Das Beliebige zählt.
Sie: Nur selten wählt die Liebe anders. Und da sie aber weiss, was sie tut,
verzeiht man ihr nicht. Ihr nicht.
Er: Dabei ist doch alles ok und ganz ganz sicher wird’s genau so bleiben, wie es nie gewesen ist. Trost der Kohorte. Kroatisch? Kreolisch?
Es: Auch darin stimmt der Beliebige fraglos mit dem Erstbesten überein. Denn beide wissen’s – ihnen wird verziehn.
Sie: Und noch so gern bejubeln sie das viertbeste und das vorletzte Glück.
Er: Was selbst das Mittelmass entsetzt.
Es: Doch irgendwann ist auch das massenhafte Antlitz aufgebraucht.
Sie: Dort! wird der Würfel wie üblich geworfen und schön fällt er, für jedermann
sichtbar, als Kugel nach oben ins Gewicht …
Er: … um über tobenden Stränden e-e-e-ewig zu prangen.
Es: Noch ein Körper, der seinen Leib zu beklagen hat.
Er: Noch ein Himmel, dem die Richtung fehlt.
Sie: Ja…ach! der windige Hund da oben.
Er: Wie er ohne jemands Zutun jagt und …
Es: … und beharrt.
Sie: Fast jeder Stern – von all den vielen – ist namenlos …
Er: … und umso sagenhafter.
Es: Wie übrigens auch jeder Stein.
Er: Jederzeit bereit, in noch eine Gewohnheit zu verfallen.
Sie: Stein down-up. Stern up-down.
Er: Was tief oben in der Schwebe bleibt, ist eine funkelnde Ruine und …
Sie: … aber die behauptet sich wie eh und je als Firmament.
Er: Bleibt über all den Erwartungen noch immer schön gespannt.
Sie: Gebannt reckt einer wie der andre die Stirn.
Er: Den Stern als Stein zu empfangen.
Sie: Ob der aber noch einmal passiert.
Er: Weiss keiner.
Sie: Wo schwarz die Mitte blüht, kann’s eine Fliege sein.
Er: Ein Steckschuss.
Es: Ein plötzliches Kainsmal.
Sie: Vielleicht auch bloss eine verdreckte Null.
Es: All die Wörter und Halbheiten (wie sie knirschen!) sind Beichte
genug. Sie haben ihren Mond …
Sie: … und ihre Bedeutung und aber keinen Schluss.
Er: Nicht mal das bisschen Ruhe, das auch der Beste zum Entziffern braucht.
Sie: Auch dieser Fries liest sich in einem Zug von hier bis zum Anfang zurück.
Es: Zum Amen zurück, das – ob Zahl oder Kopf – nie nicht vor einer Zukunft steht. Er: Wie jeder Name, der seinen Träger beklagt und nun zu guter Letzt als Ziffernkombination die Welt bedeutet.
Sie: Da steht er und blinkt. Und blinkt. Und sinkt.
Er: Noch einmal – jetzt – fliegt die Weltformel auf und ... aber (Pause) verflüchtigt sich rasch.
Sie: So rasch, als wäre sie der ganze Atem.
Er: Als wäre das nun das Ganze gewesen.
Sie: Ist es wohl auch.
Es: Alles aus. Alles nichts.
Erstellungsdatum: 12.03.2025