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Politik und Religion (II)

Das Unverfügbare

Peter Kern


Hammering man. Frankfurt. Foto: Rüdiger Nassauer. wikimedia commons

Ökonomie ist die Wissenschaft, die wirtschaftliche Vorgänge zu erfassen versucht. Ökologie strebt das Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur zum Vorteil beider an. Beides leitet sich vom griechischen oikos her, dem Haus als Lebensgemeinschaft. Der folgenreichste Ökonom des 19. Jahrhunderts, Karl Marx, sah die Hauswirtschaft durch Ausbeutung ruiniert, durch den Kapitalismus der Zerstörung preisgegeben. Peter Kern zeichnet im zweiten Teil seines Traktats nach, wie sich der Philosoph Karl-Heinz Haag eine Ökologie der metaphysischen Wesensgleichheit denkt.

 

Eine rationale Weltauffassung verlangt, von einer materialistisch-atheistischen Philosophie Abstand zu nehmen. Das behauptet diese Artikelserie mit Karl Heinz Haag. Der erste Teil war der Religionskritik gewidmet, dieser wendet sich der Ökonomiekritik zu. Deutlich sollte geworden sein: Der Text verhandelt kein innerphilosophisches, vielleicht für Fachleute interessantes Thema, sondern es geht ihm um die Krise der Gegenwartsgesellschaft. Deren Umwelt ist in einem Maße ramponiert, das den Begriff der Krise wahrlich nahelegt. Die Verheerungen der äußeren Natur, deren Zeuge wir sind, gehen aus der auf Privateigentum und Warenaustausch basierenden Ökonomie hervor. Der Analytiker dieser Kategorien, Karl Marx, war voller Hochachtung für die Rationalität der Naturwissenschaften; sein Hauptwerk wollte er ursprünglich Charles Darwin widmen. Dem Atheismus seiner Frühschriften ist er in seinem reifen ökonomischen Werk treu geblieben. Haags Behauptung „daß es einen Gott gibt,“ hätte er wohl kaum unterschrieben. Das Zitat geht weiter: „Diese Gewissheit ist erreichbar – in logischer Strenge jedoch nur auf dem steilen Pfad zu der physikalisches Wissen transzendierenden Erkenntnis, daß kosmische Prozesse ein gestaltendes Prinzip voraussetzen: eine allmächtige Vernunft, die konstitutiv ist für die Auswahl und Koordination der Gesetze, die in jenen Prozessen wirksam sind.“(1) Für logische Strenge wiederum hatte der Kritiker der politischen Ökonomie sehr viel übrig.

Liest man die mit dem allgemeinen Arbeitsprozess befassten Stellen des Marxschen Werks, stößt man auf den von Vico übernommenen Gedanken von der Naturgeschichte, die kein Produkt der Menschen ist, im Unterschied zu ihrer Geschichte.(2) Dem Arbeitsvermögen kommt nicht die Schöpferkraft zu, den bearbeiteten Naturstoff selbst hervorzubringen; die menschliche Arbeit wird nicht als der säkulare Gott präsentiert. „Zieht man die Gesamtsumme aller verschiednen nützlichen Arbeiten ab, die in Rock, Leinwand usw. stecken, so bleibt stets ein natürliches Substrat zurück, das ohne Zutun des Menschen von Natur vorhanden ist.“(3) Die erste Natur ist mit menschlicher Arbeit vermittelt, aber Vermittlung gibt es nicht ohne Unmittelbares. Die Marxsche Dialektik ist keine Hegelsche; die gegenständliche Natur ist keine Entäußerung des Geistes.

Der Gebrauchswerte erzeugende, unabhängig von seiner historisch-bürgerlichen Form betrachtete Arbeitsprozess, ist eine ewige Naturnotwendigkeit, ein zwischen menschlicher und äußerer Natur vor sich gehender Prozess, in den beide geformt eingehen. Der Mensch mit seinem „Hirn, Nerv, Muskel, Sinnesorgan usw.“(4) der jeweilige Naturstoff mit seinen spezifischen Qualitäten. Natur, die sich an Natur abarbeitet: Man hatte sich einmal angewöhnt, aus solchen Sätzen eine materialistische Ontologie herauszulesen. Es wäre eine paradoxe Ontologie, denn über das Wesen der Materie, bevorzugter Gegenstand einer überhistorischen Wesenslehre, gibt sie keine Auskunft. Marx belässt es dabei, von der „immanente(n) Form seiner Substanz“(5) zu schreiben, wenn er beispielhaft über den Naturstoff Holz spricht. („…das Holz erhält sich als Baum in bestimmter Form, weil diese Form eine Form des Holzes ist; während die Form als Tisch dem Holz zufällig ist, nicht die immanente Form seiner Substanz.“(6) Diese Form zu bestimmen, unterlässt er jedoch. Einen Subjekt und Objekt übergreifenden materialistischen Monismus wird man bei ihm nicht finden.(7) Marx zeigt, worin die Verdinglichungen der kapitalistischen Ökonomie ihre Ursache haben, er hat nicht den Ehrgeiz, zu zeigen, worin die geformte Natur gründet.(8)

In der immanenten Form verborgen ist das Gesetz der Produktion und Reproduktion der Naturstoffe. Mit dieser Form ist das produktive Vermögen der ersten Natur, nicht das der zweiten, der bürgerlichen Ökonomie, thematisch.(9) Auch ist die immanente Form eines Naturstoffes mit den physikalischen Gesetzen, denen er gehorcht, nicht identisch. Die Form setzt der technischen Verfügung Grenzen und der theoretischen Durchdringung der Naturstoffe ebenso. Das sich dem menschlichen Begriff Entziehende deshalb für null und nichtig anzusehen, fällt dem Kritiker der politischen Ökonomie nicht ein. Unter nachmetaphysisches Denken lässt sich seine Kritik nicht subsumieren. Seine Analyse unterscheidet sich von der der klassischen Nationalökonomie durch ihren Bezug auf den Wesensbegriff. Der bürgerlichen Wissenschaft hält er ihr Weltverständnis vor, denn ihr sei die wesenlos gedachte Natur doch „rein Sache der Nützlichkeit.“(10) Er macht dagegen ein „An-Sich-Höheres, Für-Sich-Berechtigtes“(11) aus, und sieht es verletzt im Dasein der zur Arbeitskraft herabgewürdigten Proletarier wie der „erschöpften Erde“.(12)

Erstellungsdatum: 22.09.2025