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Der Garten Junot und die rebellischen Bewohner von Montmartre

Der goldene Klingelknopf

Rainer Erd


Pétanque. Foto: Heiko Rintelen. Wikipedia

Gewachsene Gemeinschaften funktionieren oft nach anderen Regeln, als der Gestaltungswille von Stadtplanern vorsieht. Selbst oder gerade fortschrittliche Kommunalverwaltungen zwingen zuweilen Bürger zu ihrem Glück, das sie bereits selbst errungen haben. Es geht um die Kraft, die stets das Gute will, und stets das Böse, nämlich die Zerstörung, schafft. Rainer Erd war auf dem Pariser Montmartre, wo in der Avenue Junot Menschen sich zum Boule-Spiel Pétanque trafen …

 

Paris, Anfang August 2025, Avenue Junot. Die Straße auf Montmartre, ganz im Norden der Stadt, wird von vielen als die schönste des ehemaligen Künstlerviertels bezeichnet. Was sie von anderen im vielbesuchten 18. Arrondissement unterscheidet, ist die Eleganz ihrer Villen, die beruhigende Ausstrahlung und die Gepflegtheit ihrer Bewohner. Die Avenue Junot ist als Wohnort für viele Pariser ein für immer unerfüllt bleibender Traum, weil Mieten und Quadratmeter-Preise ihr Budget bei weitem überschreiten.

Der Charme der Straße, den Francois Truffaut für seinen Film „Geraubte Küsse“ ebenso zu nutzen wußte wie Henri-Georges Cluzot für „Der Mörder wohnt Nr. 21“, entfaltet sich auch durch die Tatsache, dass sie mit dem zauberhaften „Théâtre Lepic“ auf dem Hügel beginnt und am Ende in der von Touristen wenig besuchten Rue Caulincourt, ganz in der Nähe des Kult-Cafés „Au Rêve“, endet. Nicht weit entfernt liegt die berühmte Schauspielschule „Le Fémis“, die dafür sorgt, dass Cafés und Restaurants in der Gegend immer von unkonventionellen jungen Menschen besucht werden.

 


Jardin Junot. Foto: Rainer Erd

 

Neun Monate später, am 23. Juli 2025, fand die offizielle Eröffnung des nun öffentlichen, ökologisch aufbereiteten Junot-Gartens statt, in dem neben drei Pétanque-Anlagen ein Kräutergarten, ein Gehege für kleine Tiere und andere ökologische Projekte angeboten werden.

Offiziell scheint der Konflikt damit befriedet. Spricht man aber mit Bewohnern von Montmartre, dann hört man weiterhin Unverständnis darüber, dass die Stadt ein über Jahrzehnte akzeptiertes und von den Anwohnern genutztes Projekt im Interesse eines Luxushotels beseitigt hat, selbst wenn das neue Projekt als öffentlicher Garten deklariert wird. Dass man den Garten erst nach Betätigung der Klingel des „Hôtel Particulier“ betreten kann, lässt das „öffentliche“ Projekt für viele unglaubwürdig erscheinen.

Als der Autor dieser Zeilen Anfang August 2025 den „Jardin Junot“ mehrere Male betritt, nachdem ihm der Pförtner des Luxushotel Einlass gewährt hat, ist dieser menschenleer. Allein ein paar Häschen und Insekten zeugen von Leben im öffentlichen Garten Junot.

 

 

Erstellungsdatum: 20.08.2025