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P H Gruners „Autos sind tödlich“

Der Teufel steckt im Auspuff

Roland Held


Teufelsaustreibung. Foto: Bernd Leukert

Das spöttische Vergnügen an Binsenweisheiten, wie sie in den verbreiteten Warnhinweisen oder Triggerwarnungen nach amerikanischem Vorbild hervortreten, ist kaum zu vermeiden. Wie naiv kann man noch sein? Rauchen ist tödlich. Überrascht uns das? P H Gruner hat mit seinen satirischen Variationen die Methode zu ihrer wahren Bestimmung geführt, und Roland Held ist den Ausführungen Gruners gewissenhaft gefolgt, eingedenk der Warnung: Leben ist lebensgefährlich.

 

Hätten Sie's gewusst? „Autofahren tötet Frauen, Kinder und Igel.“ Zu lesen, schwarz umrandet wie ein Kondolenzbrief, auf der Motorhaube eines knallgelben SEAT. Einer von 16 apokryphen Warnhinweisen, die der Schriftsteller P H Gruner ausgebrütet hat für die „Satirischen Variationen einer politisch korrekten Teufelsaustreibung“. So nämlich lautet der Untertitel seines jüngsten Buchs „Autos sind tödlich“. Jeder der besagten Warnhinweise prangt, digital einmontiert, auf Tür oder Haube eines der in Farbe abgelichteten, kostspieligen Fahrzeuge, die der Autor so summarisch wie treffend als „Fetisch des motorisierten Individualverkehrs“ definiert. Ihm will er mit einem subversiv schwarzhumorigen Piratenakt die Luft aus den Reifen stechen. Denn dass die Folgen der universalen Auto-Manie die Anschaffungskosten nochmals weit übersteigen – daran lassen die bald statistisch-sachlichen, bald drastisch-derben Text-Variationen keinen Zweifel. 

Unübersehbar: Die fettgedruckten Warnhinweise halten sich, auch ohne krass medizinische Illustrationen, an ihre Vettern, die seit längerem die Verpackung von Tabakprodukten zieren. Freilich ohne deren Zwang zu inhaltlicher Nüchternheit. „Autofahren ist blöd wie Kotze aufwischen.“ Würde der Satz real auf der Tür des schicken schwarzen BMW kleben, er bescherte dem stolzen Besitzer zweifellos einen Instant-Apoplex vor Wut. BMW, Audi, Mercedes sind die PS-potenten, stromlinienförmigen Lieblingsopfer von P H Gruners Schmäh-Slogans. Doch auch eckige Normalverdiener-affine Kombis und handwerkerdienliche Kastenwagen kriegen ihr Fett weg. „Autos sorgen dafür, dass Sie Ihre Lieben auf dem Friedhof besuchen können“, belehrt der Hinweis auf der Flanke eines Mercedes vom Beerdigungsinstitut, der gewiss schon manchen Sarg an eben jenen finalen Ort transportiert hat. Das alles in Situationen, die der Kenner anhand von Straßenschildern und Gebäuden in Darmstädter Quartieren verorten kann.

„Der Gruner liefert Satire vom Feinsten“, hat Klaus Staeck als Meister des Fachs dem jüngeren Kollegen aus Darmstadt (Jahrgang 1959) einmal attestiert. Nun reicht freilich Gruners skalpellscharfe Handschrift über rein satirisch-kritische Texte – sowie, es sei verraten, ebensolche Kunst-Objekte – hinaus. In einem Essay, der den Fotoband einleitet, klopft er eine Gesellschaft, die die einen Konsumprodukte sanktioniert, die anderen jedoch nicht, auf ihre scheinheiligen Widersprüche ab, – an deren Wurzel er die Industrie und ihre Lobbygruppen eifrig am Wühlen sieht. Und da scheinen die Hersteller von Alkoholika – um nur das augenfällige Beispiel zu nennen – nun mal besser aufgestellt als die von Zigaretten. Als ob die Folgekosten geringer wären. Ja, man spürt eine klammheimliche Solidarität mit den Rauchern als einziger Gruppe, die für ihr Suchtverhalten öffentlich herausgedeutet wird. Mit dem Schluss: „Der Kreuzzug gegen den Tabakkonsum ist […] ein den Normen- und Moralanspruch der Gesellschaft entlastender, stellvertretend vorgenommener Akt einer Teufelsaustreibung.“ Warum nicht endlich, fragt Gruner, nicht auch Warnhinweise wegen übermäßigem Anteil von Zucker, Fett, Salz in Produkten, erst recht wegen Pestiziden, allergenen Stoffen, Mikroplastik? Es ist dem Leser ein Leichtes, die Liste zu erweitern: Energydrinks, Dubai-Schokolade, Partydrogen, Botox-Spritzen, Beauty-Influencer, Porno-Plattformen. Nicht zu vergessen Rüstungsgüter. Noch viele Buchprojekte für P H Gruner.

 

 

P H Gruner
Autos sind tödlich
Satirische Variationen einer politisch korrekten Teufelsaustreibung
48 S. geb., Querformat
ISBN 978-3-87390-527-6
Justus von Liebig Verlag, Darmstadt 2025
 
 
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Erstellungsdatum: 02.08.2025