Ein Fuß davor und einer dahinter,
ein Fuß schräg und einer gerade.
Die Schwelle wandert, ich weiß,
sie rückt vor und zurück, beäugt mich
aufmerksam und stumm
und die Füße folgen ihr.
Soll ich hinein- oder hinausgehen?
Der Mundschutz baumelt im Wind
und ich weiß, ich darf nicht ausgehen,
doch die Schwelle lacht mich an und die Stille
schnürt mir die Kehle zu.
Ich weiß, die Schwelle belauert mich,
während ich auf- und abgehe
im schmalen Flur meiner Wohnung.
Mit dem Gedanken drücke ich gegen eine leichte
Glastür, drücke gegen ein Eisentor,
ein Schattenwürgen überkommt mich,
ich gehe durch zwei Flügel blauer Blumen,
Nachgeschmack des Rauschens von der Straße.
Ich werde den heiligen Fluss schon überschreiten, sag ich mir,
doch heute balanciere ich auf einem Fuß, auf dem anderen
belauert mich die Schwelle, ich weiß,
und ich laufe im braunen Schatten,
während die Bilder der Sterbenden mir folgen.
Ein Fuß schräg und einer gerade.
Über die Schwelle des Hauses treten
bedeutet, wiedergeboren werden aus der eigenen Asche.
Du bist deine eigene Tochter, sagt mir die tote Mutter
mit ihrer kraftlosen, unverstellten Stimme,
du bist die Tochter dieser Maus, die
in deinen trägen Gedanken wühlt.
Die Freiheit der Füße singt in meinem Kopf,
das Paar Schuhe steht da und weiß,
dass die Schwelle des Hauses zu übertreten
eine Frage des Gewissens ist.
Die Ansteckung ist dazu da, den Übergang zu regeln
und viele Augen blicken auf die Straße,
während jemand am Fenster gegenüber
eine rot-grün-weiße Fahne hisst,
ich weiß, Mutter, was es ist, das uns verlorengeht
nicht der Schatten der Krankheit
und auch nicht der Fluss aus Pech,
der uns in die Hölle bringt,
sondern das süße Gefühl der Wiedergeburt,
das die Schwelle demütig souffliert,
dort, wo die Füße entsetzt stehenbleiben
dort, wo die Verbote beginnen,
dort, wo ein alter Vater
mit entblößter Brust und einem Kopf
voller Kanülen und Sauerstoffröhrchen
seinen letzten Atemzug tut,
während einer mit seinem Hund vorbeiläuft,
während ich glücklich zurückweiche
auf den schwarz-weißen Fußbodenkacheln,
während der Abend kommt, wenn es noch Morgen ist
und alles verstummt, die Dächer bevölkert sind,
wir, du, sie – vielleicht, meine Schwelle,
wird es uns gelingen, dich zu überschreiten
mit ruhigem Gewissen und aus
Liebe zum Leben.
2. April 2020
Aus dem Italienischen von Gudrun Jäger
Erstellungsdatum: 17.09.2024