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Sebastian Smees Buch „Paris im Aufruhr“

Ein Dreiergrab auf dem Friedhof Passy

Rainer Erd


Berthe Morisot mit Veilchenstrauß von Édouard Manet, 1872, Öl auf Leinwand, Musée d'Orsay, Paris. Foto: wikimedia commons

Bei Archäologen gehört das Deuten ihrer Fundsachen zum Beruf. Aber auch dem Flaneur fügen sich visuelle Eindrücke zu fragmentarischen Geschichten, die sich unabhängig von der Realität selbst erzählen. Wenn Rainer Erd auf einem Pariser Friedhof zwei Brüder und eine Frau gemeinsam in einem Grab angezeigt sieht, wobei einer von ihnen Édouard Manet heißt, regt das seine Phantasie an. Das Rätsel, das sich damit verbindet, und die Geschichte der Toten findet er in dem Buch „Paris in Aufruhr“ erklärt.

 

Wer den kleinen Pariser Friedhof Passy besucht, gleich in der Nähe des Trocadéro, von wo aus man einen wunderbaren Blick auf den Eiffelturm hat, findet drei berühmte Persönlichkeiten des kulturellen Lebens der Stadt: Jean-Louis Barrault, der unvergessliche Baptiste Debureau aus Marcel Carnés Jahrhundertfilm „Kinder des Olymp“, Fernandel, der unsterbliche Komiker aus „Don Camillo und Peppone“ und Édouard Manet, der Maler, ohne den der französische Impressionismus des 19. Jahrhunderts undenkbar ist.


Grab von Édouard, Eugène und Berthe Manet auf dem Pariser Friedhof Passy. Foto: Rainer Erd


Der Grabstein von Manet lässt den Besuchern ins Nachdenken geraten, weil der Name dort dreimal vertreten ist. Neben Édouard steht dort Eugène und Berthe Manet. Der flüchtige, nicht kundige Besucher ist schnell bereit, eine „ménage à trois“ zu vermuten, im experimentierfreudigen Paris keine Seltenheit. Doch beim zweiten Blick auf den Grabstein findet man hinter Berthe Manet den Zusatz „veuve d‘ Eugène Manet“, Witwe von Eugène Manet. Die Witwe von Eugène Manet war Berthe Morisot, die als eine der wenigen hochgeschätzten Malerinnen des französischen Impressionismus in die Kunstgeschichte eingegangen ist.

Warum die drei gemeinsam auf dem kleinen, wenig bekannten Pariser Friedhof beerdigt sind, hilft ein im Insel Verlag (Berlin) erschienenes Buch zu verstehen. Eugène war der jüngere Bruder des weltberühmten Édouard Manet und die ebenfalls weithin renommierte Berthe Manet, alias Berthe Morisot, die Schwägerin von Édouard. Aus welchen Gründen Berthe Morisot den unbekannten, in der Malerei nicht engagierten Bruder Eugène und nicht ihren Förderer Édouard heiratete, schildert der australische Journalist Sebastian Smee, Kunstkritiker für die Washington Post und Pulitzer-Preisträger, auf 466 spannend geschriebenen Seiten.

Sebastian Smee
Paris im Aufruhr
494 S., Fester Einband mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-458-64528-3
Insel Verlag, Berlin 2025
 
 
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Erstellungsdatum: 01.12.2025