Die ersten drei Artikel der Grundrechte unseres Grundgesetzes werden immer wieder aufgerufen, obwohl sie doch für uns selbstverständlich sein sollten: Wir sind sehr ungleich, deshalb hat der Grundsatz der Gleichheit vor Recht und Gesetz zu gelten. Der Christopher Street Day mit seinen bunten Demonstrationen erinnert daran, dass der Respekt vor dem Anderssein nicht gegeben, sondern einzufordern ist. Wir danken Frankfurts Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg für ihre Rede zu Beginn des CSD 2025.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich heiße Sie herzlich willkommen,
• an den Vorstand sowie die Mitglieder des CSD Frankfurt e. V.,
• an alle Helferinnen und Helfer, die sich beim CSD Frankfurt ehrenamtlich engagieren
• an alle anwesenden Ehrenträgerinnen und Ehrenträger der Stadt Frankfurt, liebe Gäste, liebe Freund:innen, liebe Engagierte der queeren Community,
herzlich willkommen zum CSD-Empfang der Stadt Frankfurt!
Der CSD ist weit mehr als ein Fest.
Er ist ein politischer Ausdruck, eine Erinnerung, ein Raum für queere Freude und ein
Zeichen der Solidarität.
Der CSD ist aus einem Akt des Widerstands entstanden. 1969, in der Christopher
Street in New York, wehrten sich queere Menschen – viele von ihnen trans*,
Schwarze, lateinamerikanische und wohnungslose Personen – gegen Polizeigewalt
und Unterdrückung.
Damals wurde nicht gefeiert, sondern aufgestanden. Aus diesem Aufstand wuchs
eine weltweite Bewegung.
Diese Geschichte dürfen wir nie vergessen, besonders heute, wo sich der Ton gegen
queere Menschen wieder verschärft, wo Rechte infrage gestellt und Räume
eingeschränkt werden.
Der Geist des CSD ist nicht nur Erinnerung, sondern Auftrag.
Wir müssen diesen Widerstandsgeist bewahren, erneuern und weitertragen.
Denn Pride heißt auch:
Wir lassen uns nicht zurückdrängen.
Wir fordern Raum, Gerechtigkeit und Selbstbestimmung – für alle.
Der Empfang heute ist ein klares Signal:
Frankfurt steht an der Seite der queeren Community, sichtbar, verbindlich und mit
Haltung.
Pride ist Protest.
Frankfurt ist dabei.
Frankfurt ist queer.
Wir handeln aus Haltung, aus unserem demokratischen Grundverständnis, aber auch
aus unserer historischen Verantwortung.
Die Nationalsozialisten verfolgten queere Menschen, entrechteten sie,
verschleppten sie und ermordeten sie.
Paragraph 175 blieb selbst nach 1945 bestehen. Diese Geschichte verpflichtet uns.
Die Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte – mehr Sichtbarkeit, rechtliche
Gleichstellung, Anerkennung – sind nicht selbstverständlich.
Sie wurden hart erkämpft und sie können wieder verloren gehen.
Wenn queerfeindliche Gesetze, autoritäre Regime oder rechte Bewegungen
Menschenrechte infrage stellen, braucht es Städte wie Frankfurt, die Haltung
zeigen: laut, sichtbar und international vernetzt.
Frankfurt steht an der Seite aller, die für Menschenrechte kämpfen – hier und
weltweit.
Denn Pride ist kein Event, Pride ist ein Protest.
Deshalb schauen wir auch nicht weg, wenn anderswo CSDs verboten werden – wie
kürzlich in Ungarn.
Wir haben eine Frankfurter Delegation unterstützt, die nach Budapest gereist ist,
um dort sichtbar solidarisch an der Seite der queeren Community zu stehen.
Und wir haben die Initiator:innen der Budapest Pride eingeladen, dieses Jahr zu
unserem CSD nach Frankfurt zu kommen.
Als Zeichen der Verbindung, des Austauschs und der klaren Haltung.
Die Entwicklungen in Ländern wie Ungarn sind alarmierend.
Umso mehr müssen wir Haltung zeigen und sichtbar bleiben.
Wenn Reaktionäre und Rechtsradikale queere Menschen angreifen, bedrohen oder
verdrängen wollen, dann zeigen wir in Frankfurt, was wir davon halten.
Das Banner „Frankfurt ist queer“ hängt sichtbar am Römerberg – ein Bekenntnis für
Schutz, Sichtbarkeit und Empowerment queeren Lebens.
Der Frankfurter Pride Month zeigt, was queere Vielfalt in unserer Stadt bedeuten
kann – und dass sie geschützt, gefördert und strukturell verankert werden muss.
Mit über 30 Kooperationspartner:innen, einem gezielten städtischen Budget und
Veranstaltungen in mehr als 15 Stadtteilen ist ein Programm entstanden, das weit
über das Stadtzentrum hinauswirkt.
Das zeigt: Unsere Stadtteilstrategie geht auf.
Queeres Leben findet nicht nur auf Bühnen und Plätzen statt, sondern in
Nachbarschaften, Schulen und Kultureinrichtungen – dort, wo Menschen leben.
Diese Verankerung ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit und politischer Konsequenz.
Wenn wir heute erleben, dass queere Menschen in den Stadtteilen sichtbar, sicher
und selbstbewusst auftreten, dann zeigt das: Gute Strukturen schützen. Politische
Strategien wirken.
Ein besonderer Moment war das Queere Chöre-Festival, bei dem Chöre aus ganz
Deutschland und der Schweiz Frankfurt mit Stimmen, Vielfalt und Energie erfüllt
haben.
Das war nicht nur ein musikalisches Highlight, sondern ein Ausdruck von
Gemeinschaft und Empowerment.
In einer Zeit, in der queere Menschen vielerorts zum Schweigen gebracht werden
sollen, war dieser Klang ein sichtbares und hörbares Zeichen von Zusammenhalt.
Und eines ist klar: Ohne die Community wäre das alles nicht möglich.
Deshalb möchte ich heute ganz ausdrücklich danken:
dem CSD Frankfurt e. V., dessen Vorstand und Mitglieder mit Klarheit, Herzblut und
Haltung Jahr für Jahr dieses Ereignis gestalten,
allen ehrenamtlichen Helfer:innen, die Bühnen aufbauen, informieren, schützen und
Räume schaffen, und allen, die in Initiativen, Projekten und Vereinen arbeiten – oft unbezahlt, aber
nie umsonst.
Diese Arbeit ist unverzichtbar.
Sie ist soziale Infrastruktur.
Sie ist gelebte Demokratie.
Mit dem diesjährigen Motto „Pride für Alle – Liebe, Solidarität und Zusammenhalt“
machen wir deutlich:
Queere Sichtbarkeit darf keine Blase sein. Sie muss alle mitdenken:
ältere queere Menschen,
Menschen mit Behinderung,
queere Menschen mit und ohne religiösen Hintergrund,
queere Menschen, die Rassismus und Antisemitismus erleben,
und junge queere Menschen, die heute auf unsere Schutzräume und Haltung
angewiesen sind.
Ich wünsche uns allen:
einen Pride Month, der laut ist und nachdenklich, Fwd: Rede CSD Empfang
einen CSD, der empowernd ist und fröhlich,
eine Bewegung, die wach bleibt – und niemals müde wird.
Frankfurt ist stolz auf euch. Und wir sind stolz darauf, diesen Weg gemeinsam zu
gehen.
Pride für Alle heißt: Niemand wird vergessen.
Frankfurt ist queer.
Vielen Dank.
Siehe auch:
Queerfeindlichkeit begegnen
Erstellungsdatum: 23.07.2025