MenuMENU

zurück

Porträt der Künstlerin Inge Hergenhahn-Dinand

Gesetz der Fläche

Marion Victor


Bildnis einer Rauchenden (Ausschnitt). Öl auf Leinwand, 1953. © Erben Inge Hergenhahn-Dinand

Lange wurden Künstlerinnen von der Kunstgeschichte weitgehend ignoriert, seltener ausgestellt und seltener besprochen. Frauen aus dem Schülerkreis Max Beckmanns hatten im Vergleich mit ihren männlichen Kollegen deshalb mit erheblichen Widerständen zu kämpfen. Marion Victor porträtiert die Malerin Inge Hergenhahn-Dinand, eine Künstlerin, die sich aus der oft epigonenhaften Schülerschaft Beckmanns heraushob.

 

Inge Dinand wurde am 14. August 1907 in Darmstadt geboren. Ihr Vater, Paul Dinand, war Heilpraktiker. Auf Drängen ihrer Mutter besuchte sie die Hauswirtschaftsschule in Thale im Harz, bevor sie mit bereits 18 Jahren ihr Kunststudium 1925 bei Peter Rasmussen an der neuen Kunstgewerbeschule (ab 1942 Staatliche Hochschule für bildende Künste – Städelschule) in Frankfurt am Main begann. 1928 wurde sie Meisterschülerin in der Klasse bei Max Beckmann, der sie bis 1932 angehörte. Noch während ihres Studiums nahm Dinand an Ausstellungen teil. Belegt ist ihre Teilnahme 1929 in Berlin an einer Ausstellung junger Künstler im Reckendorfhaus. Paul Westheim, der Kunstkritiker und Kunstsammler, schrieb über die Auswahl, dass lediglich eine Arbeit aus der Klasse Beckmanns, nämlich die von Inge Dinand, von der Jury angenommen wurde, die anderen seien nur „falsche Beckmanns“ gewesen. 1930 waren zusammen mit Werken einer Reihe von Student*innen der Kunstgewerbeschule auch Arbeiten von Inge Dinand zu sehen. R. Diehl schrieb in den Frankfurter Nachrichten: „Relativ am selbstständigsten […] gibt sich die begabte Inge Dinand, in deren Bildern […] das Leben nicht vom Stil erdrückt, sondern eine geistige Einheit erreicht wird.“ Zwei Jahre später, 1932, fand eine Ausstellung in der Galerie Prestel statt. Die kleine Gruppe bestand aus Dinand, Walter Hergenhahn, Theo Garve und Karl Tratt. Wieder stach sie heraus: „Noch bestimmter als bei früheren Gelegenheiten tritt Inge Dinand als die stärkste künstlerische Kraft der kleinen Gruppe hervor. Ihre eindringlich charakterisierten Kinderbildnisse […] sind Dokumente einer charaktervoll sich entwickelnden Begabung […].“ In der digitalen Sammlung des Städel in Frankfurt am Main findet sich ein Kinderbildnis aus den Jahren 1932 bis 1933 von Inge Dinand, das 1933 als Überweisung der Frankfurter Künstlerförderung erworben wurde.


Inge Hergenhahn-Dinand, Dünenlandschaft, 1976, Öl auf Leinwand, 75 x 60 cm, Privatbesitz. © Erben Hergenhahn-Dinand

Trotz zahlreicher Ausstellungen und überregionaler Anerkennung blieb es für Hergenhahn-Dinand schwierig, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Deshalb machte sie noch eine Ausbildung an der Werkkunstschule in Offenbach als Weberin. Es folgten Aufträge für Teppiche und Paramente in Kirchen. Außerdem leitete sie ab 1957 Sommerkurse in Malen und Zeichen in Klappholttal auf Sylt. 1965 erhielt sie zusammen mit Georg Heck den Studienfahrtpreis der Heussenstamm-Stiftung und reist in die Provence. 1968/69 versuchte sie, als Galeristin Fuß zu fassen. In ihrer Galerie zeigte sie u. a. Arbeiten von Thomas Bayrle, Karl Kunz und Arnulf Rainer.

Ab den 1970er Jahren wurde ein Bauernhaus im Vogelsberg ihr zweiter Wohnsitz. In dieser Zeit entstand ein umfangreiches Alterswerk, in dem sie bei ihrer ganz eigenen freien malerische Bildsprache blieb, die nach einer Balance suchte zwischen den beiden von ihrem Lehrer Max Beckmann vorgegebenen Grundsätzen der „Ehrfurcht vor dem Gegenstand“ und dem „Gesetz der Fläche“. Es umfasst Landschaftsbilder, Stillleben und Porträts in Öl, Zeichnungen und Radierungen. 1976 gehörte Hergenhahn-Dinand zusammen mit Georg Heck zu den Mitinitiator*innen des Frankfurter Kreises, einer Künstler*innengruppe aus elf seit Langem bekannten, teils befreundeten Künstler*innen, darunter mehrere Beckmann-Schüler*innen: die Bildhauer Hermann zur Strassen, Hans Bernt Gebhardt und Willi Schmidt sowie die acht Maler*innen Karl Degener, Ursula Dittmann, Maria Houben, Gerta Kleist, Ruth Putensen, Susanne Schönberger, Thomas Zach und Georg Heck. Hergenhahn-Dinand stellte die Kundenkartei ihrer Galerie zur Verfügung.

In ihren letzten Lebensjahren lebte Inge Hergenhahn-Dinand im Frankfurter Westend, betreut vor allem von ihrem älteren Sohn und der Familie. Sie starb am 11. Mai 2003 und wurde an der Seite von Walter Hergenhahn auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beigesetzt.


Inge Dinand, Sylt, 1939, Aquarell, 49,5 x 64 cm, Werkverzeichnis I.00.0770, Privatbesitz. © Erben Hergenhahn-Dinand

 

Weitere Links und Hinweise zu Inge Hergenhahn-Dinand sind auf der Seite Equalpedia

Erstellungsdatum: 21.08.2025