„Die Schmiere“ taufte Rudolf Rolfs sein 1950 eröffnetes Kabarett, das er als freies, politisch unabhängiges Theater verstand. Subventionen lehnte er stets ab, dafür erhielt die kritische Beobachtung reichlich Raum. Seine Tochter Effi B. Rolfs übernahm 1990 die Leitung und folgt diesen Grundsätzen bis heute. Satire fordere dazu auf, über Dinge nachzudenken, Vorgänge zu durchschauen und Schwächen zu entdecken, fasst sie in einem Gespräch mit Doris Stickler ihre Intention zusammen.
Dem Muff unter den Talaren und anderen Gewändern rückte Rudolf Rolfs schon lange vor der 68-Bewegung zu Leibe. Bereits ein Jahr nach Gründung der Bundesrepublik attackierte er auf seiner Kabarettbühne gesellschaftliche Fehlentwicklungen mit Sarkasmus und Ironie. Damit traf er vor allem den Nerv der jüngeren Generation. Die 83-jährige Stadträtin Renate Sterzel erinnert sich noch gut an die Abende im „schlechtesten Theater der Welt“. „Witzig, frech und respektlos die Politik auf die Schippe zu nehmen hat der Lebenseinstellung junger Menschen entsprochen. Es war immer voll, die Atmosphäre grandios und hinterher haben wir viel diskutiert.“ Die Schmiere sei ein „geistreicher Gegenpol zum bürgerlichen Theater, ein Ort, wo man hinging“ gewesen, umreißt sie den Stellenwert.
Der wurde nicht nur in Frankfurt erkannt. Die Vorstellungen lockten auch viele Besucher von außerhalb an, selbst etliche Bundestagsabgeordnete seien immer wieder zu Gast gewesen, weiß Effi B. Rolfs, die als Tochter ihres alleinerziehenden Vaters in den Räumen gewissermaßen aufgewachsen ist. „Größen der deutschen Republik wie Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher sind in der Schmiere ein- und ausgegangen.“ Der Zuspruch von Staatsmännern habe an der kritischen Haltung nichts geändert. „Die Schmiere hat von Anfang an auf Subventionen verzichtet. Alles andere wäre ein Widerspruch zu einem freien, politisch unabhängigem Theater gewesen.“
Diesem Grundsatz folgt das Haus nach wie vor. Dass der Betrieb bis heute vor allem über Eintrittsgelder ermöglicht wird, schreibt Effi B. Rolfs den engagierten Frauen und Männern auf der Bühne und dem treuen Publikum zu. Bis Corona habe man an sieben Abenden in der Woche gespielt, fast immer vor ausverkauftem Haus. Seit der Gründung könne die Schmiere deshalb weit mehr als 15.000 Vorstellungen verzeichnen. Eine rekordverdächtige Zahl, die die Bedeutung der Schmiere vor Augen führt. Zur ihrer Freude hält die Wertschätzung an. Nur an einer Stelle musste sie eine massive Veränderung registrieren. „Die Lehrer:innengeneration, die mit ihren Klassen regelmäßig Vorstellungen besuchte, ist offenbar ausgestorben.“
Dabei fordere gerade Satire dazu auf, über Dinge nachzudenken, Vorgänge zu durchschauen und Schwächen zu entdecken, so Effi B. Rolfs. Zu ihrem Bedauern breiten sich inzwischen Formate aus, in denen „seichter Humor und flache Witze für einfach gestrickte Seelen dominieren“. Als die heute 56-jährige nach dem altersbedingten Ausstieg ihres Vaters gemeinsam mit Matthias Stich 1990 die Schmiere-Leitung übernahm, wurde das Repertoire zwar sukzessive erweitert. Das Programm umfasse jetzt auch anspruchsvolle Comedy, folge aber „nach wie vor der klassischen Schule von Kabarett und satirischem Theater“.
Der Anspruch, politische Ereignisse und Entwicklungen mit Übertreibungen und Witz kritisch ins Visier zu nehmen, beschreibt Effi B. Rolfs als „harte Arbeit und ernste Angelegenheit“. „Ein Stück von zwei Mal 45 Minuten heißt mindestens ein Jahr Schreibarbeit. Zumal im Publikum völlig unterschiedliche Leute sitzen und die Wahl der Sketche immer wieder eine Gradwanderung ist.“ Mit 16 Jahren für eine erkrankte Schauspielerin eingesprungen, stand sie im Keller des Karmeliterklosters fortan auf der Bühne, übernahm mit 22 Jahren die Leitung und schrieb bald eigene Texte. Wenn Effi B. Rolfs auf ihren Werdegang blickt ist ihr klar: „Mein Vater hat mich beeinflusst und geprägt, manchmal frage ich mich, was und wer ich bin.“
Da sie auch bildhauert und malt, komponiert und Bücher schreibt sowie zur Entspannung der Hohen Schule der Vielseitigkeitsreiterei frönt, drängt sich die Antwort Multitalent auf. Während der Corona-Pandemie reüssierte sie sogar auf Verwaltungsebene. Als die Schmiere ihre Türen schließen musste arbeitete Effi B. Rolfs für das hessische Kulturministerium und hinterließ bleibende Spuren. Gemeinsam mit einer Kollegin baute sie die bis heute bestehende Corona-Kulturberatung auf. „Innerhalb von sechs Wochen haben wir etwas auf die Beine gestellt, was der Bund nicht hat.“
Ihre besonderen Verdienste hatte die Stadt Frankfurt bereits 2019 mit der Goetheplakette gewürdigt. Dass eines der bundesweit ältesten Kabaretts in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiern kann ist schließlich dem unermüdlichen Engagement von Effi Rolfs, Matthias Stich sowie den nicht minder engagierten Mitstreiter:innen auf der Bühne zu verdanken. Für einige Satiregrößen wie etwa Vince Ebert hat die Schmiere auch als Karrieresprungbrett fungiert. Auch der Karikaturist Kurt Halbritter gestaltete hier lange Programmhefte und Plakate und verpasste dem Treppenabgang lebensgroße Figuren, die die Gäste bis heute in das Kellergewölbe im Karmeliterkloster begleiten. Es gibt also allen Grund, das langjährige Wirken angemessen zu begehen – zumal Corona die Feiern zum Siebzigsten gründlich vermasselt hat.
Erstellungsdatum: 28.01.2025