MenuMENU

zurück

Friedrich Stoltze-Preis 2024 an Eva Demski

Ich behielt des Liedes Ton

Wolfgang SchopfEva Demski


Eva Demski. Foto: Uwe Dettmar

Der früh geübte Blick hinter alle Kulissen hat Eva Demski gelehrt, was Illusion ist und was Realität. Das hat ihr sicher das Eintauchen ins Frankfurter Geistesmilieu erleichtert, dessen aktiver Teil sie spätestens mit Beginn ihrer schriftstellerischen Laufbahn wurde. Ihre besondere Verbundenheit mit der Stadt wurde nun mit dem Stoltze-Preis gewürdigt, den sie im Kaisersaal des Frankfurter Römer entgegennahm. Wolfgang Schopf hielt die Laudatio und Eva Demski ihre Dankesrede.

 

 

Wolfgang Schopfs Laudatio auf Eva Demski

 

Verehrte Preisträgerin, liebe Eva,
werte Stifter und Ausrichter des Friedrich Stoltze-Preises, Honoratioren und Gäste,

es bereitet eine Freude eigener Art, in diesem Frankfurterischsten aller Frankfurter Räume, mit diesen Gratulanten im Parkett und dem Namensgeber des Preises im Nacken über Eva Demski zu sprechen, obwohl währen der letzten Jahrzehnte so viel über sie geschrieben wurde, durch teils kluge Beobachter oder von ihr selbst, die in eigener Sache gern das letzte Wort hat.

Denn mit allen Aussagen über Frankfurt markiert Eva Demski ihr Verhältnis zur Stadt. In Worten anderer, etwa denen von Renate von Metzler, zur Begrüßung auf dem Fest zur Buchmesse, bekommt dieses Verhältnis eine Formel: „Die Stimme Frankfurts“ worauf die „Stimme“ wortlos mit den Augen rollt (weil sie auf diese Berufung nicht reduziert werden mag) und sich doch in einem Schmunzeln fängt (weil es halt so ist). Doch so einfach ist es nicht. Einige unter Ihnen werden sich an Eva Demskis hiesige Stichworte zu Frankfurt erinnern, die sie in ihrer Laudatio auf den Stoltze-Preisträger von 2018, Hans Traxler, setzte, wobei sie sich auch Stotzes berüchtigten Frankfurt-in-de-Kopp-Vers annahm. Sie hielt dessen Eingeborenen-Romantik den Begriff „Entscheidungsfrankfurter“ entgegen, den ich nachher etwas ausbauen möchte.


Im Kaisersaal. Foto: Uwe Dettmar

Eva Demskis Dankesrede

 

Liebe Alle –

Danke, dass ihr hier seid. Danke für eure Freundschaft, eure Neugier, eure Zuversicht. Es ist schön, in eure Gesichter zu schauen und es ist schön, diesen besonderen Preis zu bekommen. (Ich hätte mich in die erste Reihe gesetzt und laut gemeckert, wenn jemand anderer ihn gekriegt hätte …)

Was haben wir gemeinsam, der Kollege Stoltze und ich?

Er schreibt:

Dort auf dem Arm, als kleines Bübchen

Nahm mich die Göttin Freiheit schon,

Trug singend mich herum im Stübchen

Und ich behielt des Liedes Ton.

 

Ich erlaube mir, ihn zu variieren und zu sagen, mich hielt sie wohl als kleines Mädchen / schon ziemlich fest an ihrem Fädchen.

Die Göttin Freiheit, zur Zeit von allen Seiten bedroht und missverstanden – man, wir alle, müssen sie schützen vor Unfreundlichkeit, Gier und Hochmut.


Wir sind hier im Kaisersaal im Herzen einer angenehmen, zivilisierten, aber überhaupt nicht elitären Insel gelandet. Das macht Mut, sich den allabendlichen schlimmen Nachrichten aus der ganzen Welt zu stellen.

Die Insel heisst Frankfurt. Ich wage zu behaupten, man könne in schwierigen und deprimierenden Zeiten wie diesen nirgendwo besser aufgehoben sein als in unserer Stadt. Der Preisnamensgeber war zu seiner Zeit ähnlicher Meinung, da bin ich mir sicher. Und die war auch kein ruhiger Fluss, seine Zeit.

Frankfurt hat mit den Jahren eine besondere Wehrhaftigkeit gegen Pathos jeder Art entwickelt, auch gegen nationalistisches, gegen Arroganz und Angeberei. Kommt hier im allgemeinen nicht gut an.

Habe ich schon gesagt, dass ich Frankfurt liebe? Ganz unpathetisch – auch wenn ich manchmal das eine oder andere auszusetzen habe. Zum Beispiel die übertriebene Verwendung roter Farbe …

Wie Sie heute sehen, trägt man mir das nicht nach.

Früher, als ich mich noch auf fast allen Kontinenten herumgetrieben habe, bin ich immer wieder mit Freude in meine, unsere Stadt zurückgekommen. Und jetzt, da ich das schon lang nicht mehr tue, entdecke ich fast jeden Tag, dass es in Ginnheim und Eschersheim genau so viel zu sehen gibt wie in der grossen Welt. Also will und muss ich gar nicht mehr weg.

Allein die Strasse, an der ich seit mehr als einem halben Jahrhundert lebe, ist ein Kosmos für sich, kroatische Bäcker, ein stillgelegtes iranisches Konsulat mit unerkennbarem Goethe davor, der mit seinem ebenso misslungenen Kollegen Hafis missmutig auf Schahbilder schaut und auf verrottete Blumenrabatten. Im Sicherheitsbereich, der sich zum Biotop entwickelt hat, leben Vögel, Waschbären und viel anderes geheimnisvolles Getier, und gegenüber ist die echte Verlässlichkeit, der Kosmos Aldi Süd, in dem sich Kippa und Kopftuch schon mal freundlich grüssen. Das tun sie auch auf dem Spielplatz und an der weithin gerühmten Currywurstbude. Essen wollen sie deren Verkaufsschlager wohl nicht, aber sie respektieren den Verkäufer.

Die Salafisten beten hinter unscheinbaren Mauern weiter oben, die Gypsyfamily sitzt bei fast jedem Wetter am Büdchen gegenüber und raucht, und der CIA hält freundlich seine Augen offen und seine Hand über diese Welt, diesen winzigen Frieden, dieses besondere, weltweit nachahmenswerte Frankfurter Modell.

Habe ich schon gesagt, dass ich Frankfurt liebe?

In welcher Stadt würde einen ein Amt anrufen und sagen, Frau Demski, besser, sie fahren mal ein paar Tage weg, wir müssen die Linde an Ihrer Ecke jetzt doch fällen.

Haben die gemacht. Es soll allerdings nicht verschwiegen werden, dass ich ihnen mit meinem Lindenlebensrettungsgeflehe jahrelang auf die Nerven gegangen bin.

Die Neue von damals ist mittlerweile schön gross und bewacht die Ecke. Schatten geben kann sie auch schon.

Ich werde der Stadt weiter zuhören und aufschreiben, was sie mir erzählt. Versprochen.

Wenn wir nachher ein Glas miteinander trinken, wollen wir mit Zuneigung und Dankbarkeit an zwei grosse Frankfurter denken, die uns jüngst verlassen haben – Manfred Niekisch und Fritz v. Metzler.

Ich danke Ihnen allen.

Foto: Petra Kammann

Friedrich Stoltze-Preis 2024
an Eva Demski

 

Erstellungsdatum: 29.11.2024