Romantik-Museum
In der Romantik ist Intimität unauflöslich an Kommunikation geknüpft. Nähe ermöglicht Verstehen; Verstehen schafft Nähe. Aber gerade die Intimität stellt die Verständigung auch vor besondere Herausforderungen. Die Ansprüche, Zumutungen und Empfindlichkeiten, die mit ihr einhergehen, machen die Kommunikation anfällig für Missverständnisse. Wo sie dagegen glückt, wird sie als Liebe erfahren.
Mit Bettina Brentano, Rahel Levin Varnhagen und Karoline von Günderrode richtet die Ausstellung den Blick auf drei der bedeutendsten Autorinnen der Romantik. Auf je eigene Weise suchen alle drei im Schreiben nach dem Ideal des vollkommenen Einverständnisses. Anhand ausgewählter Briefe, literarischer Werke und Objekte zeigt die Ausstellung Szenen des Gelingens und Scheiterns dieser Suche. Zugleich führt sie die sprachlichen Strategien und Innovationen vor, mit denen die Autorinnen auf die Schwierigkeiten höchstpersönlicher Kommunikation reagierten. Ihr schriftstellerisches Werk wird so zur Bühne, auf der das Drama der Intimität zu erleben ist.
Kuratiert wird die Ausstellung von Alexander Knopf (Heidelberg/Kopenhagen), Frederike Middelhoff (Frankfurt am Main) und Joanna Raisbeck (Oxford).
Die Ausstellung umfasst drei aufeinanderfolgende Kapitel:
31. Januar – 6. März: Bettina Brentano 13. März – 11. April: Rahel Levin Varnhagen 17. April – 1. Juni: Karoline von Günderrode
Zum Auftakt des zweiten und dritten Kapitels werden die Kuratorinnen im Rahmen der Reihe ‚Verweile doch!‘ durch die Ausstellung führen.
Mit freundlicher Unterstützung der Velux Foundation, der Universität Kopenhagen, der Dr. Marschner Stiftung und der Cronstett- und Hynspergischen evangelischen Stiftung
EINTRITT Der Besuch der Ausstellung ist im Museumseintritt inklusive.
FEIERABEND IM MUSEUM Jeden 1. Donnerstag im Monat, 18 – 21Uhr, 1 € Eintritt
ÖFFNUNGSZEITEN Freitag bis Mittwoch, Feiertage 10 – 18 Uhr, Donnerstag 10 – 21 Uhr. Geänderte Öffnungszeit: 18.4. (Karfreitag) geschlossen
INFORMATIONEN www.freies-deutsches-hochstift.de
Pressekontakt Kristina Faber, Leitung Kommunikation, Telefon +49 (0)69 138 80-217, kfaber@freies-deutsches-hochstift
Bettina Brentano
31. Januar – 6. März 2025
Vermutlich hat keine andere Autorin der Romantik Intimität so vorbehaltlos mit dem Ideal des vollkommenen Verstehens identifiziert wie Bettina von Arnim, geborene Brentano (1785-1859). Intimität ist nach ihrer Ansicht die Bedingung für das Gelingen der Kommunikation, in der sie sich zugleich erfüllt. Die Erfahrung eines solchen Einverständnisses wird von ihr mit dem Namen Liebe belehnt. Ihr Vehikel ist der Brief. Nahezu alle ihre intimen Beziehungen wurden durch Korrespondenz genährt, aufrechterhalten und zuletzt, mit der Überführung in die semi-fiktionalen Briefbücher ‚Goethes Briefwechsel mit einem Kinde‘ (1835), ‚Die Günderode‘ (1840), ‚Clemens Brentano‘s Frühlingskranz‘ (1844), ‚Ilius Pamphilius und die Ambrosia‘ (1848) sogar in der Schrift verewigt. Die Intimität erzeugt einen kommunikativen Exzess, von dem sie zugleich bedroht wird. Die Häufigkeit, mit der in Bettina Brentanos Briefen das Verstehen thematisiert wird, entspricht der Seltenheit, mit der es sich einstellt.
Rahel Levin Varnhagen 13. März – 11. April 2025
Wer miteinander trotz „Fernbeziehung“ vertraulich sein will, hat laut Rahel Levin Varnhagen (1771-1833) eine ganze Menge zu tun. Denn in Brief und Billet muss nicht allein den Unzulänglichkeiten der Sprache und den Hürden der schriftlichen Gesprächsführung auf räumlich-zeitliche Distanz Rechnung getragen werden. Man muss die anderen vielmehr auch genau so gut wie oder gar besser als sich selbst kennen. Die Schriftstellerin konfrontiert diese Herausforderungen eines intimen Umgangs trotz körperlicher Ferne auf denkbar radikale Weise, indem sie auf permanenten intellektuellen Austausch, leidenschaftliche Sprachkritik und schonungslose Ehrlichkeit in der Kommunikation setzt. Wer sich darauf einlässt, kann ihr Vertrauen, ihre Freundschaft, gar ihre Liebe gewinnen. Die umfangreichen Korrespondenzen und Notizbücher Levin Varnhagens veranschaulichen das lebenslange Abarbeiten der Romantikerin an den Bedeutungen, Bedingungen und Zumutungen eines vollkommenen Näheverhältnisses.
Karoline von Günderrode 17. April – 1. Juni 2025
Obwohl die (echten und fingierten) Briefe Karoline von Günderrodes (1780-1806) in Bettina von Arnims Briefroman ‚Die Günderode‘ (1840) darauf hindeuten, dass Briefe mit gelungener Kommunikation gleichzusetzen sind, wird in ihrer erhaltenen Korrespondenz die Möglichkeit sowie die Unmöglichkeit der intimen Kommunikation thematisiert und problematisiert. In den frühen Briefen im Familienkreis wird Intimität weitgehend unreflektiert dargestellt: Briefe zwischen Günderrode und ihrer jüngeren Schwester Charlotte dienen vor allem dazu, ihr enges Verhältnis zu bekräftigen. In ihrem Briefwechsel mit der Brentano-Familie setzt sich Günderrode kritisch mit der Frage auseinander, ob man die eigenen Gedanken und Erfahrungen aussprechen kann. Gegenseitiges Missverstehen wird zum zentralen Thema in den Briefen zwischen dem Heidelberger Philologen Friedrich Creuzer und Karoline von Günderrode, die darüber hinaus zum Teil codiert und in griechischen Buchstaben verschlüsselt sind.
WIE VIEL NÄHE (ER-)TRÄGT DIE SPRACHE? Intimes Schreiben bei Rahel Levin Varnhagen Kuratorinnen-Führung durch Studioausstellung ‚Intime Kommunikation‘ mit Frederike Middelhoff
Je näher sich zwei Menschen stehen, so eine Grundüberzeugung der Philosophin und Netzwerkerin Rahel Levin Varnhagen, die zeitlebens mit knapp 300 Personen korrespondierte, desto „wahrer“ müssen sie miteinander sprechen: immer aufrichtig, authentisch, freiherzig, unverhohlen. Doch wie „wahrhaftig“ sein, wenn die Sprache für bestimmte Wahrheiten – Gefühle, Ansichten, Erkenntnisse – keine Entsprechung hat? Und was, wenn manche Menschen, die sich nahestehen, die Wahrheit des/der Anderen nicht verstehen oder ertragen können? Anhand der Briefe und Aufzeichnungen Rahel Levin Varnhagens lässt sich das komplexe Nachdenken der Romantikerin über die Möglichkeiten und Grenzen „wahrer“ Kommunikation nachvollziehen.
Frederike Middelhoff hat die Professur für neuere deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt Romantikforschung an der Goethe-Universität Frankfurt inne. Gerade erscheint der von ihr und Martina Wernli herausgegebene Band ‚Denken ist Graben. Zum Werk Rahel Levin Varnhagens‘ im Metzler Verlag
Ausstellung
Intime Kommunikation
Deutsches Romantik-Museum
Handschriftenstudio
31. Januar bis 1. Juni 2025
Eröffnung 30. Januar 18 Uhr
Erstellungsdatum: 30.01.2025