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Textland: Video-Interview

Man kann ja nicht den ganzen Tag weinen

Dana von Suffrin


Dana von Suffrin. Foto: Alexander Paul Englert

Humor kann uns in Distanz zu den eigenen Schieflagen bringen und das Absurde bewusst machen. Zum Thema „Humor als Widerstand“ hat das Literaturfest Textland kurze Video-Interviews mit einigen Autor:innen geführt. Dana von Suffrin glaubt, „dass Literatur uns wirklich dabei hilft, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Das klingt jetzt wie das blödeste, abgedroschenste Klischee. Aber genau das möchte man doch eigentlich erreichen. Dadurch kann man eine Verbindung zwischen Leuten herstellen.“

 

Was bringt dich zum Lachen?

Es muss eine Art Verzerrung geben, also jemand, von dem man etwas gar nicht erwartet, der aus dem Rahmen ausbricht. So etwas finde ich wahnsinnig lustig.

Kommst du beim Schreiben (nicht) ohne Humor aus?

Den Vorgang des Schreibens, den finde ich wirklich nicht besonders lustig, weil ich dabei ja allein zu Hause sitze, und das Abwechslungsreichste, was da passieren kann, ist, dass mir der Hund auf den Teppich kotzt oder so was. Aber sonst ist da nicht viel los. Das finde ich gar nicht witzig. Aber die Texte haben dann schon immer Humor, würde ich sagen. Den brauche ich und den finde ich auch sehr wichtig. Ich werde darauf immer wieder angesprochen, weil es in der deutschen Gegenwartsliteratur – das muss man schon sagen – nicht unbedingt das Allergewöhnlichste ist, Texte mit Humor zu schreiben.

Wofür benutzt du deinen Humor, oder anders gefragt: Wie funktioniert deiner Meinung nach dein Humor?

Ich schreibe über Figuren, denen es nicht gut geht, die sich in einer schlechten Situation befinden, die Schwächen, auch ganz viele Schwächen, haben, die beschädigt sind, die Produkte einer unglücklichen Geschichte sind und so weiter. Mir ist es wichtig, dass diese Figuren zwar nicht die ganze Zeit, aber gelegentlich in einen lustigen Kontext versetzt werden, weil sie dadurch die Oberhand über das Geschehen bekommen. Das verhilft ihnen auf eine bestimmte Weise wieder zu Würde und zu kurzen Augenblicken des Glücks. So entstehen Szenen, in denen auch solche beschädigten Figuren manchmal strahlen können. Das finde ich wichtig.

Woran liegt es, dass Humor hilft, Dinge leichter zu nehmen?

Freud sagt, dass Humor die Unverletzlichkeit des Selbst wiederherstellt, und ich glaube, das stimmt. Wir haben also ein Individuum, das angegriffen wird. Meistens geht dieser Angriff von jemand aus, der, auf welcher Ebene auch immer, höhergestellt ist. Humor hilft einfach, sich über diesen Angriff zu erheben und dadurch sozusagen die Unverletzlichkeit seines Selbst wiederherzustellen.

Du hast Reaktionen in deinen Lesungen erwähnt, dass man über den Holocaust keine Witze machen dürfe. Was sagst du dazu?

Ich würde mal behaupten, in Israel drehen sich zehn bis 15 Prozent der Gespräche um Holocaustwitze. Das hat mit Bewältigung zu tun. Alle sind mit furchtbar traurigen Eltern und Großeltern aufgewachsen. Was soll man denn sonst machen? Man kann ja nicht den ganzen Tag dastehen und weinen. Dann hat man auch kein Leben mehr. Meine Bücher gehören zu einem ganz eigenen Genre. Aber ich weiß, dass die Leute hier das sehr grenzwertig finden.

Humor kann von Land zu Land sehr unterschiedlich sein. Was sind deine Eindrücke, egal von welchem Land oder welcher Art von Humor?

Ich habe meine ganze Jugend vor dem Fernseher verbracht. Ich kenne wahrscheinlich jede einzelne Talkshow, aber auch jede Late Night Show in Deutschland. Das hat mich gleichzeitig fasziniert und auf eine Weise auch abgestoßen, weil diese Art von Unterhaltung oder Humor darauf beruht, dass man sich über marginalisierte Gruppen lustig macht. Heutzutage macht man das natürlich nicht mehr, das ist auch politisch nicht mehr angemessen, aber ich nehme immer noch einen ganz scharfen, ätzenden Sarkasmus wahr, den ich total hasse, weil er im Prinzip genau das Gleiche ist. Es geht immer darum, die eigene Überlegenheit darzustellen, und es gibt überhaupt keine Selbstironie, zum Beispiel in der deutschen Öffentlichkeit. Ich kann jetzt natürlich schwer sagen, was zuerst da war, ob diese schrecklichen Sendungen das Bewusstsein der Leute geprägt haben oder ob es sich andersherum verhält. Aber ich nehme wahr, dass ich mich in anderen Ländern viel besser verstanden fühle, sogar schon in Österreich. Wenn ich in Wien bin, habe ich das Gefühl, da herrscht eine ganz andere Art von Humor und Warmherzigkeit. Da fühle ich mich sofort viel, viel wohler.

Haben persönliche Krisen oder auch gesellschaftliche Krisen einen Einfluss auf dein Schreiben?

Ich glaube, persönliche Krisen sind für die meisten Künstler sowieso Stoff, deshalb kann man ihren Einfluss auf das Schreiben als universell ansehen. Die meisten Erfahrungen, die man später als persönliche Krise betrachtet, macht ja eigentlich jeder oder jede auf die eine oder andere Weise. Ähnliches trifft wahrscheinlich auch auf politische Krisen zu. Ich hätte das zwar gar nicht gedacht, wahrscheinlich braucht man dazu ein bisschen mehr Abstand. Aber ich habe schon das Gefühl, dass sich zum Beispiel der 7. Oktober in meinem Schreiben niederschlägt – einfach, weil er meine Rolle in der Gesellschaft komplett verändert hat. Die ist von sehr gewiss und sicher und unbedingt auf einmal in eine ganz wacklige Position geraten. Ich könnte mir vorstellen, dass man das später an meinen Texten erkennen können wird.

Sind dir schon Dinge über deine Bücher gesagt worden, wo du gedacht hast: och …?

Ja, ich finde es immer erstaunlich, wenn Leute meine Texte ganz humoristisch lesen. Wie gesagt, sie enthalten natürlich immer diese Humorebene und punktuell vielleicht auch mal ein bisschen Klamauk. Aber im Großen und Ganzen sind es todtraurige Texte. Es irritiert mich manchmal, wenn Leute sie ganz anders lesen. Andererseits ist das natürlich in Ordnung, denn man veröffentlicht sie ja, damit jeder Leser und jede Leserin sie so rezipieren kann, wie er oder sie möchte. Das ist ja völlig normal.

Was kann Literatur deiner Meinung nach bewirken?

Ich glaube, dass Literatur uns wirklich dabei hilft, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Das klingt jetzt wie das blödeste, abgedroschenste Klischee. Aber genau das möchte man doch eigentlich erreichen. Dadurch kann man eine Verbindung zwischen Leuten herstellen. Das kann Musik natürlich auch, bildende Kunst aber kann das nur bedingt, glaube ich. Ich bin jemand, der sehr auf Text fixiert ist, und ab und zu, natürlich nicht pausenlos, erlebe ich so etwas beim Lesen. Beim Lesen eines Romans ein oder zwei Mal plötzlich zu denken, ach, jetzt verstehe ich etwas aber wirklich ganz anders … – das ist es, wonach ich suche.

 


Dana von Suffrin im Textland-Video. Regie: Nina Werth © Textland

Erstellungsdatum: 11.04.2025