Humor kann uns in Distanz zu den eigenen Schieflagen bringen und das Absurde bewusst machen. Zum Thema „Humor als Widerstand“ hat das Literaturfest Textland kurze Video-Interviews mit einigen Autor:innen geführt. Dass ihr vermittelt wurde „wie wichtig es ist, alles mit Humor zu betrachten“, weiß Lena Gorelik heute überaus zu schätzen. „Vor allem wurde mir sehr früh durch diese Sichtweise beigebracht, über mich selbst lachen zu können.“
Was bringt dich zum Lachen?
Ich mag klugen Humor. Ich mag hintergründigen Humor. Ich mag Humor, bei dem ich kurz zögere, um ihn a) zu begreifen und b) mich zu fragen, ob ich überhaupt lachen soll. Ich mag keine platten Witze. Ich mag Humor, der mich gleichzeitig zum Nachdenken bringt. Und ich mag scharfzüngigen Humor.
Kommst du beim Schreiben ohne Humor aus?
Ich merke bei Lesungen, dass Menschen manchmal an Stellen lachen, die ich gar nicht auf Humor hin geschrieben habe. Für mich ist Humor eher eine Betrachtungsweise der Welt, die offensichtlich in mir eingespeichert und meinem Blick auf die Welt zu eigen ist. Das hängt damit zusammen, dass ich aus einer Familie komme, in der vieles mit Humor betrachtet wurde. Jedenfalls bin ich manchmal überrascht und auch froh, wenn das Publikum lacht, obwohl ich an der Stelle gar kein Lachen intendiert habe. In früheren Texten habe ich oft absichtlich auf Humor hin geschrieben, aber irgendwann bin ich davon abgekommen, weil mir nicht mehr klar war, ob es tatsächlich einfacher ist, mit Humor zu schreiben. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich bestimmten Fragen nicht stellen muss, wenn ich sie mit Humor überdecken kann.
Welche Funktion hat Humor im Sinne der gerade von dir angesprochenen Art, die Welt zu betrachten, in deinen Texten?
Für die Erzählung an sich bietet er eine zweite Sichtweise. Humor ermöglicht es mir, zu großer emotionaler Nähe zur Figur, die ich erzähle, oder zu dem, was ich aus mir selbst heraus schreibe, zu entgehen. Er erlaubt es, Dinge mit mehr Abstand zu beobachten und mehr zu sehen als nur dieses zentrierte Ich, Ich, Ich: Wie fühle ich mich? Wie bin ich in Gefühle verfangen?
Welche Bedeutung hat Humor für dich im Alltag?
Ich komme aus einer jüdischen Familie. Jüdischer Humor, so sagt man, lasse einen mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück. In meiner Familie hat man sich so viele Witze erzählt, dass sie manchmal gar nicht mehr ausformuliert werden mussten. Stattdessen hieß es „das ist wie in dem Witz mit dem …“ oder „das ist so wie der dritte Witz aus dem Zug …“. Mir wurde also vermittelt, dass es wichtig ist, alles mit Humor zu betrachten. Und vor allem wurde mir sehr früh durch diese Sichtweise beigebracht, über mich selbst lachen zu können. Die Tatsache, dass bei uns immer viel aufgezogen wurde, aber nicht nur von außen, von anderen, sondern dass die Erwachsenen um mich herum sich selbst aufzogen und sich selbst quasi in den Mittelpunkt des Lachens stellten, hat mir natürlich erlaubt, mich selbst mitunter nicht ganz so ernst zu nehmen.
Was erwartest du von Literatur?
Ich wünsche mir von Literatur, dass sie mich bewegt, in welche Richtung auch immer: dass ich weinen oder lachen muss, mich aufrege, empöre oder erleichtert bin, so dass ich mich nach dem Lesen in gewisser Weise verändert habe – etwas gelernt, mich hinterfragt oder meine Sichtweise erweitert habe.
Gibt es unpolitische Literatur?
Es gibt unpolitische Literatur, aber sie ist, so glaube ich, genau deshalb politisch. Die Entscheidung, unpolitische Literatur zu schreiben, ist, als Absage, genau genommen eine weit politischere Entscheidung als die, politisches Denken mit ins Schreiben hineinzunehmen.
Erstellungsdatum: 30.04.2025