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Liederabend mit Georg Zeppenfeld und Gerold Huber in Frankfurt

Nach angezogener Handbremse fulminante Explosion

Andrea Richter


Georg Zeppenfeld, Gerold Huber. Foto: Barbara Aumüller

Georg Zeppenfeld ist unstrittig einer der großen Wagner-Bässe unserer Zeit. Als Liedsänger fiel er jedoch bisher eher nicht auf. Und ob er das konnte, dessen schien sich der große Sänger anfangs selbst nicht sicher zu sein. Doch als er bei den Zugaben ankam, hatte er sich gefunden und legte zwei fulminante Balladen in der Frankfurter Oper hin, mit denen er Andrea Richter auch in dieser Disziplin endgültig überzeugte.

 

Dieser Abend in der Frankfurter Oper gehörte wirklich zu den erstaunlichen. Denn es brauchte tatsächlich einige Zeit, bis es so richtig gut wurde. Da stand dieser große, dünne Mann im Frack und hob an „Der Wanderer“ von Franz Schubert zu singen. Ruhig, seine Stimme flexibel durch die Register von ziemlich (für sein Stimmfach) hoch bis zum ganz tiefen letzten Ton der letzten Zeile „Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück“ steuernd, ohne die in Text und Komposition vorhandene erzählerische Spannung durch besondere sängerische oder gestische Dramatik zu unterstreichen. Gut gewählt der folgende Anschluss die „Liebesbotschaft“ aus Schuberts (für einen Bass hoch gelagerten) Zyklus „Schwanengesang“. So genannt, weil diese Lieder am Ende seines Schaffens entstanden. Ein melodisch wie textlich eher spitzige Leichtigkeit und Zärtlichkeit verströmendes Lied. Zeppenfeld sang es hochkonzentriert schön, aber doch ein wenig „brav“. Ruhig und ohne durchaus erlaubte, der Spannung innerhalb der Lieder und für die Charakterisierung ihrer sehr unterschiedlichen sowohl musikalischen als auch textlichen Inhalte zuträgliche Tempowechsel unterließ Zeppenfeld konsequent. Auch bei den nächsten acht Liedern des Zyklus. Damit vergab er ein bisschen die Chance, seine überaus bewundernswerte Stimmflexibilität und -größe, die vom leisesten Piano bis zum entschiedenen Forte reicht, für die Erzeugung von Spannung zu nutzen. Man hatte das Gefühl, dass er mit angezogener Handbremse sang. Sich nicht traute, alles, was er zweifelsohne beherrscht, einfach rauszulassen, um ja nichts verkehrt zu machen im Lied-Metier, das so anders funktioniert als die Oper. Zumal dort den Bässen, vor allem bei Wagner, nicht eben die spritzigsten Partien zugeordnet sind.  Der erfahrene Lied-Pianist Gerold Huber, der schon so viele Sänger und damit Temperamente begleitet hat, versuchte es ein paar Mal, ward aber nicht gehört. Überzeugend dann allerdings sein respektive Schuberts „Prometheus“, der nicht zum Zyklus gehört.

Die „Fünf Lieder für eine tiefe Stimme“ von Johannes Brahms nach der Pause entsprachen seinem Stimmfach voll umfänglich und er schien sich von nun an selbst wohler zu fühlen: Herrliche Legati mit langem Atem gesungen, heftiger Applaus nach dem letzten, kurzen und prägnant interpretierten Lied der Sammlung „Kein Haus, keine Heimat“. Endgültig angekommen beim Lied dann mit „Vier ernsten Gesängen“. Alle nach Bibeltexten komponiert und wahrlich nicht leicht zu musizieren. Denn es gilt starke Stimmungswechsel von choralisch getragen bis aufbrausend wild musikalisch nachzuvollziehen und in einen Zusammenhang zu stellen. Das hat man wohl selten besser und berührender gehört! Vor allem, wenn man weiß, dass Brahms während seiner Arbeit am Zyklus erfuhr, dass seine geliebte Freundin Clara Schumann am 7. Mai des Jahres einen Schlaganfall erlitten hatte und diese Lieder als Vorahnung ihres und seines eigenen Todes interpretiert werden können. Sie starb am 20. Mai 1896, er am 3. Juli 1897. Spürbare Ergriffenheit im Publikum, dann rauschender Applaus und sichtbare Erleichterung beim Sänger. In den Körper kam Bewegung, ins Gesicht endlich ein Lächeln und mit federndem Schritt verließ er die Bühne. Um zurückzukehren mit einer großen Überraschung. Denn nun war die Ruhe dahin und äußerst lebhaft gestaltete er – und beinahe jazzig Gerold Huber – die beiden Zugaben-Balladen von Carl Loewe: „Der alte Dessauer“ und „Totentanz“. Muntere Lied-Erzählung vom Feinsten, die man sich ebenfalls, wenn auch anders, schon bei Schubert etwas mehr gewünscht hätte. Können kann Zeppenfeld Lied also bewiesenermaßen.

 

 

Erstellungsdatum: 15.05.2025