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Textland: Video-Interview mit Paul Bokowski

Ohne Humor kann ich nicht schreiben

Paul Bokowski


Paul Bokowski. Foto: Alexander Paul Englert

Humor kann uns in Distanz zu den eigenen Schieflagen bringen und das Absurde bewusst machen. Zum Thema „Humor als Widerstand“ hat das Literaturfest Textland kurze Video-Interviews mit einigen Autor:innen geführt. Paul Bokowski vermutet, dass ihm „eine bestimmte Form von Kontrolle über den Humor verloren“ gegangen ist. „Der Humor schleicht sich in die ernsten Texte und das Ernste ein Stück weit in die Unterhaltungsliteratur ein."

 

 

Was bringt dich zum Lachen?

Ich bin ein sehr großer Freund des Alltagshumors. Sobald eine Alltagssituation satirisch überhöht wird, aus sich selbst heraus, erfreut das mein kleines Herz.


Kommst du in deinem Schreiben ohne Humor aus? Wozu dient Humor in deiner Literatur?

Ich fahre zweigleisig. Ich mache Unterhaltungsliteratur im humoristischen Sinne, und ich mache ernste Literatur. Dabei merke ich immer wieder, dass die Grenzen dazwischen stetig verschwimmen. Ich glaube, ich habe eine bestimmte Form von Kontrolle über den Humor verloren, denn der Humor schleicht sich in die ernsten Texte und das Ernste ein Stück weit in die Unterhaltungsliteratur ein. Ich möchte die Frage ganz persönlich beantworten: Ohne Humor kann ich eigentlich gar nicht schreiben. In der Literatur, die ich produziere, ist es, wenn ich ernste Situationen herausschälen möchte, oft sehr dienlich, ein Gegengewicht aus dem humoristischen Sektor zu bauen.


Wirken sich persönliche oder gesellschaftliche Krisen auf dein Schreiben aus?

Mit dem literarischen Arbeiten hat man sich, wenn man es hauptberuflich betreibt, natürlich einen prekären Lebensweg ausgewählt. Deswegen ist in unserem Berufsstand Persönliches und Gesellschaftliches oft gar nicht so leicht trennbar. Wenn es dem Land zum Beispiel wirtschaftlich nicht gut geht, dann merken wir das ganz direkt daran, dass Leute weniger Bücher kaufen, weil Bücher in gewisser Weise Luxusartikel darstellen. Oder sie kommen weniger zu Veranstaltungen.


Wie hängen gesellschaftliche Entwicklungen und persönliche Krisen bei dir zusammen?

Sobald ich merke, dass sich der politische Wind in Deutschland dreht und dieser Wandel mein persönliches Leben betrifft, bin ich davon natürlich angefasst, als Mensch und als Autor. Wahrscheinlich fange ich dann früher oder später an, Bücher oder Texte zu schreiben, die dem entgegenwirken sollen, erst auf einer persönlichen und dann auf einer gesellschaftlichen Ebene. Man kann ja auch durch persönliche Arbeit und durch persönliches Erzählen im Endeffekt gesellschaftlich Einfluss nehmen.


Hat es überraschende Reaktionen auf deine Veröffentlichungen gegeben?

Ja. Ich habe insgesamt drei Humorbücher geschrieben und arbeite gerade am vierten. Alle haben Titel, die man misanthrop auslegen könnte. Das erste Buch heißt Hauptsache nichts mit Menschen, das zweite Alleine ist man weniger zusammen und das dritte Bitte nehmen Sie meine Hand da weg. Alle drei sind vor der Corona-Pandemie erschienen. Während der Pandemie machte in irgendwelchen WhatsApp-Gruppen und bei Twitter das Gerücht die Runde, dass ich etwas mit der Corona-Pandemie zu tun haben müsse, weil diese drei Buchtitel so perfekt darauf passen würden: Hauptsache nicht mit Menschen als Lockdown-Titel, Alleine ist man weniger zusammen ebenfalls als Lockdown-Titel, und Bitte nehmen Sie meine Hand da weg wurde so ausgelegt, als habe es etwas mit Abstand oder Hygieneregeln zu tun. Da waren offensichtlich ein paar Verrückte im Internet am Werk. Aber ich kann versprechen: Ich habe nichts mit der Pandemie am Hut.


Was erwartest du von Literatur?

Mein erster Roman wird oft in die Gruppe migrantischer Autor*innen oder in migrantische Literatur einsortiert, und das ist nichts, was ich per se unsinnig finde, weil es per se ja nicht falsch ist. Aber ich würde mir für die Zukunft des deutschen Literaturbetriebs wünschen, dass wir diesen Begriff der migrantischen Literatur über kurz oder lang überwinden und einfach akzeptieren, realisieren, feststellen und es für gut und richtig erachten, dass migrantische Literatur ein wichtiger, nicht wegzudenkender Teil der Gegenwartsliteratur in Deutschland ist.


Gibt es unpolitische Literatur?

Eine Frage, die wir natürlich oft hören, lautet: Gibt es eigentlich unbiographische Literatur? Diese Frage würde ich ganz klar mit einem Nein beantworten. Ich glaube, dass im Grunde jedes Schreiben biographisch ist. Und lange Zeit habe ich auch geglaubt, dass jedes Schreiben politisch ist. Als Autor habe ich ja mit dem Lesen nicht aufgehört und mich noch intensiver mit Literatur auseinandergesetzt, als ich das früher als Nur-Leser schon getan habe. Mittlerweile würde ich die Frage anders beantworten. Ich glaube, es gibt auch unpolitische Literatur, also Literatur, die von sich aus keinen literarischen Anspruch in irgendeine politische Richtung erhebt, und ich finde es völlig in Ordnung, dass es sie gibt.

 


Erstellungsdatum: 29.06.2025