Reginas Gäste
Er ist Werkzeugmacher, Dichter, Theatermacher, Gabelstaplerfahrer, Schriftsteller, Herausgeber, Verleger und das alles in einer Person: Dinçer Güçyeter. Der 1979 in Nettetal geborene Niederrheiner und deutscher Staatsbürger ist zu Gast bei der Journalistin Regina Heidecke in der Veranstaltungsreihe „Reginas Gäste“.
Mit der Literatur von Gastarbeitern hat sein Schreiben wenig zu tun, aber „Unser Deutschlandmärchen“, so heißt sein erster Roman, spielt genau in diesem Milieu. Seine Eltern sind dem langen Zug der angeworbenen türkischen Arbeiter gefolgt, die sich in den 1960er Jahren für ein hartes aber besseres Leben in Deutschland entschieden haben. Von Dinçer selbst, seiner Mutter und seiner Sippe, wie er seine Familie liebevoll nennt, handelt seine Geschichte und er gibt ihnen allen eine Stimme. Sie alle zogen nach Nettetal am Niederrhein und das nennt Dinçer Güçyeter seine Heimat. Er hat einen Familienroman geschrieben und seine Verehrung gilt besonders den Frauen, allen voran seiner Mutter Fatma. Die Geschichte erzählt davon, dass in einer Umgebung, in der die deutsche Sprache zunächst wie ein Steinbruch vor den Menschen steht, ein Junge heranwächst, dem genau diese schwer zu erwerbende Sprache zum Inbegriff dessen wird, was er im Leben erreichen will. Dabei ist es völlig egal, wo er die Worte aufschnappt, ob als Kind bei der Ausländerbehörde, wenn er für seine Angehörigen übersetzen muss, als Jugendlicher in der Kneipe seines Vaters oder im Bordell seines Onkels Mustafa, wo er Betten bezieht und Geschirr spült. Selbst während seiner Ausbildung zum Werkzeugmechaniker bekommt er wertvolle Hinweise. „Vater, Mutter, wohin jetzt mit mir?“ – diese Frage stellt sich Dinçer Güçyeter zu Beginn seines Romans wie seiner Gedichte. Und weiter heißt es: „wohin mit dieser Geschichte“ – „wohin mit diesen Gedichten?“ Warum schreibt einer sowas, fragt er danach, wem sie gehören oder wen sie vielleicht inspirieren könnten? Schaut man auf die vielen Preise und Auszeichnungen, die der Autor und Lyriker inzwischen bekommen hat, dann wird klar: seine Geschichte und seine Gedichte sind für sein Publikum bestimmt. Gestartet ist Dinçer Güçyeter als Lyriker, für seinen Lyrikband „Mein Prinz, ich bin das Ghetto“ erhielt er 2022 den Peter Huchel Preis. Und ein Jahr später für „Unser Deutschlandmärchen“ den Preis für Belletristik der Leipziger Buchmesse. Das Berliner Maxim-Gorki-Theater hat ein Stück daraus gemacht, jetzt wurde es für das diesjährige Berliner Theatertreffen nominiert, zu dem nur die besten Inszenierungen eines Jahres eingeladen werden. Hat Dinçer alles richtig gemacht, ist er mit seinem windungsreichen Leben zufrieden, vor allem mit Deutschland, und wie steht es mit der Türkei, dem Herkunftsland seiner Familie? Über all das und mehr wird Regina Heidecke mit dem Autor und Lyriker sprechen.
Regina Heidecke
... hat in Frankfurt Soziologie, Germanistik und Philosophie studiert und war seit 1978 Redakteurin der Kulturredaktion beim Hessischen Rundfunk, von 2001 bis 2014 Schlussredakteurin der Sendung Kulturzeit bei 3sat.
Als Filmemacherin realisierte sie für den Hessischen Rundfunk, arte und 3sat Feature und Porträts in den Bereichen Theater, Tanz und Ballett, aber auch Magazinbeiträge zu gesellschaftlichen und politischen Themen, sowie Reisefilme. Daneben war sie viele Jahre als Ballettkritikerin für HR2 tätig. Als Redakteurin bei Kulturzeit hat sie sich vermehrt den Themen Politik, Bildung, kritischer Journalismus, sowie Fragestellungen zum Islam und dem Nahen Osten zugewendet.
Ganz besonders am Herzen lag ihr die Ausbildung und Betreuung von jungen Journalisten und Filmemachern aus Ländern wie dem Irak, Tunesien, Pakistan, Afghanistan in Kooperation mit ifa – Institut für Auslandsbeziehungen. In Workshops hat sie mit dem Goethe Institut in Syrien, mit dem IWPR – Institute for War and Peace Reporting im Nordirak, sowie mit dem SES – Senior Expert Service in Indonesien zusammengearbeitet.
Seit 2015 ist Regina Heidecke freie Journalistin.
Erstellungsdatum: 11.03.2025