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Textland: Video-Interview mit Jakob Nolte

Texte sollten wie Gerichte sein

Jakob Nolte


Jakob Nolte. Foto: Alexander Paul Englert

Humor kann uns in Distanz zu den eigenen Schieflagen bringen und das Absurde bewusst machen. Zum Thema „Humor als Widerstand“ hat das Literaturfest Textland kurze Video-Interviews mit einigen Autor:innen geführt. Wie Jakob Nolte an sich selbst beobachten kann, wohnt dem Schreiben stets eine Form von Humor inne, die mit der Art des Denkens korrespondiert. „Dazu gehört zum Beispiel, dass man in der faktischen, von Satz zu Satz zu Satz fortschreitenden Tätigkeit eine Erfrischung braucht. Das kann Humor sein.“

 

Was bringt dich zum Lachen?

Wenn ich etwas erkenne, was ich kenne, wenn also mein Augenmerk auf etwas gelenkt wird, was mir eigentlich bewusst ist, was ich aber nie so ausformuliert gehört habe, dann bringt mich das häufig zum Lachen. Ein bekanntes Beispiel dafür sind die Jerry Seinfeld Bits, in denen er eine Beobachtung, zum Beispiel über eine Shampooflasche, anstellt, die man sofort nachvollziehen und mit der man sich sofort identifizieren kann. In diesem Erkennen oder in der in diesem Moment aufscheinenden Ordnung liegt für mich eine Form von Witz, die ich sehr mag.

 

Könntest du beim Schreiben ohne Humor auskommen?

Ich vermute, dass dem Schreiben immer eine Form von Humor eingeschrieben ist, die einfach durch die Art, wie man denkt, zustande kommt. Dazu gehört zum Beispiel, dass man sich beim Schreiben selber überrascht in Momenten, in denen man in der faktischen, von Satz zu Satz zu Satz fortschreitenden Tätigkeit eine Erfrischung braucht. Das kann Humor sein. Für mich ist das beim Schreiben häufig der Fall.

 

Welche Funktion hat Humor in deinen Büchern?

Texte sollten wie Gerichte sein. Den Vergleich finde ich gar nicht schlecht. Jedes Gericht braucht die Geschmacksrichtungen süß, salzig, sauer, umami und noch eine fünfte Sache, die mir jetzt nicht einfällt, die alle zusammen eine Balance schaffen. Wenn ich über etwas Bestürzendes oder besonders Trauriges schreibe, brauche ich Humor als zentrale Zutat, weil ich glaube, dass Lesen ein Genuss sein sollte. Und diesen Genuss möchte ich so groß wie möglich machen.

 

Welche Bedeutung hat Humor für dich im Alltag?

Er hat zwei wichtige Bedeutungen: Die eine ist, Gemeinschaft herzustellen. Gemeinsam mit jemandem zu lachen, schafft eine Verbindung. Die andere hat damit zu tun, dass Humor auch ein erlösendes Moment enthält. Hier kommt wieder der Begriff der Ordnung ins Spiel. Man stelle sich eine angespannte Situation vor, etwa einen Streit zwischen zwei Personen. In dem Moment, in dem eine der beiden lacht, ist der Streit vorbei. Weil die Zeit nicht stillsteht und das Leben weitergeht, muss es irgendwann eine Überbrückung geben oder eine Zäsur – so ähnlich wie das Klatschen im Theater, das anzeigt, dass das Stück zu Ende ist. Genauso ist ein Streit vorbei, sobald gelacht wird.

 

Kann Literatur unpolitisch sein?

Ja. Ich halte den Begriff „politisch“ im Zusammenhang mit Literatur für einen sehr verzerrten Begriff, nicht nur in den letzten Jahren, wahrscheinlich war er es schon immer. „Politisch“ ist in meinen Augen mit dem Anspruch verknüpft, eine gesellschaftliche Veränderung hervorzubringen, ein hehres und wichtiges Ziel, wie ich finde. Bücher sind aber meiner Meinung nach nicht per se das am besten geeignete Mittel hierzu. Natürlich hinterlassen Bücher Eindrücke und verändern auch die Menschen, die sie lesen. Das kann man als politisch bezeichnen. Nur wird für mich der Begriff dadurch sehr schwammig. Dennoch gibt es Bücher oder, allgemeiner, Kunstwerke, die einen starken politischen Einfluss ausgeübt haben.

 

 


Jakob Nolte im Textland-Video. Regie: Nina Werth © Textland

Erstellungsdatum: 18.06.2025