Einen Tag und eine halbe Nacht hat es geschneit.
Mit jeder Stunde wurde die Landschaft stiller, bis sie
den Atem anhielt. Schicht um Schicht deckte sich
das Gedächtnis zu. Die Worte haben sich im Schnee
eingenistet und halten sich den Finger an den Mund.
Auch im Zug leuchtet das Schweigen heller. Tiefer
liegen jetzt die Begrabenen. Das macht Schritte
schwerer im hohen Weiß, als wäre ein Anfang leichter
ohne Geschichte. Tiere verraten den Jägern die Spur.
Bäume tragen die Last und senken die Blicke. In Eis
nächten bin ich aufgewachsen an der Brust meiner Mutter.
Dann habe ich sie nicht mehr wiedergesehen. Je offener
das Land, desto flacher der Schnee. Er steht auf dünnen
Beinen und kommt nicht vom Fleck. Denke ich an Vater
und Mutter, weil das Leben zu Ende geht oder das Herz
langsamer schlägt. Ich schlafe gut in den letzten Jahren.
Ich kann Träume an die Hand nehmen und in dunkle
Gassen führen, in denen ich sie dann allein lasse, wenn sie
mir etwas einreden wollen. Bald komme ich zum Haus.
Es wird kalt sein. Und ich werde der Erste sein,
der in meine Spuren tritt, ohne rückwärts zu gehen.
Erstellungsdatum: 07.05.2025