Die anspruchsvolle Aufgabe, „sprechende” Fotografien zu machen, erfordert einen besonderen Blick, wie ihm Sebastião Salgado zu eigen war. Seine Bilder sprechen von sozialen Zuständen. Sie erzählen mit ihren Details, wie Menschen sich unter den gegebenen Bedingungen ihr Leben einrichten, und damit von den sozialen Differenzen. Andrea Pollmeier erinnert an den Künstler, Aufklärer und engagierten Naturbewahrer Salgado.
Der weltweit bekannte Fotograf Sebastião Salgado ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Am Tag, bevor der brasilianische Fotograf und Ökonom Sebastião Salgado mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2019 ausgezeichnet worden ist, sprach er zusammen mit Wim Wenders sowie den Friedenspreisträgern des Vorjahres Aleida und Jan Assmann zu Schülerinnen und Schülern in der Paulskirche in Frankfurt. Eindringlich warnte er damals die Jugendlichen vor den Gefahren des Klimawandels und die Folgen einer „räuberischen Ökonomie“. Es gelte, die Monokulturen, die er beispielsweise auf seiner Reise durch Deutschland vom Zugfenster aus gesehen habe, mit Hilfe lokal eingesammelter Samen wieder aufzuforsten und Biodiversität in regional angelegte Biotope zurückzubringen. Die Frage, ob er sich als Aktivisten bezeichnen würde, verneinte Salgado zwar damals entschieden, ermutigte die nachwachsende Generation jedoch, darauf zu achten, dass ihr beruflicher Einsatz einmal auch für das Leben der Gemeinschaft bedeutsam sei.
Salgado hatte zunächst Ökonomie studiert, in Paris promoviert und in diesem Beruf gearbeitet, bevor er sich der Fotografie zuwandte. Immer stärker stellte er mit seiner Kamera soziale Themen in den Mittelpunkt seiner Arbeit. „Ich wollte vom Elend, das ich zuhause und in anderen Teilen der Welt gesehen habe, in meiner Sprache sprechen“, erklärte er. Diese Sprache sei für ihn die Fotografie gewesen.
Von der internationalen Öffentlichkeit zunächst unbemerkt wandte sich der weithin bereits renommierte Fotograf einem weiteren Thema zu: Er gründete das „Instituto terra“ und leitete damit die Wiederaufforstung seiner Heimatregion in Brasilien ein. Weltweit bekannt wurde dieses Projekt Salgados durch den Dokumentarfilm „Das Salz der Erde“, den Wim Wenders zusammen mit Salgados Sohn Juliano Ribeiro drehte.
Der Reichtum Deutschlands sei, so Salgado im Gespräch mit den Jugendlichen, mit Hilfe von Menschen weltweit entstanden. „Ich habe an vielen Orten der Welt gelebt,“ erklärte er. Ein Bauer in Ruanda, Burundi oder Tansania arbeite von sechs Uhr früh bis spät in den Abend, dennoch könne er sich weder Schuhe, ein Haus, ein Auto oder ein Bankkonto leisten. Den Preis für den Tee und Kaffee, den er produziert, lege der Bauer nicht selbst fest, er entstehe als „negativer Preis“ in Paris, Chicago oder London. Erst, wenn Arbeit weltweit angemessen bezahlt und Wohlstand korrekt verteilt werde, werde soziale Gerechtigkeit entstehen.
Auch auf die Gefahr eines Wiedererstarkens diktatorischer Kräfte in der Welt machte Salgado frühzeitig am Beispiel Brasiliens aufmerksam. Während Menschen hier im Frieden leben, würden an anderen Orten der Welt Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfolgen, betonte der Friedenspreisträger damals. Bilder, die er vor zwanzig Jahren gemacht habe, seien, so Salgado, weiterhin aktuell. Das Wissen um diese Ungleichzeitigkeit müsse immer bewusst bleiben.
Erstellungsdatum: 25.05.2025