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Das Haus der Buchstaben schwindet

Was bleibt

Eva Demski


S.V. Klettenbergstraße 35. Foto: Ute Dietz

Wer nennt die Namen, die bei ihm zusammenkamen – bei S. U., Eigner eines Verlages, dem George Steiner eine eigene Kultur zumaß, und Bewohner eines wundersamen Hauses in der Frankfurter Klettenbergstraße 35. Menschen, die schrieben, dort wie bei Hofe eingeladen waren und es geadelt verließen mit ihren eigenen Initialen. Nun ist es entseelt und verkauft. Die Dichter sind stiften gegangen. E. D. erinnert an das Haus S.V.

 

Buchstaben. Mit ihnen hat es begonnen, mit den stolzen Initialen, und mit ihnen als letzter Spur endet es. Dazwischen lag ein Universum, auch das war aus Buchstaben erschaffen und seine Initialen glichen denen des obersten Herrschers. SV war das Königreich von SU. Aber machtvoller, und das wusste er selbst am besten, waren andere Initialen. An sie alle denkt man voll sehnsüchtiger Trauer, wenn man die magischen Buchstaben als letztes verbliebenes Mahnmal am Gartentor sieht. Ach, dieses Gartentor! Müßig, jetzt, nachdem alles endgültig vorbei ist, respektlos darüber nachzudenken, welche artistischen Leistungen vollbracht wurden, um da hindurch zu gelangen. Den Gartenweg entlang und die paar Stufen hinauf zu kommen ein echter Kraftakt, sie waren für viele die am schwersten bezwingbaren in der gesamten Geistesrepublik. Dafür lohnte sich auch ein wenig Selbstverleugnung.

Oben im Haus hatten sich bei vielen Gelegenheiten auf dem Blauen Teppich andere Initialen versammelt, M.R-R. zum Beispiel, oder H.M.E., unter den gütigen Augen von H.H., der allerdings schon im echten Himmel angekommen und deswegen nur noch als Porträt anwesend war. Bei denen zu bleiben, gar selbst eine zu werden, bedeutete das Leben. Viele Riesenlettern hatten als ganz kleine Buchstaben angefangen, P.H. oder R.G. zum Beispiel, aber der König S.U. ließ sie das rasch vergessen. Selige Zeiten.

Erstellungsdatum: 13.07.2025