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Die Wahrscheinlichkeit, dass die Rechtspopulisten in Deutschland an die Bundesregierung kommen, scheint momentan gering. Dennoch sind die Zustimmungsraten bedenklich. Dabei machen sich die meisten ihrer Befürworter keine Gedanken darüber, welch negativen Auswirkungen dies auf die Wirtschaft haben würde. Alexander Hagelüken hat sein neues Buch dieser bisher wenig diskutierten Thematik gewidmet, und Winfried Dolderer hat es mit Gewinn gelesen.
Im Dezember 2023 veröffentlichte die American Economic Review einen Beitrag dreier deutscher Autoren über die Wirtschaftspolitik von weltweit 51 Staats- und Regierungschefs aus dem Lager der radikalen Rechten im Zeitraum zwischen 1900 und 2020. Für den Autor Alexander Hagelüken ist diese Langzeitbetrachtung so etwas wie ein Schlüsseldokument, auf das er in seinem Buch immer wieder zu sprechen kommt. Denn der Befund der drei Ökonomen vom Kieler Institut für Weltwirtschaft liest sich beeindruckend. Demnach lag nach 15 Jahren Rechtsregierung das Bruttoinlandsprodukt der betroffenen Länder im Schnitt um zehn Prozent unter der Wirtschaftsleistung vergleichbarer demokratisch geführter Staaten. In der Diskussion um den Aufstieg des Rechtspopulismus in Deutschland und Europa geht es zumeist um die Frage, welche Folgen davon für unsere demokratischen Institutionen und Freiheiten zu befürchten sind. Hagelüken, Leitender Redakteur für Wirtschaftspolitik, Arbeit und Soziales der Süddeutschen Zeitung, wählt einen anderen Blickwinkel: „In diesem Buch beschäftige ich mich vor allem damit, was ökonomisch mit den Menschen geschieht, wenn Rechte an die Regierung kommen. Ich verstehe das Buch als Information für alle Wählerinnen und Wähler, was aus ihrem Leben werden könnte und ihrem materiellen Wohlstand, der heute so groß ist wie nie zuvor in der Geschichte.“ Die Frage, so Hagelüken, liege umso mehr auf der Hand, als viele Menschen auch aus Verdruss über ihre wirtschaftliche Situation rechts wählten. „Was geschieht eigentlich ökonomisch, wenn die Rechten ihre Vorstellungen durchsetzen? Sinkt die Arbeitslosigkeit, sinkt die Inflationsrate, steigen die Einkommen?“
Auf mehr als 270 Seiten, in drei Teilen und zwölf Kapiteln handelt Hagelüken sein Thema ab. Einleitend skizziert er die Motive, die Wähler bewegen können, ihre Stimme der AfD oder vergleichbaren Parteien zu geben, und macht drei Politiker der 1980er Jahre als Mitverursacher namhaft: Margret Thatcher, Ronald Reagan und Helmut Kohl. Für Hagelüken sind sie die Urheber einer neoliberalen Wende in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, die auf weniger Staat, weniger Regulierung, weniger Sozialausgaben, weniger Gewerkschaftsmacht, weniger Steuern für Reiche gesetzt habe. Die Folge seien gesellschaftliche Verwerfungen gewesen sowie letztlich die globale Finanzkrise von 2008, mit der der europaweite Aufschwung der Rechten begonnen habe.
Der zweite Teil ist der umfangreichste des Buches. Laut Überschrift handelt er davon, „was Rechte anrichten“. Die Rede ist vom – so Hagelüken – „Zollinferno“ des US-Präsidenten Donald Trump. Den ökonomisch desaströsen Folgen eines von Rechtspopulisten herbeigesehnten Ausstiegs aus der Europäischen Union. Von Migration als einem volkswirtschaftlichen Lebenselixier, gegen das Rechte Stimmung machen. Demokratischen Institutionen als Garanten des Wohlstandes. Klimaschutz als Bedingung für die weitere Bewohnbarkeit des Planeten, beides ebenfalls von Rechtspopulisten attackiert.
„Den ökonomischen und politischen Vorstellungen der Rechten ist oft gemeinsam, dass sie sich gegen etwas richten. Sie strotzen vor Antipolitik: gegen Minderheiten wie Ausländer, Migranten, Homosexuelle oder Arbeitslose. Gegen die Importe ausländischer Firmen und ihre Beschäftigten. Gegen Steuern für Reiche. Gegen Institutionen demokratischer Gewaltenteilung.(…) Gegen Klimaschutz. Gegen den Sozialstaat und gegen Gewerkschaften. Aus den vielen Nein schöpfen die Rechten ihre Agenda: Es ist eine Politik und Ökonomie des Hasses.“ Dass regierende Rechtspopulisten mittel- und langfristig die Volkswirtschaften ihrer Länder ruinieren, habe vor allem zwei Gründe. Zum einen die Abschottung gegen den globalen Handelsverkehr durch eine exzessive Zollpolitik. Zum anderem die Aushebelung der Institutionen des Rechtsstaates, die auch ökonomischen Akteuren Sicherheit gewährleisten. Hagelüken zitiert einen Mitautor der Studie in der American Economic Review, den Kieler Professor Christoph Trebesch: „Demokratien mit Gewaltenteilung, also etwa mit unabhängiger Justiz und kritischen Medien, bieten ein stabileres Umfeld. Das ist einer der Gründe, warum sie wirtschaftlich meist erfolgreicher sind als Autokratien.“
Im dritten Teil des Buches geht es um die Frage, wie sich bei Wählern von Rechtsparteien eine Sinnesänderung bewirken lässt. Der Verfasser appelliert an Politiker der Mitte, Fehler der Vergangenheit einzuräumen und zu korrigieren. Er wirft ihnen vor, sie hätten den Neoliberalismus wuchern lassen und staatliche Leistungen zusammengestrichen ohne Rücksicht auf die Verlierer der Globalisierung. Er plädiert für eine resolute Abkehr von der bisherigen Wirtschafts- und Sozialpolitik, eine „große Reform“, die die Mittelschicht von Steuern und Abgaben nennenswert entlastet und dafür Spitzenverdienern höhere Beiträge abverlangt. Die „demokratische Mitte“ müsse mehr staatlichen Leistungen anbieten, gut bezahlte Industriejobs sichern, die Akzeptanz für nötige Zuwanderung erhöhen und insgesamt mehr Sicherheit, Gleichheit, Einkommen und Eigentum für die Mehrheit der Gesellschaft schaffen.
Hagelüken hat ein Buch vorgelegt, das in der Analyse einen beeindruckenden Faktenreichtum bietet. Er nennt konkrete Zahlen und Befunde der ökonomischen Forschung, zitiert zahlreiche führende Wirtschaftswissenschaftler. Der Leser soll ein möglichst präzises Bild gewinnen. Dagegen enthalten die der Programmatik von Sozialdemokraten, Grünen und Linken entlehnten Empfehlungen zur Abhilfe auch manches an Wunschdenken. So ist ein informatives Sachbuch entstanden, das sich zugleich als Diskussionsbeitrag liest zu der nach wie vor offenen Frage, wie dem Rechtspopulismus wirkungsvoll beizukommen ist.

Alexander Hagelüken
Die Ökonomie des Hasses
Wie Rechte von Trump bis AfD unseren Wohlstand zerstören und wie man ihre Wähler zurückholt.
272 S., geb.
ISBN: 978-3-8012-0701-4
Dietz Verlag, Bonn 2025
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Erstellungsdatum: 22.11.2025