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Aus dem Notizbuch

Bildschirmschoner, Galapagos Tomaten, Papst

Eldad Stobezki


Bodenständig: Immanuel Kant. Gemälde von Christoph Wetzel. Wikimedia commons

Man kann aufklären, indem man reist wie Alexander von Humboldt oder zu Hause bleibt wie Immanuel Kant. Den Sinn des Reisens bestimmt der Reisende. Aber es gibt auch sinnlose Reisen, Bildschirmschoner, Tomaten und Biotope, die Eldad Stobezki in seinen Notizen bedenkt, sowie kurze Schweizer, Alphornmusik, Verstecke, Heidi und den Unterschied der Not bei Mann und Frau.

 

Mitte der Neunzigerjahre besuchte ich eine Großtante in Tel Aviv. Die betagte Dame häkelte gerne, entsprechend schöne Schoner zierten ihr Sofa und die Sessel. Den Geschichten über meine Arbeit und meine Freunde hörte Chaja interessiert zu. Sie wollte auch wissen, wie das mit dem, was sie „WWW“ nannte, funktioniert. Ich habe sie aufgeklärt und erzählte ihr, dass ich ein Foto meiner Katze als Motiv für den Bildschirmschoner gewählt hatte – damals musste man die Röhrenmonitore noch vor dem Einbrennen schützen. Chaja fragte prompt: „Soll ich dir einen Schoner häkeln?“

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Die Botanikerin Sarah Darwin, eine Ururenkelin von Charles Darwin, erforscht die Genetik der Tomaten auf den Galapagos-Inseln. Die endemische Art Solanum galapagense hat sie als Erste beschrieben. Ich würde gerne als Erster eine autochthone Gurke beschreiben. Sie wächst nur auf einem Hügel in der Wüste zwischen Be’er Scheva und Gaza, und ihre Erhaltung und Vermehrung sowie die weltweite Bekanntmachung sollten dazu führen, dass Israelis und Palästinenser doch Frieden schließen würden.

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Habemus Papam. Als ich die Übertragung vom Petersplatz sah, fiel mir wieder einmal die Schweizer Garde mit ihren bunten Uniformen auf. Alle Soldaten waren gleich groß. Ich erinnerte mich, dass mir Mitte der 1970er-Jahre eine Hotelinhaberin in Arosa erzählte, sie sei zwar praktizierende Katholikin, aber nicht damit einverstanden, dass ihr Sohn sich bei der Vatikan-Garde bewerben wollte. „Er soll das Hotel übernehmen“, sagte sie. Sie hatte Glück: Ihr Sohn war 173 cm groß. Das Mindestmaß für die Garde ist 174 cm.

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Gott gab mir 165 Zentimeter und sagte: „Mach was draus.“

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Mitte März 2025, kurz vor seinem neunzigsten Geburtstag, starb Peter Bichsel. Ich liebe seine Erzählungen. Erzählungen, wie sie nur ein Schweizer schreiben kann. An diesem Nachmittag hörte ich auf YouTube Alphornmusik aus dem Berner Oberland. Das schien mir ein gediegener Abschied von ihm zu sein.

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Sie möchte anonym bleiben, denn sie hat mir gestanden, sie lese die meisten Bücher nicht bis zum Ende.

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Als ich in einem alten Fotoalbum ein Bild von einem Familienfest sah – ich war vielleicht fünf Jahre alt –, erinnerte ich mich, wie eng wir in diesem Zimmer saßen. Um die Gesellschaft zu verlassen, entschied ich mich, unter den Tisch zu kriechen. Das tat ich auch – niemand hat mich vermisst. Auch heute, wenn ein Raum brechend voll ist, möchte ich unter den Tisch kriechen und unbemerkt verschwinden.

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Nacht der Museen – Macht der Museen.

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Eine ältere katholische Nachbarin, schon leicht dement, interessiert sich seit langem für die Umwelt. Aus Fernseh-Sendungen wusste Sie, dass Monokulturen schädlich sind. Sie achtete darauf, keine Lebensmittel zu kaufen, die Palmöl enthielten. Als sie im Sterben lag, bat sie den Pfarrer um die letzte Ölung und flüsterte ihm zu: „Aber bitte kein Palmöl.“

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Sie studiert Philosophie, eine Gastronomin, die mir etwas über die Transzendentalphilosophie von Immanuel Kant erzählte. „Es geht um die Untersuchung der Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung und Erkenntnis“, sagte sie. Ich antwortete, dass ich nichts davon verstehe, und fragte, ob sie wüsste, dass Kant ein Stubengelehrter war, der Königsberg nie verlassen hat. Nein, das wusste sie nicht. Dann sprachen wir über Sinn und Unsinn des Reisens.

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Ich würde gerne eine Reise zu einem Unort machen – zum Todesstreifen der Zonengrenze zwischen der DDR und der BRD. Diese Grenze war 1400 Kilometer lang. Vielen Arten von Flora und Fauna bot sie einen ungestörten Lebensraum. Was geschieht heute mit diesem „Biotop“?

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„Ich will heim“, sagte Heidi, als sie in Frankfurt angekommen war. „In Frankfurt bekommst du alles“, hatte man ihr gesagt. Doch der Wohlstand und die städtische Umgebung konnten ihr die Freiheit der Berge nicht ersetzen. Ich sagte das nicht, als ich in Frankfurt ankam – ich kam auch nicht von den Bergen, aber der kulturelle Unterschied ließ mich damals oft an Heidi denken.

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Was ist der Unterschied zwischen „Not am Mann“ und „Not an der Frau“, wollte ich wissen. „Not an der Frau“ bedeutet: dringender Bedarf an weiblicher Intuition, Unterstützung und Hilfe. „Not am Mann“ ist eine Redewendung und bedeutet wirklich „Not am Mann“. Sie stammt aus der Zeit, als bei militärischen Auseinandersetzungen noch Mann gegen Mann gekämpft wurde. Um die Gefahr abzuwenden, wurde jeder Mann gebraucht. Dann ziehe ich „Not an der Frau“ vor.

Eldad Stobezki
Rutschfeste Badematten und koschere Mangos

Gebunden, 150 Seiten
ISBN 9783949671159
Edition-W, Frankfurt, Frankfurt 2024

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Erstellungsdatum: 25.06.2025