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Aus dem Notizbuch

Chronik der laufenden Ereignisse

Eldad Stobezki


Die Manna-Sammlung aus dem Stundenbuch der Katharina von Kleve (um 1440). Wikimedia Commons

Ob Hunde oder Ereignisse laufen, man mit Morsecode, Bus oder Bahn in Verbindung kommt – es ist Bewegung in Eldad Stobezkis Notizen. Selbst von oben kommt es herab und ist rätselhaft bis heute. Wie man lesen kann, bedeutet „Manna“ im Hebräischen: „Was ist es?“ Wie auch immer, es steht geschrieben, dass sich Menschen davon ernährt haben, vielleicht auch Bachstelzen.

 

Ohne Notizbuch gehe ich nicht aus dem Haus. Es könnte mir etwas einfallen, oder es begegnet mir unterwegs etwas, das ich nicht vergessen möchte. Das Notizbüchlein, das ich gerade benutze, war ein Werbegeschenk des Suhrkamp Verlags. Es trägt den Titel: Chronik der laufenden Ereignisse.

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Die Hundeauslauffläche an der Nibelungenallee nennt die Stadt „Hundepark“. Während sich die Hundehalter auf der kleinen Wiese unterhalten, toben ihre Kläffer sich aus und geraten vor lauter Schnüffeln außer sich. Ich erinnerte mich an meinen ersten Besuch in der Bücherei, als Kind. Da war auch ich außer mir – vor lauter Möglichkeiten!

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Seit einigen Monaten arbeite ich als Prüfungsaufsicht an der Frankfurt School of Finance and Management. Die Zusammenarbeit mit den freundlichen Kolleginnen und Kollegen gefällt mir gut, und die Studenten erinnern mich an meine Zeit im Gymnasium und an Universität in Tel Aviv. Ich wollte Lehrer werden – und ich bin sicher, ich wäre ein guter Lehrer geworden. Meine Schüler hätte ich gemocht und gefördert – so, wie meine Lehrer es mit mir getan hatten. Dass ich mich dagegen entschied, lag an der Überzeugung, dass irgendein homophober Vater mir früher oder später etwas anhängen will, das nie geschehen war.

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Auf die Frage, was ich in der Armee gemacht habe, antwortete ich: „Ich war Funker. Damals wurde noch viel mit Morsecode gearbeitet. Das ist für mich wie eine zusätzliche Sprache, die ich heute noch beherrsche.“ Dabei erinnerte ich mich an die Mutter einer israelischen Freundin. Gemeinsam hatten wir die demente alte Dame, eine Veteranin des Unabhängigkeitskriegs von 1948, einmal im Pflegeheim besucht. Die alte Frau klopfte ständig mit dem Zeigefinger auf den Tisch. Meine Freundin, der das peinlich war, entschuldigte sich. Ich erklärte ihr: „Deine Mutter morst. Das ist alles. So etwas verlernt man nicht“. Manchmal, wenn mir während einer Busfahrt langweilig ist, tippe ich die Morsezeichen für die vorüberziehenden Schilder mit dem Zeigefinger.

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Trump spricht mit Vorliebe von „Deals“ und davon, die Welt zu befrieden. Dazu schlage ich ihm ein buchstäblich bahnbrechendes Projekt vor: Er sollte den Mittelmeerraum ins Visier nehmen und eine Bahnlinie bauen, die entlang der gesamten Mittelmeerküste verläuft. Eine Strecke, auf der Reisende jederzeit aussteigen, besichtigen und weiterfahren können. Die Reise sollte in Gibraltar beginnen, durch alle Mittelmeerländer führen und in Ceuta, der spanischen Enklave an der marokkanischen Grenze, enden. Alle Anrainerstaaten sollten Frieden schließen und eine Einheitswährung einführen. Den Traum, diese Reise einmal zu machen – ohne unzählige Visa beantragen zu müssen –, hege ich schon lange.

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Als das Volk Israel aus Ägypten auszog, versorgte Gott es in der Wüste täglich mit einer Portion Manna. Daran sollten die Israelis denken, wenn sie die Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen verhindern und eine Hungerkatastrophe verursachen.

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Im Brunnenwasser
tummeln sich zwei Bachstelzen
im Günthersburgpark.

Eldad Stobezki
Rutschfeste Badematten und koschere Mangos

Gebunden, 150 Seiten
ISBN 9783949671159
Edition-W, Frankfurt, Frankfurt 2024

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Erstellungsdatum: 09.07.2025