Humor kann uns in Distanz zu den eigenen Schieflagen bringen und das Absurde bewusst machen. Zum Thema „Humor als Widerstand“ hat das Literaturfest Textland kurze Video-Interviews mit einigen Autor:innen geführt. „Wenn wir unter Literatur diesen Gattungsbegriff verstehen, der sich im 19. Jahrhundert in der bürgerlichen Gesellschaft geformt hat, dann sollten wir nicht zu viel von ihr erwarten“, findet Leon Joskowitz. Es handele sich „natürlich um ein ideologisches Konstrukt, das zur Abgrenzung und zur Elitenbildung dient.“
Was bringt dich zum Lachen?
Mich bringen verschiedene Sachen zum Lachen. So einfache, alltägliche Banalitäten wie eine Frau, die im Laub herumläuft und nach dem Kot ihres Hundes sucht. Oder dass mein Freund Attila Heilbronn gestern einen Stern erkocht hat und jetzt Sternekoch ist. Auch Stefanie Sargnagels Iowa hat mich zum Lachen gebracht. Und natürlich habe ich auch immer gut lachen, wenn die Mächtigen eins auf den Deckel bekommen.
Kommst du beim Schreiben auch ohne Humor aus?
Manche Dinge, die ich schreibe, verlangen nach Humor. Wie zum Beispiel die Unkindergeschichten, an denen ich zurzeit arbeite. Andere Dinge sind so ernst, dass der Humor natürlich im Alltag nicht fehlen darf, um sie zu verarbeiten. Aber beim Schreiben selbst spielt er keine herausgehobene Rolle.
Haben persönliche und gesellschaftliche Krisen einen Einfluss auf dein Schreiben?
Persönliche und gesellschaftliche Krisen haben gleichermaßen Einfluss auf mein Schreiben. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass die Literatur in dem Moment beginnt, in dem man nicht mehr genau weiß, ob man mit etwas Persönlichem oder etwas Gesellschaftlichem zu tun hat. Das Private kann man therapeutisch klären und das Gesellschaftliche politisch, aber für das, was dazwischen ist und beide Bereiche berührt, gibt es die Kunst. Zumindest in meinem Leben ist das so.
Was dürfen wir von Literatur erwarten?
Wenn wir unter Literatur diesen Gattungsbegriff verstehen, der sich im 19. Jahrhundert in der bürgerlichen Gesellschaft geformt hat, dann sollten wir nicht zu viel von ihr erwarten, weil es sich natürlich um ein ideologisches Konstrukt handelt, das zur Abgrenzung und zur Elitenbildung dient. Insofern ist es mit äußerster Vorsicht zu genießen. Andererseits ist Literatur im emphatischen Sinne für uns, die wir damit zu tun haben, natürlich auch Nahrung und unser aller täglich Brot.
Anders gefragt: Was dürfen wir von Büchern erwarten?
Ich glaube, wir können gar nicht genug von Büchern erwarten. Bücher sind zentral für die Selbsterkenntnis des Menschen. Sie sind dafür das Medium schlechthin. Sicherlich gibt es viele andere Medien, andere Künste, andere Begegnungen, Gespräche, die demselben Ziel dienen. Gleichzeitig ist in der Moderne ein Mensch ohne Buch oder ein Mensch, der über sich selbst nachdenkt ohne Buch, kaum vorstellbar. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass Bücher Freunde, Gesprächspartner und vieles mehr sein können.
Gibt es unpolitische Literatur?
Ich denke, es gibt literarische Formen, die keine politischen Inhalte haben, die auch nicht dezidiert ins Politische hineinwirken oder hineinwirken wollen. Gleichzeitig macht Literatur etwas mit uns, sie verändert uns und stellt uns neu auf, wenn wir hinausgehen in die Wirklichkeit und uns dort immer auch in der politischen Sphäre bewegen. Ja, es gibt auf jeden Fall Literatur, die nicht politisch ist.
Werden die digitalen Medien die Literatur und das Buch verdrängen?
Ein Theoretiker des letzten Jahrhunderts hat einmal gesagt: the medium is the message, das Medium ist die Botschaft. Das trifft, denke ich, durchaus zu. Es ist zwar nicht der Weisheit letzter Schluss, aber da ist etwas dran. Wenn Geschichten heute eher über kleine Bildschirme oder Serien erzählt werden als über Bücher, dann verändert das natürlich etwas, auch an der Art, wie Geschichten erzählt werden und was darin transportiert werden kann. Gleichzeitig gibt es ewige Themen, die uns als Menschen schon angegangen sind, bevor wir überhaupt zu schreiben begannen oder als wir, so wie die meisten vor 500 Jahren, noch nicht schreiben und lesen lernen konnten: Liebe, Tod, Sexualität, Sehnsucht, man könnte viele nennen. Diese Themen werden in neuen Formen weiterhin behandelt werden. Ich glaube nicht, dass das Buch oder die Literatur ausstirbt.
Worin besteht der Unterschied zwischen dem Konsum digitaler Medien und dem Lesen eines Buchs?
Der Hauptunterschied zwischen den Social-Media- oder digitalen Erzählungen, Serien, Fernsehproduktionen, Filmen auf der einen Seite und Literatur auf der anderen besteht natürlich darin, dass ich passiver bin, wenn ich ein Fernsehbild, einen Film oder eine Social-Media-Story konsumiere. Ich befinde mich in einer anderen Gestimmtheit, als wenn ich lese. Wenn ich lese, bin ich viel freier. Ich habe viel mehr Raum, um mir die Geschichte selbst zu erzählen.
Erstellungsdatum: 23.04.2025