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Aus dem Notizbuch

Das Privatleben des Ermittlers

Eldad Stobezki


Komische Oper Berlin NW Friedrichstraße 104-104a. Bestuhlung 1912. wikimedia commons

Selbst die KI steckt voller Kuriositäten, von denen sie nichts weiß. Wir aber verständigen uns mit Sprache und wissen deshalb um die Vieldeutigkeit der Worte ‚Anziehungskraft‘, ‚Fremdenzimmer‘ oder ‚hausgemacht‘. Darin besteht das täglich Brot des Ermittlers, des Urlaubers, des Beamten oder des Bäckers in Eldad Stobezkis Notizen – sogar in Antwerpen. Oder in der Komischen Oper?

 

Kürzlich fand in Frankfurt der Digital-Gipfel 2024 statt. Die Digitalisierung von Einwohnermeldeämtern wird es möglich machen, sich von zu Hause aus an- und abzumelden. Kein Gang mehr zum Amt, keine Warteschlange oder einen Termin in sechs Wochen und keine schlecht gelaunte Beamte am Schalter. Wie schön.

Als ich mich Ende 1981 abmeldete, bevor ich zurück nach Israel ging, sagte mir eine sehr sympathische Beamtin auf Frankforderisch: „Schad, dass Sie weggehe, aber Sie wisse ja, Sie könne jederzeit widder nach Frankfurt zurückkomme.“ Das tat ich neun Monate später, als ich Lothar kennengelernt hatte und im Libanonkrieg 1982 nicht dienen wollte.

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Die Klimaschäden sind hausgemacht, aber die Leberwurst ist Hausmacher.

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Unser polnischer Bäcker fuhr für eine Woche nach Polen, um die Goldene Hochzeit seiner Eltern zu feiern. Ich musste das Brot bei einer großen Bäckereikette kaufen. Die Brote waren leicht verbrannt und ich freute mich, dass trotz Automatisierung, auch hier nicht alles perfekt war. Die Kruste schmeckte köstlich. Demnächst wird wahrscheinlich nur noch KI-Brot angeboten.

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„Das Brot hat aber auch schon ein paarmal Zwölf Läuten gehört“, bemerkte unsere österreichische Freundin, als wir zusammen beim Spanier aßen.

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Was hat Anne Frank mit Bettina von Arnim, Catharina Elisabeth Goethe, Helene Lange und Steffi Jones gemeinsam? Nach ihnen sind in Frankfurt Schulen benannt. Wie wäre es mit einem geführten Spaziergang, in dem über das Leben dieser Frauen erzählt wird?

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Der Kripo-Ermittler kommt nach Hause. Er macht den Kühlschrank auf. Die Kamera zeigt den Inhalt des Kühlschranks von hinten, als hätte der Kühlschrank keine Rückwand. Das faszinierte mich schon als Kind. Der Kühlschrank ist fast leer. Eine Flasche Bier und eine Bockwurst sind noch da. Das ist für den Zuschauer sehr aufschlussreich. Er kann sich ausmalen, wie das Privatleben des Ermittlers aussieht. Das wärs, wenn man den Inhalt des Lebens von hinten sehen könnte. Unsere Kamera ist sonst immer nach vorne gerichtet. Und das Leben rollt nur in eine Richtung.

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Früher waren die Balkonkästen einer Freundin mustergültig. Immer blühte da etwas, kein Unkraut war zu sehen. Doch als sie älter und von Krankheiten geplagt wurde, war die Pflege der Blumen zu mühsam. Die Natur eroberte die Blumenkästen und alle möglichen Samen keimten im nächsten Frühjahr von selbst. Die Freundin hat nur noch gegossen und ließ die Natur walten. Jetzt kamen viele Insekten, auch Vögel, die an den Unkräutern Gefallen fanden und alles regulierte sich von selbst.

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Ich schaue mir im Internet eine Werbung für Urlaub in Deutschland an. Der Ort ist klein und gepflegt, die Bäume alt und prächtig. An vielen Zäunen ein Schild: Fremdenzimmer. Frei. Will ich da Urlaub machen, wo die Unterkünfte für Gäste „Fremdenzimmer“ heißen?

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Im vierten Schuljahr lernten wir alles über das Thema Anziehungskraft. Nach der Schule begleitete mich Yossi, meine erste Liebe, auf dem Weg nach Hause. Er wohnte etwas weiter weg. „In unserem Garten fallen die Äpfel auch ohne Newton“ sagte er.

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Meinen Geburtstag verbrachten wir in Antwerpen. Wie schön, dass wir nicht alles verstanden haben, was am Nachbartisch gesprochen wurde.

Eldad Stobezki
Rutschfeste Badematten und koschere Mangos

Gebunden, 150 Seiten
ISBN 9783949671159
Edition-W, Frankfurt, Frankfurt 2024

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Erstellungsdatum: 02.12.2024