Der sogenannte Finanzierungsvorbehalt ist die Sollbruchstelle der Wahlversprechen. Und da offenbar mit dem Bruch und Kürzungen in der Kulturförderung wiederum Wahlen zu gewinnen sind, hören wir seit vielen Jahren den Refrain von den Sparzwängen, die denen, die da schreiben, übersetzen, publizieren, malen oder musizieren, an die Existenz gehen. Ortwin-Rainer Bonfert macht eine Rechnung auf.
Dem „Finanzierungsvorbehalt“ im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung folgen Einsparungen „aus Kostengründen“. Der nächste Schritt wäre nur noch ein Rückschritt, quasi das „Depublizieren“ von Gedrucktem. Und schließlich bleibt die konsternierte Frage: „In welcher Sprache leben wir?“
Dieser Frage ging Natascha Gangl in ihrem preisgekrönten Wettbewerbsbeitrag bei den 49. Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt nach. Das Event war wieder geprägt vom Wechsel literarischer Höhen und von „Generika“. Sie bewiesen einmal mehr, was literarische Sprache zu leisten vermag. Sie verstehe sich als eine „utopische Kraft, gegen scheinbar undurchdringbare gesellschaftliche und politische Zwänge.“ Literatur – und Kultur im Allgemeinen – ist keine Kür. Mit vergleichsweise geringen Fördermitteln erreicht man lang anhaltende Wirksamkeit, die zudem via 3sat eine große Breitenwirkung erhält. Auf all das kann man nicht verzichten – auch nicht aus Kostengründen, wie Klaus Kastberger, Juryvorsitzender des genannten Literaturwettbewerbs, reüssiert.
Boris Schumatsky, einer der Preisträger, bemüht in seinem Wettbewerbsbeitrag u.a. Samisdat (russisch: Selbstverlag), der über subversive Schriften hinausgehenden, mit mehreren Durchschlägen getippten Texte. Deren Drucklegung scheiterte im damaligen Ostblock, da sie nonkonform oder nicht finanzierbar, oder beides waren. Kommen solche Zeiten etwa hierher, in den deutschen Sprachraum? Samisdat. „In welcher Sprache leben wir?“
Seit Jahren bewundern wir beim sogenannten Bachmannwettbewerb in Klagenfurt Beiträge, die das menschliche Leid „einige Landesgrenzen weiter östlich, von hier aus gesehen" (Alexandru Bulucz beim Wettbewerb 2022) in einer neuartigen Sprache vermitteln. Auch Tanja Maljartschuk, Boris Schumatsky und viele andere kamen aus dem östlichen Europa, schrieben als sogenannte Sprachwechseler auf deutsch – ein besonders mühevolles Unterfangen. Als ob Poeten leiden müssten, um schön darüber zu schreiben: ein schönes Leid – ein schönes Lied. „In welcher Sprache leben wir?– Ist es die richtige, oder wird eine Übersetzung benötigt?
Der Übersetzerfonds soll gemäß Kabinettentwurf im Bundeshaushalt 2025 mit 1.500 T€ gefördert werden; gegenüber 2.200 T€ im Vorjahr. Wie viele Fachbücher, Gedichtbände, Romane, Anthologien der ganzen Welt können für 1,5 Mio € im Jahr ins Deutsche übertragen werden? Und können Germanisten von jenem Entgelt leben, oder müssen sie mit Bürgergeld aufstocken, das ebenfalls Sparzwängen unterliegt? Besonders schwer wiegt die Erkenntnis, dass bereits die Ampelregierung ebenfalls 1,5 Mio für den Übersetzungsfonds vorgesehen hatte, der somit parteiübergreifend einen geringen Stellenwert hat!
Die übersetzten Bücher erscheinen zumeist in unabhängigen Verlagen, deren kulturelle Vielfalt mit insgesamt 2 Mio € gefördert wird – unverändert seit Jahren, trotz Inflation und Kostensteigerungen. Auch die Kulturstiftung des Bundes muss gemäß Haushaltsentwurf mit 7% geringerem Budget auskommen; die Bundesfördermittel für die Kulturpolitische Gesellschaft (KuPoGe) sollen halbiert werden. Der bei jungen Leuten beliebte Kulturpass soll entfallen. Während selbst innerhalb der EU die Pressefreiheit unter staatlichen Druck gerät, soll die Förderung für geflüchtete Kultur- und Medienschaffende um 10% gesenkt werden.
Es sei dem Kulturstaatsminister gegönnt, dass die Budgetposition für seine Entgelte um 9.000 € auf 167.000 € p.a. steigen soll. Aber angesichts seines rund 2 Mrd. € großen Gesamtbudgets für Kultur und Medien mit über 400 Mio € Zuschüssen für die Deutsche Welle stellt sich die Frage über den Sparzwang im Promillebereich für den Literatursektor. Natürlich wird heutzutage niemand mehr mit der Schreibmaschine dem Samisdat-Prinzip folgend literarische Texte und Rezensionen verbreiten. Aber anspruchsvolle Online-Magazine, wie jenes des Textor-Kollektivs, können auf Dauer nur mit Förderzuschüssen weiter entwickelt werden, um nachhaltig Lücken im Printbereich zu minimieren und um zu dem so wichtigen gesellschaftlichen Dialog beizutragen. „Depublizieren“ wirkt – selbst bei Begründung – wie ein selbst auferlegter Maulkorb aus Scheu vor Reaktionen im Hassjargon. In welcher Sprache wollen wir leben?
Erstellungsdatum: 06.07.2025