MenuMENU

zurück

Nino Haratischwili: Löwenherzen

Der Löwe mit dem schiefen Auge

Walter H. Krämer


Illustration von Julia B. Nowikowa

Die Illustratorin Julia B. Nowikowa hat das Theaterstück Löwenherzen von Nino Haratischwili mit zauberhaften Bildcollagen illustriert und in ein Buch verwandelt. Die Reise des Löwen in den Armen der Kindern um die Welt, erzählt vom Glück und Unglück in einer globalisierten Welt mit all ihren Ungerechtigkeiten. Dennoch endet jede Episode mit einer Hoffnung. Walter H. Krämer empfiehlt die Lektüre.

 

Jetzt ist in der Frankfurter Verlagsanstalt das preisgekröntes Theaterstück LÖWENHERZEN von Nino Haratischwilis als Buch in einer wunderschön von Julia B. Nowikowa illustrierten Ausgabe erschienen. Für LÖWENHERZEN hat die Autorin im Umfeld des Gelsenkirchener Consol Theaters recherchiert und ist auf den Wunsch des Theaters – „nach einem Stück, das globalisierte Wirtschaftskreisläufe in den Mittelpunkt stellt“ – eingegangen. 

„Bangladesch. Eine große Zirkusarena. In der Mitte ein Scheinwerfer. Es regnet Konfetti. Man hört Trommeln. Von der Decke schwebt ein kleiner Zauberer herab. Er trägt Frack und Zylinder. Das Getrommel wird lauter und intensiver. Der Zauberer betritt die Arena, und unsere Erwartungen platzen wie bunte Luftballons und regnen wie Luftschlangen auf uns herab…“ 
Mit diesen Sätzen beginnt die Autorin Nino Haratischwili ihr Theaterstück LÖWENHERZEN, das uns mitnimmt auf eine Weltreise, in der ein Löwe mit einem schief angenähten Auge die Hauptrolle spielt und der auf dieser Reise durch viele Kinderhände in vielen Ländern – Bangladesch, Deutschland, Senegal, Mali, Spanien, Frankreich, Indien und wieder zurück nach Bangladesch – wandert.

Manege frei für Anand! So träumt sich der Junge durch seinen Arbeitsalltag. Doch statt in einer Zirkusarena hockt der junge Zauberer in einer Fabrik in Bangladesch und hat wegen seiner Träumerei einem Stofflöwen ein Auge schief angenäht.
Der achtjährige Anand möchte Zauberer werden. Doch noch arbeitet er in einer Fabrik in Bangladesch und fertigt Spielzeuglöwen, die in alle Welt verschickt werden, an. Er will dem eintönigen Arbeitsalltag entfliehen. Will zur Schule gehen, damit sein Traum, Magier zu werden, endlich in Erfüllung gehen kann. Kurzerhand schreibt er eine Nachricht an „Gott in Europa“, versteckt diese im Bauch des Löwen und schickt ihn damit auf eine Reise durch die Welt.
Auf seiner abenteuerlichen Reise kommt der Löwe zuerst nach Deutschland, landet bei der kleinen Emma, die am Weihnachtsabend beschließt, ihre ganzen Besitztümer an arme Kinder im Senegal zu verschenken. Im Senegal findet ihn das Mädchen Zula, von ihr geht die Reise zum jungen Kiano nach Mali, wo sein Vater als Schleuser tätig ist, begleitet dann Amari auf seiner Flucht über das Mittelmeer nach Spanien und findet schließlich zu Louise in Frankreich. 
Geduldig hört sich der sprechende Löwe die Sorgen und Wünsche der kleinen Menschen an und stärkt ihr Selbstvertrauen bis es schlussendlich zu einem Wiedersehen mit Anand in Bangladesch kommt. 


Illustration von Julia B. Nowikowa

Nino Haratischwili lässt in diesem Theaterstück für Kinder die Probleme der heutigen Welt - Kinderarbeit und Leihmutterschaft, Flucht und Vertreibung - nicht außen vor:
„LÖWENHERZEN beschreibt die Geschichte eines Spielzeuglöwen, der in Bangladesch von einem Jungen genäht und von diesem auf eine weite Reise fast um die ganze Welt geschickt wird. Das Stück zeigt die Kraft des Theaters und der Fantasie. Auf zupackende Weise greift LÖWENHERZEN mutig große, globale Themen von Kinderarbeit und Migration bis Leihmutterschaft auf. Dabei stellt es gesellschaftliche Zustände in Frage und regt dazu an, Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Jede Szene vermittelt die Chance auf Veränderung, jede Figur hat einen optimistischen Gestaltungswillen.“ (Aus der Jury-Begründung zum Mülheimer KinderStückePreis 2021)

LÖWENHERZEN wechselt in seinem Erzählen zwischen Sehnsüchten und Träumen und einer Wirklichkeit, die Kindern ihre Kindheit nimmt. Kinder in Bangladesch, die für die westliche Konsumgesellschaft arbeiten, Frauen, die Babys für vermögende Menschen austragen, oder Menschenhändler, die skrupellos ihr Geld machen. Der Realismus in diesem Stück wird jedoch auf vielfältige Weise gebrochen und von magischen, märchenhaften und auch surrealen Momenten durchzogen.

Die Vorstellung von einer besseren Welt lässt Nino Haratischwili von den noch ungeborenen Zwillingskindern im Mutterbauch sprechen. Von einer Leihmutter aus Bangladesch ausgetragen und von einem europäischen Paar adoptiert, träumen die beiden noch Ungeborenen von ihrer Zukunft. Einer Zukunft, die ihnen Bildung, eine tolerante Menschheit, Vielsprachigkeit und eine friedfertige Welt verspricht. So utopisch das klingen mag, im Mutterbauch darf man träumen.

Das Theaterstück wird empfohlen für Kinder ab 9 Jahren. Vielleicht auch das richtige Lesealter. Gleichwohl ist es eine besondere Herausforderung, Theaterstücke zu lesen und / oder vorzulesen und geschieht vielleicht am besten mit verteilten Rollen. Nicht zuletzt wegen seinen phantastischen und utopischen Elementen sowie seinen globalisierungskritischen Tönen, ist die Lektüre des Buches zu empfehlen -verbunden mit einem Gesprächsangebot von Seiten Erwachsener.


Illustration von Julia B. Nowikowa

Nino Haratischwili
Löwenherzen 

illustriert von Julia B. Nowikowa
80 Seiten, Hardcover
Frankfurter Verlagsanstalt, Oktober 2024

Buch bestellen

Erstellungsdatum: 03.12.2024