MenuMENU

zurück

Gedicht von Steffen Kurz

die große flut

Steffen Kurz


 


In diesem haus hängt eine uhr in jedem zimmer / sie sprechen
sich nicht ab, sie zeigen alle ihre eigene zeit // in diesem haus
fließt in den fluren wasser // die fenster strahlen kälte aus / und
leise klirren die leitungssuchgeräte an der wand // die neonröhren
winden sich in ihrer fassung / und nachts versammeln sich
die pflanzen im foyer // seit achtzehn jahren geh ich jeden tag /
in dieses haus und frage mich // war es schon immer so // waren
immer schon plakate an den türen / die mich darüber informieren
dass // in schreibtischschubladen noch minen lauern /
noch liebesbriefe aus der zeit als wir voll hoffnung waren //
noch fotos lachender kolleginnen im weinberg / schwimmend,
fleischwurst essend, sonnenbrillenschwarz // ich antworte mir
nicht, die wanze auf der stuhllehne / heut morgen sprach stattdessen,
geh // geh weg von hier, das ist jetzt meine statt / was
du nicht kannst, gelingt mir auch nicht, also nun // voll mitleid
und voll abscheu stülpte ich / den goldenen kelch über das
kerbtier und // warf sie aus diesem klirrend kalten loch / ein
bein riss ich ihr dabei ab // und immer, immer, immer rauscht
die große flut im korridor////

 

 

Erstellungsdatum: 31.07.2025