Trauer um den getöteten Lorenz A.
In der Nacht zum Ostersonntag wurde in Oldenburg eine Schwarze Person von einem Polizisten durch Schüsse in den Hinterkopf und Rücken getötet. Der Fall ist längst keine Ausnahme mehr, doch stößt die wachsende Polizeigewalt noch immer auf verbreitetes Desinteresse. Dem Wegschauen muss man sich aktiv und durch individuelles Engagement widersetzen, findet die Soziologin Betânia Ramos Schröder und hat in einem Gedicht ihrer Trauer über den gewaltsamen Tod von Lorenz A. Ausdruck verliehen.
In der Nacht zum Ostersonntag (20. April) wurde der 21-Jährige Lorenz A. von einem 27-Jährigen Polizisten durch vier Schüsse, die den jungen Mann von hinten in den Oberkörper, die Hüfte und den Kopf trafen, getötet. Ein fünfter Schuss streifte ihn noch. Gegen den Polizisten wird wegen Todschlags ermittelt. Zu klären ist, ob eine Notsituation bestanden hat, oder ob Lorenz A. als Schwarzer Bürger Opfer unverhältnismäßiger, rassistischer Polizeigewalt geworden ist. Die Ermittlungen führt die Polizei des Nachbarorts Delmenhorst, geleitet von der Staatsanwaltschaft Oldenburg. An der regionalen Nähe der ermittelnden Behörden wurde Kritik geübt. Der Fall führte bundesweit vereinzelt zu Protesten und Gedenkstunden. Gefordert wird eine rechtstaatliche Aufarbeitung der gegebenenfalls rassistisch motivierten Tat. In einem solchen Fall sollen nicht Polizisten gegen Polizisten ermitteln, sondern unabhängige Experten und Stellen eingesetzt werden, die anerkannt, fachkompetent und personell angemessen ausgestattet sind.
Die in Frankfurt lebende, afrobrasilianische Soziologin Betânia Ramos Schröder hat nach dem Tod von Lorenz A. ihren Gefühlen in der Sprache der Poesie Ausdruck verliehen. Sie warnt zugleich vor einer zunehmenden Normalisierung von Polizeigewalt in Deutschland: „Immer wieder, wenn man von rassifizierten Menschen hört, die gewaltsam durch Polizeieinsätze ums Leben kommen, breitet sich ein bedrückendes Schweigen aus. Ein Schweigen, das für mich wie eine stille Komplizenschaft der Mehrheitsgesellschaft mit der Polizei wirkt. Das Desinteresse an den Umständen dieser Todesfälle wird meist nur durch das Engagement von Menschenrechtsorganisationen oder von Angehörigen und Betroffenen selbst durchbrochen – die, oft am Limit ihrer Kräfte, Zeit und Ressourcen, Gerechtigkeit einfordern. Dabei riskieren sie, für ihren Protest kriminalisiert zu werden – ausgerechnet für ihre Wut über den institutionellen Umgang mit diesen Verbrechen.“_poll
Das Gedichts von Betânia Ramos Schröder entstand nach einer Gedenkveranstaltung für Lorenz A., die in Frankfurt-Rödelheim stattgefunden hat.
Mein Herz brennt in der Fieberhitze der Dürre
Es schreit,
zappelt,
irrt durch die Nacht
auf der Suche nach einem verlorenen Tag.
Es erzittert beim Anbruch der Morgendämmerung –
erkennt das Licht nicht mehr.
Es brennt, es taumelt,
es schwitzt trockenes Wasser:
Wasser der Dürre,
am Rand eines Morgens, der nicht kommt.
Was bleibt, ist die Rast
in Dunkelheit.
Doch dann –
ein Flackern.
Ein Hauch Licht,
kaum mehr als ein Atemzug.
Ein Ruf,
aus der Tiefe des Vergessens:
„Ich bin noch da.“
Und die Sonne erhebt sich –
majestätisch, gigantisch,
tritt ein in die Nacht,
nicht als Feind,
sondern wie eine alte Freundin.
Weit, weit in der Ferne
hört das Herz nochmal eine unbekannte,
doch vertraute Stimme.
Sie flüstert leise:
„Steh auf“,
„Beweg dich.“
Müde, schwach, hoffnungslos
bewegt sich jeder einzelne Muskel des Herzens.
Es kämpft gegen die Resignation,
folgt dieser Stimme.
Langsam fühlt es ein inneres Feuer,
das nach außen speit wie ein Drache.
Das Herz fühlt,
hört,
sieht das Licht.
Es weiß nun,
wo es steht.
Es spürt das Kribbeln der Sonne auf sich,
freut sich,
seinen Körper sich in Bewegung erhebt.
Es kämpft – in großer Freude –
gegen die Schwerkraft.
Im gegenwärtigen Dasein ruht es.
Es spürt sich selbst wieder,
steht auf,
fühlt nochmal das Feuer
aus dem Zentrum des Ich.
In meinem Brustkorb
schlägt die Axt.
Ihr Echo: Gerechtigkeit.
Kaô Kabesilê!
(um Banzo-poema para Lorenz A. Lorenz e todos os jovens negros mortos pelo Estado no mundo, que Oyá te acompanhe...)
(ein Banzo-Gedicht für Lorenz A. Lorenz und alle vom Staat getöteten jungen Schwarzen in der Welt, möge Oyá dich begleiten…)
Erstellungsdatum: 29.05.2025