Schon die Biographie Frank Capras liest sich wie die Nacherzählung einer seiner Filme. Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen – der Vater ist Obstpflücker – emigriert er als Fünfjähriger mit der Familie nach den USA, verdient als Zeitungsjunge ein wenig Geld; der Vater stirbt, der Junge schlägt sich mit unzähligen Gelegenheitsjobs durch, die ihn in die Filmstudios führen, in denen er schließlich als Starregisseur mit prägenden Filmen Varianten des amerikanischen Traums realisierte. Thomas Rothschild beschreibt, vor allem anhand des Films, der im Deutschen Lebenskünstler hieß, die Grenzen des Künstlers.
Die Geschichte des Films ist Teil der Geschichte der USA. Für einen großen Teil der Kinobesucher sind Film und Hollywood synonym, und in der Tat haben die USA die Filmgeschichte von Anfang an entscheidend geprägt, was sich vor allem mit der wirtschaftlichen Dominanz der amerikanischen Filmindustrie erklären lässt, die zeitweise fast monopolistischen Charakter annimmt.
Aber die Geschichte der USA ist auch Teil der Filmgeschichte. Unser Bild von den USA ist entscheidend vom Film geprägt. Man denke nur an solche Genres wie den Western, den Gangsterfilm oder die Vorabendserien im Fernsehen. Befragte man Deutsche nach typischen Amerikanern, würden viele wahrscheinlich John Wayne, James Cagney, James Stewart oder Doris Day nennen. Und auch wer niemals in den USA war, meint New York zu kennen, weil er Taxi Driver oder Manhattan gesehen hat. Die Golden Gate Bridge ist ihm aus Filmen ebenso vertraut wie das Monument Valley, die Mojave Desert und der Grand Canyon. Jeder Europäer hat das Bild einer amerikanischen Küche vor Augen und die Gepflogenheit, bei einer Party stets ein Whiskyglas in der Hand zu halten. Es gilt der Spruch aus dem Film Im Lauf der Zeit von Wim Wenders, dass die Amis unser Unterbewusstsein kolonialisiert haben.
Frank Capra wurde 1897 in Sizilien als Sohn von Analphabeten geboren und kam mit sechs Jahren mit seinen Eltern nach Kalifornien. Er wurde einer der bedeutendsten Regisseure nicht nur des amerikanischen Films. Aber er hat nie vergessen, was er, der Sohn armer italienischer Einwanderer, der neuen Heimat zu verdanken hatte. Es gibt kaum einen besseren Beleg dafür, dass Menschen mit Migrationshintergrund, wie das heute heißt, die eifrigsten Patrioten sind. Dass Capra im Zweiten Weltkrieg Propagandafilme für die USA drehte, ist nur logisch. Aber auch in seinen Spielfilmen, in seinen romantischen Komödien hat er wie kaum ein Zweiter jene Ideologie umgesetzt, die man mit dem Schlagwort american dream kennzeichnet. Es ist der Traum von den unbegrenzten Möglichkeiten, vom Tellerwäscher, der Millionär werden kann, wenn er nur anständig und tüchtig ist. Selbst in jenen Filmen, die, wie The Bitter Tea of General Yen oder Lost Horizon, in exotischem Ambiente spielen, feiert Capra auf verschlüsselte, mittelbare Weise den american way of life.
In der 1934 uraufgeführten Screwball Comedy It Happened One Night, der gleich fünf Oscars erhielt, konterkariert Capra den Geschlechterkampf, der zum Genre gehört, durch soziale Gegensätze. Wenn der Mann die Frau besiegt, so siegt zugleich der sozial Unterlegene über den Snobismus der Reichen.
Die romantische Idealisierung des einfachen Lebens, das in It Happened One Night durch Clark Gable repräsentiert wird, folgt eher einer urchristlichen Moralvorstellung als der amerikanischen Realität. Wirklich Arme kommen, ebenso wie Farbige, in Capras Filmen nur am Rande vor. Und am Ende haben auch die Verächter des Reichtums gegen etwas Wohlstand wenig einzuwenden. Capra ist ein moderner Märchenerzähler, und man lässt sich gerne von ihm belügen, weil er Partei ergreift für die Aschenbrödel, auch und gerade, wenn die am Schluss den Prinzen heiraten. Deshalb wird Frank Capras It's a Wonderful Life von 1946 alle Jahre wieder zu Weihnachten im Fernsehen gezeigt, deshalb wird kein anderer Film so häufig in anderen Filmen verborgen oder direkt zitiert wie eben dieser.
Als 1938, vier Jahre nach It Happened One Night, You Can’t Take It With You in die Kinos kam und mit den Oscars für den besten Film und für Regie ausgezeichnet wurde – der erste Film Capras, in dem sein Name oberhalb des Titels stand (so nannte er dann seine Autobiographie: The Name above the Title) –, war Capra schon ein Erfolgsregisseur. Filme wie Platinum Blonde, American Madness, Lady for a Day, It Happened One Night, Mr. Deeds Goes to Town hatten ihn berühmt gemacht, und er hatte bereits eine Handschrift entwickelt, die unverwechselbar schien.
Aber bei aller Bewunderung für den Amerikanischen Traum, den er teilte, war Capra nicht blind gegenüber den bestehenden sozialen Problemen. Der Konflikt zwischen Arm und Reich ist beherrschendes Motiv vieler seiner Filme. Die Lösung, die Capra für die Klassenkonflikte vorschlägt, ist sich immer ähnlich. In You Can’t Take It With You wird sie mit einer einmaligen Deutlichkeit auf den Punkt gebracht.
Der Gegensatz von Arm und Reich ist in diesem Film personifiziert durch Grandpa Martin Vanderhof (Lionel Barrymore) und Anthony P. Kirby (Edward Arnold). („Arm“ muss in diesem Kontext relativ verstanden werden. Die Wohnung der Vanderhofs hat, ihrer Größe und Einrichtung nach, eher kleinbürgerlichen als proletarischen oder gar subproletarischen Charakter, und niemand muss dort hungern oder in Fetzen herumlaufen. Auch der russische Ballettlehrer Kolenkhov (Mischa Auer) kann ohne Einwände miternährt werden.) Beiden Antagonisten ist ein charakterisierendes Umfeld zur Seite gestellt, das Differenzierungen innerhalb der jeweiligen „Partei“ zulässt. Kirbys Sohn Tony (James Stewart) und Alice Sycamore (Jean Arthur), eine von Grandpa Vanderhofs Enkelinnen, stellen mit einer Liebesgeschichte, die sich dem Schema der in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre florierenden Screwball Comedies nähert, die Verbindung zwischen den beiden Familien her. Sie nehmen sentimental vorweg, was die Pointe des Films explizit macht: die Versöhnung von Arm und Reich eben.
Anthony P. Kirby repräsentiert das rücksichtslose Kapital. Um seinen Konkurrenten Ramsey (H.B. Warner) auszuschalten und dessen Expansion zu verhindern, hat er alle Häuser aufgekauft, die dessen Fabrik umgeben. Ein einziges Häuschen fehlt ihm noch. Es ist das Haus Grandpa Vanderhofs, und der will nicht verkaufen. Damit ist der Konflikt mit wenigen Einstellungen exponiert.
Es folgt eine Szene, die nicht nur, neben dem ersten Auftritt Grandpa Vanderhofs, eine für die Komik des Films wichtige Nebenfigur – Mr. Poppins (Donald Meek) – einführt, sondern im Dialog auch gleich zu Beginn des Films Grandpa Vanderhofs Lebensphilosophie benennt. Kirbys ständig nervös zwinkernder Immobilienmakler Blakely (Clarence Wilson) lässt Grandpa Vanderhof bewusst im Vorraum warten. Dort spricht der Poppins an, der sich bemüht, mit einer Rechenmaschine zurechtzukommen. Poppins vertraut ihm an, dass er in seiner Freizeit Erfinder sei, und führt ihm einen kleinen Hasen vor, der mit aufgestellten Ohren aus einer Spieldose hervorhüpft. Eines Tages, „when my ship comes in“, will er nur noch solche Sachen erfinden. Grandpa Vanderhof lädt ihn daraufhin ein, zu ihm in sein Haus zu kommen, wo jeder nur das tut, was er gerne tut.
Grandpa Vanderhof verkündet das antibürgerliche Lob des hedonistischen Lebens anstelle der ungeliebten Arbeit, das Primat der Lust vor der „protestantischen Ethik“. In seinem Haus, in das er Mr. Poppins nun einlädt, leben alle nach diesem Prinzip. Die Tochter Penny Sycamore (Spring Byington) dilettiert ohne großen Erfolg als Dramatikerin. Ihr Mann Paul Sycamore (Samuel S. Hinds) baut Feuerwerkskörper. Ihre gemeinsame Tochter Essie (Ann Miller) tanzt ständig als Möchtegern-Ballerina durchs Bild. (Ihr russischer Lehrer Kolenkhov über ihr Talent: „Confidentially, she stinks.“) Ed Carmichael (Dub Taylor), Essies Mann, spielt zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit das Xylophon. Der Hinweis auf die biblischen Lilien auf dem Felde ersetzt die Anstellung. Gottvertrauen statt Lohnerwerb. Capra spielt die sehr amerikanische Religiosität gegen das ebenso amerikanische kapitalistische Prinzip aus. Aber Capras Sympathie gehört unzweifelhaft diesen chaotischen Außenseitern, denen eine befriedigende Tätigkeit wichtiger ist als eine „nützliche“ Arbeit, die Geld einbringt. Auch Tony Kirby wird an ihnen Gefallen finden. Alice erzählt ihm, als er die Familie erstmals kennen gelernt hat:
Grandpa started it. He suddenly quit business one day. He started up in the elevator - came right down again - and never went back. He could have been a rich man. But he said he wasn’t having any fun. Then he started collecting stamps, because that’s what he likes best. Now he gets paid just to appraise collections, he’s an expert. My Dad makes fireworks because there’s a sense of excitement about it. And Mother - know why Mother writes plays? Because eight years ago a typewriter was delivered to the house by mistake.(1)
Diese Geschichte erzählt Grandpa Vanderhof später seinem Widersacher Anthony Kirby mit fast den gleichen Worten noch einmal. Das Detail mit dem Fahrstuhl gehört zu den zahlreichen Querverweisen, die der Film enthält. Anthony Kirby, der tatsächlich ein reicher Mann ist, fährt in einer der ersten Einstellungen des Films mit einem Fahrstuhl in das obere Stockwerk seiner Firma, um seinem Direktorium von einem geschäftlichen Erfolg zu berichten. Am Ende des Films wird er angesichts der wartenden Direktoren diesen Fahrstuhl nicht verlassen, sondern wieder mit ihm abwärts fahren.
Tony Kirby kann Alices Familie durchaus verstehen. Als Schüler wollte er mit einem Kameraden die Auswertung der kinetischen Energie von Gras erforschen. Damals waren beide so erregt darüber, dass sie zu schlafen vergaßen. Jetzt verkauft der Freund Autos. Er ist verheiratet, und seine Frau hat gerade ein Baby bekommen. Gelderwerb und Familienleben zerstören die jugendlichen Träume von einem unbürgerlichen, einem von Neugier und Lust bestimmten Leben. Capra wiederholt diese Einsicht aus dem Mund eines Kirby, der damit schon auf dem Weg ist, die Seiten zu wechseln.
Ein äußerlicher Zufall steuerte ein charakterisierendes Detail bei, das man sich besser nicht hätte ausdenken können. Lionel Barrymore litt zur Zeit der Dreharbeiten an Arthritis. Capra bandagierte sein Bein und verlieh ihm kurzerhand Krücken. Auf diesen, die ihn nun auch physisch, mit unmittelbarer visueller Eindrücklichkeit als den „Armen“ ausweisen, humpelt Grandpa Vanderhof durch den Film.
Nicht nur der Zuschauer im Kino, auch die Nachbarn der Vanderhofs im Film selbst lieben die Verrückten, von denen die Rebellion ausgeht. In einer komödiantischen Szene, die einer berühmten Szene aus Howard Hawks’ Meisterwerk Bringing Up Baby, das ein halbes Jahr zuvor in die Kinos gekommen war, ähnelt, hat selbst Alice, schon wegen ihrer Zwischenposition in der Konstruktion der Handlung die „Normalste“ unter den Vanderhofs, ohne ihr Wissen eine Pappe umhängen, die sie als „Nuts“, als „verrückt“ also kennzeichnet. Im konkreten Fall (und ganz im Interesse der Nachbarn) richtet sich die Rebellion gegen den Aufkauf der Häuser, der notwendig eine Delogierung der alteingesessenen „neighbourhood“ zur Folge hat. Äußerlicher Grund für Grandpa Vanderhofs Weigerung ist, dass schon seine verstorbene Frau, die Großmutter von Alice, die ihr ähnlich sieht, in diesem Haus gewohnt hat und ihr Duft darin noch zu riechen ist. Es ist ein symbolischer Ort. Das Täfelchen mit der Aufschrift „Home Sweet Home“ fällt denn auch, als running gag, regelmäßig von der Wand. Das Idyll ist eine wackelige und stets gefährdete Angelegenheit. Grandpa Vanderhofs sanfte Rebellion richtet sich freilich gleichermaßen gegen den Staat wie gegen das Kapital. Einkommenssteuer bezahlt er nicht, weil er „nicht daran glaubt“.
Ein einfacher dramaturgischer Trick sorgt für den eigentlichen Eklat im Zentrum des Films. Die Kirbys, die eingeladen wurden, um die Familie der potentiellen Schwiegertochter kennen zu lernen, kommen einen Tag zu früh und treffen die Vanderhof-Kommune nun im maximalen Chaos an. Bürgerlichkeit trifft auf Anarchie. Die Kirbys sind, wie es nach ihrem Wertesystem für solch einen Anlass vorgeschrieben ist, überkorrekt gekleidet. Anthony Kirby, der Magenprobleme hat, will mit Anstand über die antizipierte Bewirtung hinwegkommen. Schon um die Wandlung Kirbys, die noch bevorsteht, glaubhaft zu machen, muss ihm Capra wenigstens einen sympathischen Zug verleihen. Den erhält er, ex negativo, indem seine Frau (Mary Forbes) noch ausgeprägtere Standesdünkel signalisiert als ihr Mann. Wenn sich Kirby, beiseite, darüber freut, dass Penny Sycamore zu Mrs. Kirby sagt, jeder wisse doch, dass Okkultismus Schwindel sei, verrät sein Lächeln, dass er diese Meinung teilt und wohl schon mehrfach erfolglos geäußert hat. Hier dient ein misogynes Muster dazu, Kirby zugleich als den rationalistischen Geschäftsmann und als den Ehemann zu charakterisieren, der, von seiner Gattin eingeschüchtert, der Schützenhilfe von außen bedarf, um seine Ansicht durchzusetzen.
Durch ein Versehen landen nun beide Familien, die Vanderhofs und die Kirbys, im Gefängnis. Hier bekommt ein Dingsymbol, das bereits mehrfach aufgetaucht ist, erstmals auffällige Bedeutung: eine Mundharmonika. Anthony Kirby hat sie in seiner Jugend gespielt, Grandpa Vanderhof spielt sie immer noch – und bekam im Film von Alice eine geschenkt. Unmittelbar nach Grandpas Versicherung, dass er mit seiner Arbeit, die er vor fünfunddreißig Jahren aufgegeben hat, keinen Spaß, kein „fun“ hatte, bietet er Kirby seine Mundharmonika an mit den Worten: „You used to play one yourself.“ Und Grandpa ergänzt mit den Worten, die den Filmtitel enthalten:
“Maybe it would stop you trying to be so desperate about making more money than you can ever use. You can’t take it with you, Mr. Kirby. So what good is it? From what I can see, the only thing you can take with you is the love of your friends.”(2) Geld versus Freunde. Der einsame Reiche gegen den von allen geliebten Armen. Ein Klischee – aber welch eine Meisterschaft in der Ausführung!
Vorausgegangen waren zwei kurze Szenen, die die Relativität des Klassenunterschieds einerseits und seine Grausamkeit andererseits ins Bild setzen. Mrs. Kirby in ihrem weißen Pelz wird von den Huren in der Zelle für eine der Ihren gehalten, die es besonders weit gebracht hat. Und als Anthony P. Kirby eine Zigarre, aus der er nur einen Zug gemacht hat, auf den Boden wirft, stürzen sich die mitinhaftierten Armen darauf – auf das seit dem sowjetischen Stummfilm und durch zahlreiche Karikaturen konventionalisierte Symbol des Kapitalisten – wie eine hungrige Meute auf ein Stück Brot. Als Kirby die ihn umgebenden Gestalten in der Gefängniszelle dann als „scum“, als „Abschaum“ bezeichnet, verliert der stets freundliche Grandpa Vanderhof zum ersten Mal seine Beherrschung:
Scum, are we? What makes you think you’re such a superior human being? Your money? If you do, you’re a dull-witted fool, and a poor one in fact. You are poorer than any of these people you call scum. Because I’ll guarantee at least they have some friends. But you with your jungle and your long claws, as you call them, you’ll wind up your miserable existence without anything you can call a friend. You may be a high mogul to yourself, Mr. Kirby, but to me you’re a failure, failure as a man, failure as a human being – even failure as a father! When your time comes, I doubt that a single tear will be shed over you.(3)
Das Hohelied auf die Freunde, die durch nichts zu ersetzen seien, wird alsbald bestätigt, wenn die Nachbarn mit kleinen Spenden die Summe zusammenbringen, zu der Grandpa vom Gericht verurteilt wird. Dieses Motiv der „kleinen Leute“, die mit wenig Geld und viel Hilfsbereitschaft jemandem aus der Patsche helfen, der in Schwierigkeiten geraten ist, zieht sich durch mehrere Filme Frank Capras, am deutlichsten, neben You Can’t Take It With You, durch American Madness und It’s a Wonderful Life. Eine Umverteilung des Reichtums, gar eine revolutionäre Veränderung der Eigentumsverhältnisse kommt ihm nicht in den Sinn. Nicht Klassenkampf oder gewaltsame Enteignung – Einsicht soll zu mehr Gerechtigkeit führen. Nur einmal, ganz sachte, setzt Alice zu so etwas wie einem Klassenstolz an:
„Well, I’ve decided that it’s your family that isn’t good enough! I wouldn’t be related to a bunch of snobs like that for anything in the world!”(4)
Und so besteht die Lösung für den Konflikt zwischen Arm und Reich für Capra darin, dass die Reichen einsehen, dass sie nicht um des Geldes willen andere ins Unglück stürzen dürfen. In You Can’t Take It With You tut Anthony P. Kirby das exemplarisch. Und Capra macht es ihm leicht. Denn der ganze Film diente schließlich dazu, dem bekehrten Sünder zu beweisen – und die Mundharmonika, die ihm Grandpa in die Tasche gesteckt hat, dieses Symbol einer glücklicheren Kindheit, erinnert ihn daran –, dass es für ihn selbst besser ist, wenn er sein bisheriges Leben (wenn auch nicht unbedingt seinen Reichtum) aufgibt. Ihm voraus ist bereits der ruinierte Konkurrent Ramsey gegangen, ein „steinerner Gast“, der seinem Vernichter zuruft, was der eigentlich mittlerweile hätte begreifen können:
I have suddenly realized I haven’t lost a thing - that I never got a moment’s happiness out of it! (...) You’ll scream for help - and suddenly find yourself alone in the world! (...) I know! Because that’s what’s happened to me. And it’ll happen to you! That’s what happens to all men like us. It’s coming to us!(5)
Damit hat sich Capra letzten Endes als guter Amerikaner bewährt. Die Eigentums- und Machtverhältnisse stellt er nicht in Frage.(6) Es reicht, wenn die Vermögenden ein wenig sozial denken, sich ein klein wenig dem unbürgerlichen und lustvollen Leben der Vanderhofs annähern – und sich dabei ganz nebenbei das Magengeschwür oder den Herzinfarkt ersparen. Richard Griffith attestiert Capra eine „fantasy of goodwill“. You Can’t Take It With You liefert geradezu das Paradigma der amerikanischen Ideologie. Gewiss, der Topos vom „armen Reichen“ ist uralt. Er zieht seine Spur von der Bibel über das Volksmärchen und das Wiener Volkstheater bis hin zum Trivialschwank und zur Seifenoper unserer Tage. Der „arme Reiche“ muss herhalten, wo der Unterschied zwischen Arm und Reich nicht beseitigt werden kann, nicht beseitigt werden soll. Die Funktion der Legende ist offensichtlich: Mit ihr will man die Armen, wollen die Armen sich selbst über ihre reale Situation hinwegtrösten. Wenn, entgegen allen Erfahrungen, der Reiche „dafür“ unglücklicher ist als der Arme, scheint die (göttliche) Gerechtigkeit wieder hergestellt, bleibt der soziale Friede gewahrt. Die Reichen, die nicht begreifen, was Frank Capra seinem Anthony P. Kirby einsagen lässt, enden elend und einsam wie Citizen Kane bei Orson Welles oder Smith Ohlrig in Caught von Max Ophüls – 1948 nicht zufällig in den USA entstanden. Das ist die Umkehr der Aufstiegs- und Erfolgsstories à la A Star Is Born oder 42nd Street, die, wiederum nicht zufällig, im Milieu des Showbusiness spielen, wo die kapitalistischen Mechanismen punktuell außer Kraft gesetzt sind. Wer es nicht schafft, soll – so lautet die Botschaft – nicht neidisch sein auf die Reichen, denen das Schicksal schließlich so übel mitspielt.
Kurz vor Schluss von You Can’t Take It With You spielen Grandpa und Kirby, Arm und Reich im Duett auf der Mundharmonika. Der soziale Frieden ist gerettet. Nun können alle, die Vanderhofs und die Kirbys, im Tischgebet vereint, das gemeinsame Mahl einnehmen. Die Lebensklugheit der Aussteiger hat gesiegt. Im Film jedenfalls.
Erstellungsdatum: 11.05.2025