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Aus dem Notizbuch

Freunde, Kirschen, Heumond

Eldad Stobezki


Heumond Minneapolis. Foto: Tomruen. Wikipedia

Ein Aschenbecher von einem französischen Flohmarkt, Chanel No 5 von einer deutschen Dame, Kirschkerne vom Witwer, der Mond vom Heu oder das jüdische Volk aus dem Alten Testament – die Souvenirs, die sein Gedächtnis einsammelt und sein Bewusstsein in die knappste Form bringt, hat Eldad Stobezki zwar alle notiert, ihre Bezüge untereinander stellt er erst durch ihre Auswahl her. Sie springen in die Augen oder halten sich diskret verborgen.

Der Tod einer Freundin, die an einer unheilbaren Krankheit gestorben war, und die ständigen Berichte über die Bewohner im Norden Israels, die nicht in ihre Häuser zurück können und provisorisch überall im Land verstreut sind, lösten einen Traum aus, in dem ich plötzlich meine Wohnung räumen und zum Flughafen fahren musste. Mitgenommen habe ich nur einen Aschenbecher aus grünem Glas, den ich vor Jahren auf einem französischen Flohmarkt gekauft hatte.
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Ob ich mich noch an das erste Geld erinnern kann, das ich als Zehnjähriger verdient hatte, fragte mich ein Freund. Ja, das konnte ich. Bei Nachbarn, die den Sommer in Europa verbrachten, bewässerte ich nachmittags die Gärten mit einem einfachen Wasserschlauch. Automatische Bewässerungsmethoden gab es zu der Zeit noch nicht. Später engagierte mich eine ältere Dame, die ein wenig Hebräisch lernen wollte. Sie sprach nur Deutsch und hatte keine Familie. Schnell begriff ich, dass sie das Gehörte nicht behält und nur jemand braucht der ihr zuhört. Das tat ich dann gerne. Dazu gab es immer Tee und Feingebäck und den Duft von Chanel No 5.
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Auf dem Markt kaufte ich Kirschen. Auch der alte Mann, der neben mir stand, kaufte Kirschen und erzählte mir unaufgefordert, dass auch seine verstorbene Frau gerne Kirschen aß und von den Steinen, die sie säuberte und trocknete, ein Kissen für ihn füllte. Das Kissen erhitzt er in der Mikrowelle und wärmt damit seine kalten Füße oder einen steifen Nacken.
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Ich liebe Worte, in denen sich Natur und Landwirtschaft widerspiegeln. Gestern war Juli-Vollmond. Wir saßen auf dem Balkon und staunten, wie nah der Mond zur Erde stand. Ich wollte mich vergewissern, dass wirklich Vollmond ist und fand im Netz den Begriff „Heumond“. Diese Bezeichnung hängt mit der Heuernte zusammen, die im Juli stattfindet. 
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Im Fahrradkorb standen schöne Blumentöpfe. Der Bekannte sagte, er fährt zum Friedhof. „Wessen Grab pflegst du?“, wollte ich wissen. „Mein eigenes“, antwortete er zu meinem Erstaunen. „Säe doch lieber Radieschen auf deinem Grab“, sagte ich, „dann kannst du sie noch von oben sehen.“
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In seinem Bibelkreis lesen sie jetzt das Alte Testament, erzählte mir ein Bekannter. Mit Hilfe der Texte und anhand der politischen Entwicklungen im Nahen Osten versuchen sie, das Jüdische Volk zu verstehen, fuhr er fort. „Das schafft ihr nicht“, sagte ich. 
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Auf einem Flug von Israel nach Frankfurt saßen zwei bayerische Nonnen fortgeschrittenen Alters neben mir. Sie waren zum ersten Mal im Heiligen Land und hatten an einer geführten Tour auf den Spuren Jesus teilgenommen. Eine Nonne war ganz begeistert von der Geschichte, dass Jesus über das Wasser gegangen war. Jesus war Jude, sagte ich ihr. Das wollte sie mir zunächst nicht glauben. Dann tröstete sie sich: „Aber Maria war katholisch!“

Eldad Stobezki
Rutschfeste Badematten und koschere Mangos

Gebunden, 150 Seiten
ISBN 9783949671159
Edition-W, Frankfurt
Erscheint am 30.09.2024

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Erstellungsdatum: 10.09.2024