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Aus dem Notizbuch

Hunde

Eldad Stobezki


Tizian/nach Jakob Seisenegger (1505-1567): Kaiser Karl V. mit Hund. Foto: wikimedia commons

Man sollte nicht so kaltschnäuzig über Hunde sprechen. Ihre sprichwörtliche Treue, die nur durch eine Wurst-Korruption ins Wanken geraten kann, hat sie zum begehrten Modell der darstellenden Kunst gemacht. Wo immer Menschen abgebildet werden, muss man damit rechnen, dass auch er da ist: der Hund im Vordergrund. Der beste Freund des Menschen führt in Eldad Stobezkis Notizen auch nach Jerusalem, und von da geht's zu den Bomben. Aber auch die Frau mit dem Milchkrug fehlt nicht und kein Ende der Welt.

 

Gestern feierten Freunde ihre standesamtliche Hochzeit. Geladen waren achtundzwanzig Gäste und zwei Hunde. Wurde nach einer Rede geklatscht, bellte einer von ihnen mit und sorgte für gute Stimmung. Ich bin mit Hunden aufgewachsen; sie gehörten immer dazu. So wunderte es mich nicht, als ich als junger Mann im Prado zwei Gemälde sah, die je einen Hund neben Karl V. („Karl V. mit Hund“, Tizian um 1533) und der Infantin Margarita Teresa im Kreis des Hofstaats („Las Meninas“, Diego Velázquez 1656) zeigten. Die Anzahl der Gemälde aus der Renaissance, dem Barock und dem Rokoko, in denen der Hund als Begleiter des Menschen und als Symbol für Treue, Macht und Jagdprivilegien dargestellt wird, ist unendlich. Den frisch Vermählten wünschte ich Kraft, Treue und wunderbare Erlebnisse auf der Hochzeitsreise.

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Vor einigen Jahren, als ich den Hund einer Nachbarin Gassi führte, wurde ich oft gefragt, ob ich „auf den Hund gekommen sei.“

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Als ich in einem Bücherschrank Noten der Orgelwerke von Vincent Lübeck (1654–1740) und Dietrich Buxtehude (1637–1707) fand, glaubte ich, ein Geschenk für Klaus Eldert Müller, den scheidenden Kantor der Katharinenkirche in Frankfurt, gefunden zu haben. Sicherheitshalber fragte ich den Experten – in diesem Fall den Organisten Martin Lücker –, ob es Sinn mache, diese Ausgaben von 1940, herausgegeben vom evangelischen Organisten und Musiklehrer Hermann Keller, zu verschenken. Sind sie eine Rarität oder nur ein Blindgänger? Martin Lücker riet mir, die Partituren in den Bücherschrank zurückzustellen, da diese Ausgaben mittlerweile überholt und wertlos seien.
Beim Abschied von Klaus Eldert Müller bedankte ich mich für seine Arbeit, für die Aufführung der Chichester Psalms von Leonard Bernstein, mit denen er seine Amtszeit in Frankfurt begonnen hatte, und erzählte ihm, dass ich 1968 die israelische Uraufführung mit Bernstein in Tel Aviv erlebt habe.

Und was ist mit den Städten Lübeck und Buxtehude? Buxtehude ist als Märchenstadt bekannt – wegen der Fabel „Vom Hasen und vom Igel“. Der Buxtehuder Bulle ist einer der ältesten und wichtigsten deutschen Literaturpreise. Er zeichnet jährlich das beste Jugendbuch aus. 2011 erhielt David Grossman den Preis für „Wohin du mich führst“. In diesem Jugendbuch geht es um herrenlose Hunde in Jerusalem – und damit wären wir wieder beim Hund.
Die Redewendung „Dann geh doch nach Buxtehude“ bedeutet, dass jemand sich an einen abgelegenen, unbekannten oder unbedeutenden Ort verziehen soll. Wenn etwas sehr hochwertig ist, sagt man, es sei „wie Lübecker Marzipan“. Stolz auf ihre Stadt, das frühere Machtzentrum an der Ostsee, sagen die Lübecker: „Wer die sieben Türme sieht, weiß, er ist zuhause.“ Lokalpatriotismus kann – in kleinen Dosen – charmant sein, besonders wenn er sich in beliebten Redewendungen ausdrückt.

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Ruth Achlama, die zahlreiche israelische Autoren ins Deutsche übersetzte, und dafür 2019 das Deutsche Verdienstkreuz am Bande erhielt, besuchte mit ihrem Mann Deutschland und machte in Frankfurt Station. Wir kennen uns schon seit Jahrzehnten. Beim Mittagessen erzählten sie, dass ganz in ihrer Nähe eine Bombe eingeschlagen sei. Die ganze Straße hat gewackelt. Ich musste an die Worte des Propheten Jesaja denken: „Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens, und das Haus ward voll Rauch.“ Durch die Druckwelle bogen sich die Fensterrahmen in ihrer Wohnung. Alles musste erneuert werden. Der Staat finanzierte das meiste. Eine Hamas-Rakete wiegt 60 Kilo, berichteten sie – da reicht ein Schutzraum oder ein Treppenhaus als Schutz. Eine Huthi-Rakete hingegen (sie braucht sieben Minuten vom Jemen bis Israel) wiegt 800 Kilo; Dagegen hilft beim Volltreffer auch der Schutzraum nicht. Die Warn-App, die immer eingeschaltet ist, alarmiert 90 Sekunden vor dem Knall. Sie wohnen im ersten Stock und brauchen 40 Sekunden, um in ihren Schutzkeller zu gelangen. Das ist ihr Alltag – und es schien, als sei das für sie nichts Besonderes. Sie sind es gewohnt – und in Ruhe aßen sie ihr Pfifferlings-Omelette zu Ende.

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Eine Freundin, die immer nur das Positive sieht und das Negative ausblendet, schickte mir ein Gedicht von Wisława Szymborska:

Vermeer
Solange diese Frau aus dem Rijksmuseum
in der gemalten Stille andächtig
die Milch aus dem Krug in die Schüssel
Tag für Tag umgießt,
verdient die Welt kein Ende der Welt.
Aus dem Polnischen von Karl Dedecius.

Ich schrieb ihr zurück, dass das Gemälde uns nicht erzählt, dass die Frau aus der Milch Butter schlug, am nächsten Tag zum Markt ging und versuchte, die Butter zu verkaufen. Dabei musste sie sich mit frechen Kunden über den Preis streiten. Abends kam sie todmüde nach Hause. Aber die Kühe mussten noch gefüttert und gemolken werden. Und trotzdem verdient die Welt kein Ende der Welt.

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Dumm ist, wenn das Buch, das ich vor dem Einschlafen im Bett lese, auf den Boden fällt und zuklappt. Dann muss ich die Fortsetzung am nächsten Abend suchen.

 

Eldad Stobezki
Rutschfeste Badematten und koschere Mangos

Gebunden, 150 Seiten
ISBN 9783949671159
Edition-W, Frankfurt, Frankfurt 2024

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Erstellungsdatum: 28.10.2025