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Textland: Video-Interview

Ich möchte einen Raum schaffen

Aileen Schneider


Aileen Schneider. Foto: Alexander Paul Englert

Humor kann uns in Distanz zu den eigenen Schieflagen bringen und das Absurde bewusst machen. Zum Thema „Humor als Widerstand“ hat das Literaturfest Textland kurze Video-Interviews mit einigen Autor:innen geführt. Aileen Schneider will „einen Raum schaffen, in dem wir uns gemeinsam Fragen stellen und dadurch zu einem Verständnis kommen können, wie gewisse Mechanismen, Systeme und Strukturen entstehen, wie sie aufgebaut sind und funktionieren.“ 

 

Was bringt dich zum Lachen?

Zum Lachen bringt mich alles Mögliche im Alltag. Vor allem, wenn Menschen einander zugewandt sind und wenn ich das Gefühl habe, dass der Humor und der Umgang miteinander aus einem Ort des Sich-kennenlernen-Wollens und des Miteinander-eine-gemeinsame-Sprache-finden-Wollens kommen, wenn es also etwas Liebevolles an sich hat, dann kann ich sehr darüber lachen. Aber natürlich können mich auch Slapsticks und irgendwelcher Mist, der im Fernsehen läuft, ja selbst Trash TV zum Lachen bringen. Manchmal lache ich auch über Dinge, die mir im Theaterbereich auf der Probe passieren. Das Unvorhergesehene ist für mich das Lustigste.

Welche Funktion hat Humor in deiner Arbeit?

In meiner Arbeit hat Humor unterschiedliche Funktionen. Unter dem Unterhaltungsaspekt dient er manchmal als Rüstung gegen das Urteil der Zuschauenden oder Zuhörenden, weil mit ihm schnell ein Sympathielevel erreicht werden kann, bei dem die Leute einem lieber zuhören, sich lieber mit einem identifizieren wollen und wo es leichter fällt, sie mitzunehmen. Manchmal dient Humor aber auch der Verpackung von etwas, das einen bitteren Beigeschmack haben könnte. Ich nenne das dann mein mundgerechtes Marshmallow, in das ich das Bittere einpacke, damit man es leichter schluckt. Dann bildet die Diskrepanz am Ende, die Moral, die vielleicht noch kommt, oder der Bruch, der dann noch stattfindet, einen härteren Kontrast. Wenn man das Publikum vorher sozusagen mit Süßigkeiten gelockt hat, kann man die Pointe oder die Aussage am Ende besser setzen. Und manchmal ist Humor einfach eine Möglichkeit, sich Dingen anzunähern, die einem sehr beängstigend vorkommen und über die man sonst vielleicht nicht sprechen könnte. Er kann in solchen Momenten der der Angst oder der Furcht, etwa vor gewissen Diskursen oder auch emotionalen Abgründen, die sich auftun könnten, dazu beitragen, eine größere Resilienz, eine größere Widerstandskraft, in sich zu finden.

Welche Rolle spielt Humor für dich in Alltagssituationen?

Ich finde, humoristisch zu vermitteln, zu denken oder Dinge mit Humor zu nehmen, bedeutet nicht, dass man Situationen ihren Ernst, also ihre Inhaltlichkeit oder ihren Kern, nimmt oder dass man ihn verwischt oder verwässert, sondern eher, dass man sich entscheidet, wie ich zu Beginn gesagt habe, dem Gegenüber zugewandt zu bleiben. Ich möchte mein Gegenüber gern so nehmen, wie es ist, und meine Wahrnehmung nicht durch in der Vergangenheit Erlebtes filtern, sondern unvoreingenommen bleiben. Eigentlich bedeutet Humor für mich im Alltag, dem Gegenüber mit Offenheit zu begegnen.

Wirken sich persönliche oder gesellschaftliche Krisen auf dein Schaffen aus?

Man kann die Welt nur durch die Augen sehen, die einem gegeben sind, weshalb die eigene Weltsicht immer etwas immanent Subjektives an sich hat. Daher versuche ich, mit meiner Kunst eigene Erlebnisse auf einer soziopolitischen Ebene zu verdichten. Ich versuche, das, was mir widerfahren ist, besser zu verstehen, indem ich es in Poesie oder in eine künstlerische Form gieße, Musiktheater etwa wie in meinem Fall. Damit gebe ich mir selbst den Schlüssel an die Hand, um mein eigenes Leben besser zu verstehen. Dieses Credo und dieser Idealismus sind der Grund, warum ich überhaupt Kunst mache. Ich möchte einen Raum schaffen, in dem wir uns gemeinsam Fragen stellen und dadurch zu einem Verständnis kommen können, wie gewisse Mechanismen, Systeme und Strukturen entstehen, wie sie aufgebaut sind und funktionieren. Das persönliche Erleben hat immer mit gesellschaftspolitischen Vorgängen zu tun. Eigentlich ist alles, was uns angeht, auch emotional angeht, in irgendeiner Form inhärent politisch.

Wie gehst du persönlich damit um?

Wir alle sind Teil der Gesellschaft, und wir müssen jeden Tag in ihr bestehen. Die Beschäftigung mit dem, was mich eingrenzt, was mich drückt oder was ständig an mich herangetragen wird, ist die einzige Möglichkeit für mich, mein einziges Sprachrohr, um eine Form des Umgangs damit zu finden. Der feministische Diskurs zum Beispiel beschäftigt mich sehr stark, einfach aufgrund der Tatsache, dass ich eine Frau bin und daher von außen manchem ausgesetzt bin, so dass ich gar keine andere Wahl habe, als mich damit auseinanderzusetzen. Für einige mag diese Auseinandersetzung zu konkretem politischem Einsatz führen. Für mich ist es eben die Verdichtung in Kunst. Ich wünsche mir auch, dass Themen, die marginalisierte Gruppen betreffen, eine Plattform finden, und versuche, dazu beizutragen, indem ich einen Raum für sie eröffne, dadurch dass ich sie in die Köpfe der Leute einpflanze. Deswegen würde ich auf jeden Fall sagen, dass das, was wir Gesellschaft nennen, uns immer wieder geradezu dazu drängt, Kunst zu machen.

Was erwartest du von Literatur?

Ich erwarte eigentlich nichts, sondern ich lasse mich täglich überraschen von dem, was ich lesen darf. Mein Zugang zur Literatur als Kind und als Heranwachsende war sehr limitiert. Ich war eine Leseratte, und meine Mutter hat mir wöchentlich einen neuen Wälzer angeschafft. Es gab allerdings nie eine Auseinandersetzung damit, das heißt, ich war in gewisser Weise sehr einsam mit meinem Empfinden oder meiner Wahrnehmung eines Buchs und meiner selbst. Natürlich waren auch oft Fantasy-Schinken, also eher Trivialliteratur in irgendeiner Form, darunter, aber was trotzdem gefehlt hat, war das Gespräch darüber. Erst im Studium, möglicherweise schon in der Schule, habe ich in der Auseinandersetzung mit anderen eine Idee bekommen, was ich von Literatur erwarten soll. Dann kam aber dieser Feuilletongedanke hinzu, sich – vor dem Hintergrund eines gewissen, von Professoren, Lehrern oder wem auch immer vermittelten Meinungsmonopols – zu fragen: Kann ich das Buch anhand bestimmter Gesichtspunkte analysieren, und wie soll oder muss ich es dann finden? Erst in den letzten Jahren habe ich gelernt, mich von diesen Erwartungshaltungen zu lösen und mich von dem, was Literatur kann, wieder überraschen zu lassen. Und vielleicht weiß ich auch noch gar nicht, was sie alles kann. Das möchte ich noch herausfinden.

 


Erstellungsdatum: 17.04.2025