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Aus dem Notizbuch

Rosskastanie, Bonsai und die Weltlage

Eldad Stobezki


Blätter der Rosskastanie. Foto: Pixabay

Die Hufform des Blattstielendes hat dem Baum den Namen gegeben: Die Rosskastanie ist immer nach rechts drehwüchsig und trimonözisch, also bestückt mit männlichen, weiblichen und zwittrigen Blüten auf einem Individuum. Also aufgepasst! Vielleicht gehört sie auch zu den geretteten Bäumen, von denen Eldad Stobezki schreibt, wenn er sich nicht mit antiquarischen Büchern, Eiern, Gelagen oder Verstümmelungen befasst.

 

Hildegard schrieb, dass ihre Rosskastanie hinter dem Haus bald blühen wird. Ein paar Tage wird es noch dauern, bei den kalten Nächten. Der Baum lasse fragen, ob ich ihn nicht wieder besuchen möchte. Wenn die Rosskastanie in Hildegards Hof blüht, ist es Zeit, beide zu besuchen.

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„Starke Meinungen zu brennenden Themen“ heißt der neue Band der Kurzerzählungen von Etgar Keret. Er gastierte gestern im Hessischen Literaturforum in Frankfurt. Wir kennen uns schon lange. Er fragte, wann ich zuletzt in Israel war. „Vor sechs Jahren“, sagte ich. Worauf Etgar bemerkte: „Für Menschen, die Israel lieben, ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, das Land zu besuchen.“

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Zur Weltlage: Im Behinderten-WC hängt schon lange das Schild: „Notruf vorübergehend defekt.“

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Freunde empfehlen mir unentwegt Bücher. Oft sind diese Bücher nicht mehr lieferbar. Ich finde sie in Online-Antiquariaten. Die Verkäufer preisen den Zustand der Bücher als „fast wie neu“, oder „leichte Gebrauchspuren“ an. Interessant wird es, wenn der unbekannte Vorbesitzer Notizen gemacht hat.

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In einer Buchhandlung stöberte ich in der Kiste antiquarischer Bücher. Ein Kunde zeigte der Kassiererin ein Buch und fragte, ob sie das Buch gelesen hat. Sie sagte: „Das ist ein sehr guter Roman.“ „Aber haben Sie das Buch gelesen?“ „Wir haben schon sehr viele Exemplare davon verkauft.“ „Aber haben Sie das Buch gelesen?“  „Sagen sie ihm endlich, dass sie das Buch nicht gelesen haben!“ rief die Ladeninhaberin laut von hinten.

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Die Moderatorin in hr2 – Kultur sprach zum Thema Ostern, Hasen und die verschiedenen Traditionen die Eier zu bemalen. Sie schloß mit den Worten: „Ostern ist die Zeit der Eier.“

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Nach langer Zeit begegnete ich einer früheren Kollegin in der Stadt. Sie erzählte mir, dass sie sich vor zehn Jahren von ihrem Mann getrennt hat. Die Kinder sind erwachsen und wohnen nicht mehr bei ihr. Sie denke aber nicht daran, die große Wohnung zu verlassen, in der früher die ganze Familie in beengten Verhältnissen gelebt hatte. Jetzt genießt sie von einem Balkon den Blick über Frankfurt, vom anderen kann sie sehen, wie das Wetter wird.

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Als wir bei „unserem“ Vietnamesen zu Mittag aßen, saß mir gegenüber ein junges Paar mit Baby, das die Mutter stillte. Das entspannte Baby, mit dem leicht geneigten Nacken – so, dass es richtig schlucken konnte – erinnerte mich an einen alten Film, in dem ein römisches Essgelage gezeigt wurde. Die Gäste lagen ausgestreckt, halb seitlich auf einer Liege, meist auf den linken Ellbogen gestützt, während sie mit der rechten Hand aßen. Ob diese Haltung beim Essen unbewusst den ursprünglichen Zustand von Vertrauen und Loslassen im Kreis vertrauter Menschen spiegelt?

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Als Kind hörte ich, dass das Binden der Füße in China ein Verbrechen war. Aus mir unbekanntem Grund echauffierte sich eine israelische Journalistin darüber. Dass im Judentum die Vorhaut entfernt wird, hat sie nicht gestört.

Als Bonsai-Bäume in Mode kamen, fragte ich mich, warum alles so klein gehalten werden muss – das konnte ich nicht verstehen. Ich träumte von einem Gärtner, der Bonsai-Bäume sammelt, sie groß werden lässt und sie dann in einen Park „der geretteten Bäume“ umsiedelt.

 

 

Eldad Stobezki
Rutschfeste Badematten und koschere Mangos

Gebunden, 150 Seiten
ISBN 9783949671159
Edition-W, Frankfurt, Frankfurt 2024

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Erstellungsdatum: 20.05.2025