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Nina Mays Walachei-Glossen

Rumänien to go

Matthias Buth


Zwei Kulturen wie zwei Hüte. Nina May, Foto: George Dumitriu

Nina May, geb. 1965 in Linz an der Donau, Diplom-Physikerin, sagte 2008 dem deutschen Staatsdienst ade und zog als „Aussteigerin“ nach Rumänien, um in Siebenbürgen ein einfaches Dasein auf dem Land zu leben. Bis ihr rumänischer Ehemann, der Göttergatte ihrer Glossen, sie nach Bukarest entführte, wo sie seit 2011 als Journalistin und seit 2020 als Chefredakteurin der „Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien (ADZ)“ arbeitet. Die meisten der in diesem Band vereinten Glossen sind zwischen 2011 und 2024 in der ADZ erschienen. wirkt. Und Matthias Buth findet es gut.

 

Wer von außen dazukommt, sieht mehr, fühlt mehr und hört wacher den inneren Klang eines Landes.

Und Rumänien hat viele Klänge, Variationen, Sprachen und Sparten, Stadt und Land, Menschen und Meinungen. Wer wissen will, was Romania ausmacht, wie es lebt und wirkt, ist in diesem Kompendium kurzer Prosa schnell zu Hause. „Im wunderschönen Monat Mai / Als alle Knospen sprangen…“. Nun – dieses Heine-Zitat aus Schumanns Liederkreis Dichterliebe liegt in der Luft, wenn man May, Nina May heißt. Der geniale Spötter und Dichter aus Düsseldorf und die rasante Journalistin Nina May verbindet einiges, nämlich der Journalismus und ein behänder, flotter und federnder Stil. Und beide schreiben (schrieben) deutsch im Ausland, er in Frankreich, sie in Rumänien. Lange war ich sicher, die ADZ-Chefredakteurin sei eine landestypische Lady aus der Walachei, aus Siebenbürgen oder dem Banat. Ist sie aber nicht, sie kommt aus Süddeutschland, verließ eine gesicherte Beamtenplanstelle, um in Romania ihr Glück zu suchen. Und das fand sie, in diesem so europäischen, warmherzigen wie poetischen Land, das ich gerne – original – Romania nenne. Denn dieser Name legt mir an Herz und Gemüt die feste Vermutung: Romania ist eine Frau. Und ihr zweiter Name ist Nina May.

Ihr in diesen Glossen, Miniaturen und Porträts stets als „Göttergatte“ angesprochener Ehemann ist waschechter Rumäne, aber was heißt schon waschecht? Er ist Fotograf. Und so ist es auch bei Nina May: Sie fotografiert mit Worten, mit Sätzen, die konturenscharf eine Befindlichkeit, einen Menschen und eine Land- oder Straßenszene erfassen und das so genau wie anmutig, dass man Exemplarisches herauslesen kann. Dabei formuliert sie nie bissig oder zynisch, immer mit lächelnder Eleganz, die Absurditäten des rumänischen Alltags durchleuchtend. Hinreißend das Stück „To go“ und so über die Sucht, sich permanent mit irgendeiner Sache begleiten zu lassen, nicht zur Ruhe zu kommen und – viel schlimmer – andere nicht in Ruhe zu lassen. Das quälende Bedudeln mit Musik, d.h. mit dem Techno-Gestampfe ist omnipräsent. Und Nina May spinnt es ironisch weiter zum, na ja: Pinkeln to go.

In „Omnipräsente Lärmbespassung“ spießt sie ebenso gekonnt die Dauerschleifen am Telefon und bei anderen Gelegenheiten auf und lässt so die Wunde erkennen, die Rumänien und Deutschland verbindet: die Einsamkeit, die durch Geräusch betäubt werden soll. In „Politisch korrekt“ geht sie dem nach, was man sagen soll, noch darf oder einen schon rauswirft aus dem „Diskurs“. Gott sei Dank vermeidet sie den Begriff Migration, denn wer so schreibt und lebt in der Sprache von Mann und Maus, Land und Leuten, also von Romania, ist nicht migriert, der ist immer schon da. Sonst könnte man den bald wohl kommenden Begriff erfinden „Mensch – mit weiblichem Migrationshintergrund“. Aber Frauen mit Herz und Verstand wie Nina May sind immer schon da. Deren Mutter- und Herzensland ist die Sprache: Und die gibt es im diesem wunderbaren Kompendium aus dem Ludwigsburger Verlag von Traian Pop, auch er ein Fährtensucher und ein Dichter, der anderen ein Forum gibt. Wie gut, dass es die rumänische Deutsche Nina May und deutschen Rumänen Traian Pop gibt.

So lassen sich die Abgründe der Gegenwart überbrücken und erkennen, wie ähnlich wir uns alle sind. Nina Nay widerlegt Emil Cioran, und so könnte das dicke Buch auch heißen „Vom Glück geboren worden zu sein“. Chapeau!

Nina May
Das gibt‘s doch gar nicht!
Die Walachei ist nicht im Nirgendwo, sondern mitten unter uns
Glossen, Erste Staffel
Reihe Fragmentarium, Bd. 30
370 S., brosch.
ISBN 978-3-86356-405-6
Pop Verlag, Ludwigsburg 2024

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Erstellungsdatum: 17.11.2024