Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Henning Otte, und der Professor für Militärgeschichte an der Universität Potsdam, Sönke Neitzel, beginnen ihren Beitrag für die FAZ mit der Behauptung: „Soldaten schwören, das Recht und die Freiheit der Bundesrepublik Deutschland tapfer zu verteidigen.“ Im § 9 des Soldatengesetzes lautet das Gelöbnis (bei Berufssoldaten: der Eid) dagegen: „Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“ Matthias Buth kommentiert.
Henning Otte wurde als Reserveoffizier vereidigt, brachte es in Hamburg im Jura-Studium bis zum Bachelor of Law, ist also kein Volljurist und seit 2025 Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages und Sönke Neitzel der einzige Lehrstuhlinhaber für Militärgeschichte an der Universität Potsdam.
Bei so viel Kompetenz sollte man erwarten, dass die Verfasser richtig zitieren und ihre Philippika in der FAZ vom 28. August 2025 gegen Verteidigungsminister Pistorius und die wehrpflichtverweigernde SPD tiefer ausloten. Sie schreiben: „Soldaten schwören, das Recht und die Freiheit der Bundesrepublik Deutschland tapfer zu verteidigen“.
Wer verkürzt, verfälscht. Und so ist es hier. Denn der Fahneneid richtet sich entscheidend an das deutsche Volk, dieses nimmt den Eid entgegen, also wir Staatsbürger, jeder und jede von uns. Wir sind es, die erwarten, dass die Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten tapfer sind, um uns, d.h. unser Recht und unsere Freiheit zu verteidigen und dann sogar das eigene Leben einzusetzen.
Das Gelöbnis und der Fahneneid haben zwei Komponenten, die genau abbilden, welche Verpflichtungen die Soldatinnen und Soldaten wem gegenüber eingehen. Sie schwören nämlich zunächst, „der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen“. Es geht also um den Staat. Diesem gegenüber ist „treues Dienen“ die wahre Staatsräson. Aber welche Vorstellungen haben wir vom Staat, wie tief wurzeln und erfassen unsere kulturhistorischen und emotionalen Zuwendungen zur Bundesrepublik Deutschland, welche liegen also in den Vorstellungen vom „freiheitlichen säkularisierten Staat“, der von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann, wie dies im bekannten Axiom von Ernst-Wolfgang Böckenförde zum Ausdruck kommt und die Frage einschließt, wie aus Vielfalt Einheit werden kann, d.h. welches Maß an Homogenität unerlässlich ist, die den Staat ausmacht und sich mit der Pflicht zum treuen Dienen verbindet? Die Berliner Politik weicht solchen Erwägungen beharrlich aus und flüchtet sich eher in Begriffe wie „Gemeinwesen“, „Demokratie“ oder – noch diffuser – das „Wir“.
Der Begriff „Treue“ ist dabei nicht einfach auszuleuchten, schimmern doch die perversen Treueforderungen der Waffen-SS hindurch. Dennoch ist es der Anstrengungen der Edlen wert, auf unsere Staatstreue zuzugehen, dieser Kontur und Sprache zu geben, denn sie gibt uns Fundament und Zusammenhalt.
Die Artikelschreiber gehen erstaunlicherweise über die zweite Kompetente des Fahneneides hinweg, denn die Soldatinnen und Soldaten schwören im zweiten Teil, „das Recht und Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“, wie es § 9 Soldatengesetz vorschreibt. Die religiöse Beteuerung „So wahr mir Gott helfe“ kann weggelassen werden, hat indes seinen Bezug auch in der Präambel des Grundgesetzes.
Eidesnehmer ist das deutsche Volk. Diesem gegenüber wird Tapferkeit geschworen, um „das Recht und die Freiheit“ zu erhalten – eben diesem Volk. Und das sind die ca. 60 Millionen Staatsbürger, nicht „die Bevölkerung“, die alle in Deutschland befindlichen Menschen einschließt.
Bundeskanzler Scholz fiel es schwer, diese Fragen auszuleuchten, seiner Vorgängerin Merkel erst recht, für die das deutsche Volk alle in Deutschland Lebenden sein sollte. Und der Wehrbeauftragte und der kluge Militärhistoriker weichen auch aus, sonst hätten sie ihren Artikel nicht einen Satz vorangestellt, welcher der Rechtslage nicht entspricht. Tapferkeit im Krieg: Das erfordert der Eid und zuvor von Politikern und Wissenschaft, davon ausführlich zu sprechen und nicht rumzudrucksen. Das erwarten alle bei der Bundeswehr und wir Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Sönke Neitzel spricht in seinen Büchern davon. Hier lässt er sich vom Wehrbeauftragten übersteuern. Ist das aufrichtig und wissenschaftlich korrekt? Einigkeit und Recht und Freiheit: Davon lassen wir die Sportler der Nationalmannschaften singen, aber das ist ein emotionales Lied. Das Recht aber erfordert Klarheit.
Wird Bundeskanzler Merz dies nun endlich deutlich aussprechen und so das, was uns als Staatsbürger entlang von Grundgesetz und Wehrverfassung begründet, was wir geben und empfangen von der Armee und was dann zur allgemeinen Wehrpflicht wieder hinführen kann, die den Deutschen seit den sogenannten Freiheitskriegen im frühen 19. Jahrhundert Selbstverständnis gab und von Herrn Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg allzu rasch abserviert wurde?
Erstellungsdatum: 13.09.2025