MenuMENU

zurück

Ernst Kantorowicz und das geheime Deutschland als Widerstandsprojekt

Vom Mittelalter zum Geheimen Deutschland

Enno Rudolph


Ernst Kantorowicz, 1921. Foto: Franz Grainer/wikimedia commons

Im Rätselraten um die letzten Worte des Claus Schenk Graf von Stauffenberg, ob es nun „Es lebe das heilige Deutschland!“ oder „Es lebe das geheime Deutschland!“ gewesen sei, stellte sich die Frage, was denn das „geheime Deutschland“ tatsächlich war. Der Philosoph Enno Rudolph führt uns mit Ernst Kantorowicz ins Mittelalter und die Renaissance, um dort, jenseits nationalistischer Spekulationen, den Ursprung einer umfassenden, universalen Idee aufzufinden.

 

Eine Reihe von Anhängern bzw. Mitgliedern des „George-Kreises“ hat nicht gerade dazu beigetragen, die Idee des „Geheimen Deutschland“ von der Unklarheit der mit dieser Idee verbundenen Vorstellungen zu befreien. Vielmehr vermittelten einzelne Mitglieder des Kreises – allen voran George selbst – um so mehr den Eindruck einer esoterischen und bewußt elitär gehaltenen Exklusivität sowie einer betriebenen Mystifikation ihrer Ziele und ihrer Tätigkeiten. Dieser Eindruck hat bis in unsere Tage dazu beigetragen, eine skeptische Distanzierung gegenüber dem gesamten Kreis einzunehmen. Wäre der George-Kreis andererseits nicht in so markanter Weise ebenso prominent wie interdisziplinär besetzt gewesen, dann wäre er wahrscheinlich längst in Vergessenheit geraten. Diese beiden Faktoren allerdings – die Prominenz der Besetzung und die beispielhafte Interdisziplinarität – hielten und halten das Interesse an dem Kreis nach wie vor wach, wie die in gewissen Abständen immer wieder erscheinenden neueren Publikationen zum George-Kreis und zum Projekt des „geheimen Deutschland“ beweisen – in Deutschland ragte zuletzt vor einigen Jahren das spektakulär investigativ gehaltene Buch von Ulrich Raulff mit dem Titel Kreis ohne Meister heraus, das die Spuren der Wirksamkeit und der weiteren Tätigkeit des Kreises seit Georges Tod bis in die Gegenwart mit aufschlussreichen Ergebnissen verfolgt.[1] Einige dieser Recherchen geben Anlaß zur Infragestellung vormals lange Zeit transportierter Urteile und Verurteilungen, insbesondere in solchen Fällen, bei denen sich nach genauerer Prüfung herausstellt, daß einzelne profilierte Mitglieder des George-Kreis plausible und überzeugend belegte Gründe für ihre Mitwirkung zu erkennen gaben, und daß sie zeithistorisch nachvollziehbare und nach wie vor aktuell gebliebene Ziele mit ihrem Engagement in diesem Kreis verfolgten. Da dies sogar auch bei einigen eminenten Persönlichkeiten des Kulturbetriebs bzw. der Welt der Wissenschaft in besonders ausgeprägtem Maße der Fall war, könnte es sich lohnen, solche Figuren einmal als exemplarische Akteure zu beachten, die durch ihre Schriften und durch bestimmte Aktivitäten, soweit diese dokumentiert sind, deutlich werden ließen, wofür der George-Kreis stand, und deren Texte sich in geeigneter Weise daraufhin befragen lassen, ob sie helfen, das Geheimnis des geheimen Deutschland zu lüften. Zu den herausragenden Eminenzen unter den Mitgliedern des Kreises zählt ohne Zweifel Ernst Kantorowicz.

Erstellungsdatum: 25.11.2025