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Gedicht von Betânia Ramos Schröder

XI

Betânia Ramos Schröder


 

Meine akkulturierte, fremde Muttersprache…

Ein flackernder Hafen im Nebel des Unsichtbaren,

das Wort erhebt sich, klagt,

schwillt an vor Emotion,

gebiert –

Schreie. Bewegungen.

 

Ich habe sie nie beherrscht…

bin ihnen nie entkommen,

lief ihnen immer entgegen.

Und hielt sie fest,

wenn sie geboren wurden.

 

Sie achtsam das Papier berühren zu lassen –

das ist mein Akt, sie zu zähmen.

Sie zu zwingen,

meine Spur zu werden

auf dem Boden, den ich betrete.

 

Doch sie, eigensinnig,

entgleiten mir wie nackte Körper im Regen,

schlagen aus – und widersetzen sich.

Diese Worte in mir –

eingesickert wie unsichtbare Tinte,

Kolonien des unbekannten weißen Kolonisten

aus dem Norden,

dessen Geschichte mich zum Aufseher machte.

 

 

Das Kolonial-Wort,

das mir die Geschichte zu schreiben aufzwang…

Buchstaben…Wörter – gebrochene Versprechen

einer Zugehörigkeit.

 

Dilemma…

Soll ich meine eigene Sprache erfinden?

Sie erneut kolonisieren…?

Nein!!

Ich will mit ihnen Grenzen überschreiten,

auf eigenen Beinen.

Ich werde ihnen ins Gesicht sehen.

Sie fühlen.

Sie neu erschaffen.

Und auch mich selbst. Ja!

Ich werde sie tanzen lassen –

wie Trommeln bei der Dämmerung,

die Tote zum Lächeln bringen.

Und ich gebe diesen Buchstaben

mein schwarzes Gesicht,

Freude

die Stimme der Verschwiegenen,

und jener, die mit Schreien

und mit Gesängen ankommen…

 

 

 

Erstellungsdatum: 08.04.2025