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Reimanns L`invisible an der Oper Frankfurt

Vom Ende zum Anfang

Selten wird die Tatsache, dass sich die reale wie metaphysische Welt aus unzähligen Fragmenten zusammensetzt, so klar widergespiegelt, wie in Aribert Reimanns letzter vollendeter Oper „L`invisible“ (das Unsichtbare). Einzelne Teile für sich betrachtet, hätten weder Bedeutung noch Überzeugungskraft. Erst durch das Zusammensetzen entsteht ein faszinierendes Gesamtbild immerwährender Transformation, zu der der Tod genauso wie das Leben gehört. In der Erstaufführung der Oper Frankfurt wird es, meint Andrea Richter, sinnlich erfahrbar gemacht.  

Giacomo Casanova zum 300. Geburtstag

Er war nie verheiratet

Am 2. April 2025 vor 300 Jahren wurde Giacomo Casanova geboren. Dass er zu einer prominenten Figur des 18. Jahrhunderts wurde, dafür hat er selbst gesorgt. Aus den vielen Facetten seines Lebens wurden aber immer nur wenige verbreitet, so dass jeweils ein verzerrtes, vergröbertes Bild von ihm existiert. Tatsächlich war er ein mannigfaltig talentierter Mann, der mit heute unvorstellbaren Methoden versuchte, seine Existenz und sein Leben zu retten. Nach einer kurzen biografischen Skizze eine Erinnerung an Lasse Hallströms „Casanova“-Film von Marli Feldvoß.

Frauen in Indien

Die Ware Frau

Frausein in Indien ist immer noch belastet von Jahrhunderte alten Konventionen. Was das bedeutet, hängt davon ab, welcher gesellschaftlichen Klasse und Kaste die Frau angehört. Indien hatte eine Ministerpräsidentin zu einer Zeit, als das bei uns noch undenkbar schien. Die Schere der Chancen und Möglichkeiten geht und ging schon immer weit auseinander. Clair Lüdenbach hat sich über die Frau als Bewahrerin und Ware Gedanken gemacht.

Ewart Reders „Komisch, dass wir nicht merken, dass wir komisch sind“

Jenseits der Schubladen

Ephraim Kishon fragte einst: „Haben die Deutschen Humor? Wenn ja, warum nicht?“ Das traf nicht nur die Deutschen, die allzu oft keinen Zugang zum Kunstpalast des Unernstes finden. Auch die Nichtdeutschen stehen nicht selten fassungslos vor unserer absurden Komik, die es durchaus gibt. In seiner Textsammlung mit „Possen und Glossen“ hat Ewart Reder die freiwilligen und unfreiwillig komischen Abgründe überquert, und Paul-Hermann Gruner hat einen Blick darauf geworfen.

Die AFD-Hochburg, der Kabarettist und das Erinnern

Kehrt Werner Finck nach Görlitz zurück?

Görlitz, am östlichen Rand der Republik, ist eine besonders schöne, geschichtsträchtige, auch zukunftsorientiere Stadt – und AFD-Hochburg. Hier wurde Werner Finck geboren, der Großmeister des politischen Kabaretts. Einst berühmt, heute bei vielen vergessen. Das soll sich jetzt ändern. Helmut Ortner erinnert an den großartigen Schauspieler und Kabarettisten und bringt ihn nach Görlitz zurück.

Lyrik von Frauen aus Mittel- und Osteuropa

Tanja Stupar-Trifunović

Diese Poesie ist in mehrfacher Hinsicht erlesen. Denn sie wird durch die Stimme und Gestaltungskunst einer einzigartigen Rezitatorin versinnlicht und zugleich inhaltlich reflektiert. Birgitta Assheuer hat in ihrer Reihe „Handverlesen“ 25 Gedichte aus 16 Ländern ausgewählt und gelesen, Lyrik von Frauen aus Mittel- und Osteuropa. Zugewandt und klug kommt uns ihre Dichtung entgegen, und wir müssen nur hören. Hier „alte und goetter" von Tanja Stupar-Trifunović.

Friedman in der Oper Frankfurt

Die Knie beugen und den Ring küssen

Leoš Janáčeks letzte Oper „Aus einem Totenhaus“ nach den Aufzeichnungen Fjodor M. Dostojewskis aus seinen eigenen Erfahrungen erzählt von den Insassen eines Straflagers. Regisseur David Hermann versetzte das Werk in unsere Gegenwart und zeigt einen Journalisten, der in die Fänge eines repressiven Regimes gerät. Entlang dieser Handlung diskutierte Michel Friedman im Rahmen seiner Gesprächsreihe in der Frankfurter Oper sehr spannend mit dem Leiter des ZDF-Studios in Washington, Elmar Theveßen, die Frage von Opportunismus angesichts der Bedrohung durch autoritäre Staatsideen und -lenker.

Die Theologin Katharina Staritz

Was Frauen möglich war

In der evangelischen Kirche war Frauen bis 1950 das Pfarramt verwehrt. Diesen Missstand beendete der Theologe Martin Niemöller mit Schaffung der deutschlandweit ersten Planstelle für eine Theologin, die er vor 75 Jahren mit einer außergewöhnlichen Frau besetzte. Doris Stickler gibt Einblick in das Leben von Katharina Staritz, die sich weder im NS-Regime noch im männerdominierten Nachkriegsdeutschland mundtot machen ließ.

Klaus Maecks „Volle Pulle ins Verderben“

Hedonismus & Anarchie

Ein alternatives Herz und ein zupackender Wille – ein Punker in Leitungsfunktionen: Der Filmemacher, Filmproduzent, Musikverleger, Manager, Regisseur, Autor und Weltenbummler Klaus Maeck hat jetzt eine Art Autobiografie vorgelegt. Wolfgang Rüger hat „Volle Pulle ins Verderben“ gelesen.

Toussaint Louverture und die Haitianische Revolution

Ein General kämpft gegen die Sklaverei

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – das sollte nach der Französischen Revolution nicht nur in Frankreich gelten, sondern auch in Kolonien wie Saint Domingue, dem heutigen Haiti. Dort kämpfte Toussaint Louverture als General der französischen Armee für die Durchsetzung dieser Ziele. Der britische Historiker Sudhir Hazareesingh hat in einer preisgekrönten wissenschaftlichen Studie das Wirken Toussaints erforscht und den Blick auf den General, der den weltweit ersten Unabhängigkeitskampf von Sklaven gegen die Kolonialherrschaft erfolgreich angeführt hat, von vielschichtigen stereotypen Klischees befreit. Andrea Pollmeier hat das Buch gelesen.

30 wuchtige Thesen für die Gesellschaft und die Politik

Verspieltes Vertrauen zurückgewinnen

Vier Prominente der deutschen Gesellschaft haben an die Tür einer sich findenden Regierung 30 Thesen für einen handlungsfähigen Staat geschlagen, die auf Reformen, nicht auf Reformation hinauslaufen. Mit ihnen wird gefordert, die vernachlässigten Strukturen des Staates in einen funktionsfähigen Zustand zu versetzen. Jutta Roitsch hat sich das Papier genauer angesehen.

Aus dem Notizbuch

Ahle Worscht und Krinoline

Wenn er nicht aus seinem Buch liest, schreibt er eines. Eldad Stobezki notiert, was ihm widerfährt, wenn er Verständigungs- und Wahrnehmungslücken spürt, und immer wieder die Kuriositäten, die die Sprache bereitstellt. Neben der Ahlen Worscht, Kleiderfragen und Michelangelo Buonarotti, Ravel und die Empfängnis geht es um die Bedeutung des schönen deutschen Wortes „Zustrombegrenzungsgesetz“.

Erzählung von Peter Bichsel

Ein Tisch ist ein Tisch

Es eint die Schriftsteller der Schweiz der Zweifel an der vorgefundenen Realität. Ob Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch oder Peter Bichsel, der nun gestorben ist – sie trauen ihren Sinnen nicht. Sie könnten ja auch jemand anderes sein, und der andere ist möglicherweise nicht der, für den man ihn hält. Auch der Blick in die Welt ist durch Skepsis gefiltert. Wir erinnern an Peter Bichsel mit seiner kurzen Erzählung „Ein Tisch ist ein Tisch“, die einen trügerischen Ausweg aus der engen Beziehung von Ding und Namen bereithält.

Weltfrauentag

Wir sind Wasser

Anlässlich des Internationalen Frauentags wurde im Kaisersaal des Frankfurter Römers die Choreografie „Corpus D'água“ von Bárbara Luci Carvalho aufgeführt. „Wir sind Wasser“ von Betânia Ramos Schröder ist ein Teil davon. Im Zentrum des Stücks stehen die Erfahrungen Schwarzer Frauen auf der Flucht, die Betânia Ramos Schröder in ihrem Text aus einer feministischen Perspektive eindringlich vor Augen führt.  

Zum Tod von Peggy Parnass

Bella Ciao

Peggy Parnass, die am 12. März in Hamburg gestorben ist, hatte keine Kindheit, um die man sie beneiden müsste. Ein Kindertransport nach Stockholm rettete ihr 1939 das Leben. Nach sechs Jahren in zwölf verschiedenen Pflegefamilien kommt sie zu ihrem Onkel, der als einziger den Holocaust überlebt hatte, nach London. Sie geht nach Stockholm zurück und beginnt als Vierzehnjährige für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten als Sprachlehrerin, Filmkritikerin, Dolmetscherin für die Kriminalpolizei, als Schauspielerin für Film und Fernsehen und als Gerichtsreporterin für die Zeitschrift konkret. Eva Demski erinnert an die engagierte Publizistin.

Gedanken zum Nouruz-Fest

Neuer Tag

Zum Frühlingsanfang um den 20. März wird in vielen Teilen der Welt, vor allem im iranischen Kulturraum, das Nouruz-Fest gefeiert. Das Fest geht auf einen dreitausend Jahre alten Ritus zurück, der das neue Jahr sowie den Frühling einläutet. Wörtlich übersetzt heißt Nouruz „Neuer Tag". Der Frühlingsbeginn symbolisiert den Triumph des Guten über das Böse und der Freude über den Kummer. Barbara Englert machte sich folgende Gedanken über den Frühling.

Gendergerechtes Lexikon

Equalpedia

Frauen, queere Personen und andere marginalisierte Gruppen geraten in der digitalen wie in der analogen Welt ins Hintertreffen. So liegen im größten digitalen Lexikon Wikipedia die Beiträge über Frauen und die Anzahl der Autorinnen deutlich unter 20 Prozent. Um den überfälligen Wandel voranzutreiben, schritten Karin Kraus und Sonja Hintermeier zur Tat. Doris Stickler stellt die 2021 von ihnen gegründete Internetplattform Equalpedia vor.

Demokratie und Ressentiment

Rechtspositivismus adé

Der Zug ist noch nicht abgefahren, aber die Weichen sind schon gestellt. Die angedachte große Koalition hat sich zwar unvorstellbar viel Stoff in den Tender geladen, wird aber einige Probleme auf der Strecke nicht bewältigen können, ohne Haltesignale zu überfahren. Peter Kern setzt seinen Kommentar über die Chemie unserer Demokratie und die sogenannte Politikwende im Zustand ihres Entstehens fort.

Eine Unterhaltung mit Micha Ullman

Wo man Bücher verbrennt

Wenn die Sonne die Seiten umblättert und die Lücken zwischen den Skulpturen sich zu Buchstaben formen, sind wir bei Micha Ullman. Der Künstler, der 1939 in Tel Aviv geboren wurde, in Jerusalem und London studierte, in Düsseldorf und Haifa lehrte, in Berlin lebte und von 1991 bis 2005 eine Professur für Bildhauerei in Stuttgart innehatte, schuf in Berlin das Denkmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung und in Jerusalem das Buchstabenfeld. Christel Wollmann-Fiedler unterhielt sich mit ihm über seine Herkunft und seine Arbeit.

Jonas Lüschers „Verzauberte Vorbestimmung“

Kleiner Webfehler

Für technische Neuerungen finden sich viele Motive. Es gibt Erfindungen, um Menschen auf den Mond zu schießen, um das Leben erträglicher zu machen oder viel Geld zu verdienen. Es gibt aber auch welche, die unsere Existenz vernichten, unser Leben sinnlos machen. Widerstand gegen solche Innovationen, die sich schließlich durchgesetzt haben, ist aus der Geschichte bekannt und trägt motivisch Jonas Lüschers Roman „Verzauberte Vorbestimmung“. Rolf Schönlau hat ihn gelesen.

Interview mit hr-Musikchef Michael Traub

Erfolgreicher YouTube-Kanal des hr-Sinfonieorchesters

Das hr-Sinfonieorchester betreibt seit 2012 einen YouTube-Kanal. Er hat sich seitdem zum weltweit erfolgreichsten nicht kommerziellen Kanal für klassische Musik mit über 900 Videos, 520.000 Abonnent:innen, 37,5 Millionen Stunden Wiedergabezeit und insgesamt über 210 Millionen Abrufen entwickelt. Andrea Richter sprach mit dem hr-Musikchef und Orchestermanager Michael Traub.

Hörstück für drei Stimmen von Felix Philipp Ingold

Das Atemlos

„Am meisten bedeutet Unverständliches.“, heißt es da. Denn die Verständigung der Personen geschieht über Klänge, Sprachähnlichkeiten, Assoziationen, Parabeln und das Philosophieren. Es gilt, ein Hörstück von Felix Philipp Ingold zu lesen. Nicht Lebensbilder bildet es ab; sondern die Worte, die untereinander recht anspruchsvoll korrespondieren, rufen Bruchstücke von Realität herbei, die sich aber im montierten Zustand präsentiert. Und nötig ist „ein bisschen Ruhe, das auch der Beste zum Entziffern braucht“.

Neue Rolf-Dieter-Brinkmann-Biografie

„Ich bin ein Dichter“

„ … Wer bin ich schon?: gefesselt, eingesperrt in die Gegenwart, die Rückwege habe ich mir bewußt selbst zugemauert, keine Vergangenheit mehr.“, schrieb der sensible und reizbare Dichter in „Rom, Blicke“. Muss man ihn sich so vorstellen? Zum 50. Todestag erscheint von Michael Töteberg und Alexandra Vasa die erste Biographie über Rolf Dieter Brinkmann. Wolfgang Rüger hat „Ich gehe in ein anderes Blau“ gelesen.

Die Finanzpläne der geschäftsführenden Bundesregierung

Ende der Fassnacht und List der Vernunft

Der Schein trügt. Wird etwas falsch, nur weil es von vorgestern ist? Wovon Privatpersonen dringend abzuraten wäre, nämlich Geld auszugeben, das man nicht hat, muss nach John Maynard Keynes dem Staat in bestimmten Situationen erlaubt sein. Das war in der sogenannten Ampelkoalition nicht denkbar. Nun ist es machbar. Peter Kern setzt mit seinen Bemerkungen zum plötzlichen Gesinnungswandel in der sich anbahnenden neuen Regierung seinen Kommentar zu Friedrich Merz und die Seinen fort.

Die Dichterin Alfonsina Storni

Selbstbestimmte Rebellin

Die Schweizer Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Hildegard Keller hat das literarische Werk von Alfonsina Storni aus dem spanischen ins Deutsche übersetzt und für die Werkausgabe eigens den Verlag Edition Maulhelden gegründet. Barbara Englert gibt Einblick in ihre Beweggründe sowie das Leben und Werk einer hierzulande fast unbekannten Dichterin und Schriftstellerin der Avantgarde.

Händels „Agrippina“ an der Oper Zürich

Sex, Crime and Politics bei den Mächtigen

Ein echter Wurf gelang mit Agrippina dem Opernhaus Zürich in mehrfacher Hinsicht: musikalisch maßstäblich, als Parabel auf die Machtspiele superreicher Oligarchen aktuell und vor allem ungeheuer witzig und hintersinnig inszeniert. Andrea Richter amüsierte sich bei der Premiere aufs Vortrefflichste und erlebte dort vor allem eine bis ins Letzte ausgefeilte Version des frühen Werks des barocken Opern-am-Laufband-Komponisten Georg Friedrich Händel, an der das exquisite Sänger- und Musikerensemble offensichtlich selbst viel Spaß hatte.

Lothar Schirmers und Magdalena Kröners „Die Bienenkönigin nährt am Ende alle …“

Ein langes Leben mit der Kunst

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und mit der richtigen Nase das Potential des ganz Unbekannten aufzuspüren, das macht den erfolgreichen Kunstsammler aus. Wenn er sich dann noch als sorgfältiger Verleger mit der Verbreitung von Kunst Verdienste erwirbt, wird ihm zu Lebzeiten schon ein Nimbus umgeben, der Neugier erregt. Lothar Schirmer hat, um dieser Neugier entgegenzukommen, mit Magdalena Kröner Gespräche über ein langes Kunst-Leben geführt, und Walter H. Krämer hat sich darin vertieft.

Radikaler Wandel im Bauen

Zur Nachahmung empfohlen!

Es fühlt sich nach dem richtigen Moment an, Gewohnheitsstränge zu verlassen und neue Allianzen einzugehen. Wie die Ausstellung „ZUR NACHAHMUNG EMPFOHLEN! erkundungen in ästhetik und nachhaltigkeit“ (ZNE!) zeigte, vermögen interdisziplinäre Fördermodelle Netzwerke zu schaffen, die mehr im Sinn haben als die Unterwerfung unter herkömmliche Kriterien wie Produktorientierung und Outputzwang, schreibt Adrienne Goehler.

 

 

Zur Souveränität der Nationen

Westliche Werte, Seltene Erden

Es war der amerikanische Philosoph und liberale Theoretiker des Völkerrechts, John Rawls, der den Begriff der „outlaw states“ prägte – was wir mit „Schurkenstaaten" übersetzen. Und es waren traditionelle US-Republikaner, die schon früh eine „schurkische Supermacht“ unter der Regierung von Donald Trump prophezeiten. Ein großer Teil der Europäer sieht sich nun von mindestens zwei dieser Supermächte bedroht, und Repräsentanten deutscher Parteien und Meinungsmedien versuchen sich in neuer Parteilichkeit. Peter Kern setzt seinen Kommentar, den er mit „Wirrwarr auf hohem Niveau“ (TEXTOR, 28. Februar) begann, fort.

Erinnerung an Klaus Voigt

Mein „Nonantolafreund“

Der Historiker und Philosoph Klaus Voigt, der 2021 in seiner Heimatstadt Berlin gestorben ist, befasste sich für seine Doktorarbeit über den Humanismus mit dem Ablasshändler Marinus de Fregeno und seiner Beschreibung der deutschen Lande. Seine Forschungen führten ihn zur Villa Emma bei Nonantola in der Emilia-Romagna. Dort fanden 1942 jüdische Kinder Schutz vor der Verfolgung durch die Nazis. Christel Wollmann-Fiedler erinnert an den Exilforscher Voigt und seine Arbeiten zur Fluchtgeschichte in Italien 1940-45.

Zum Tod des haitianischen Autors Frankétienne

Flaschenpost für planetaren Wandel

Frankétienne, viele Jahre Anwärter für den Literaturnobelpreis, hat sich stets geweigert, seine Heimat Haiti zu verlassen. Hier hat er ein dichterisches Werk entwickelt, das planetare Relevanz entfaltet hat. Zerstörungen, wie sie Erdbeben und von Menschen verübte Gewalt bewirken, setzte er die Hoffnung auf eine Kultur der „Mondialité“ entgegen, die reich ist an archaischer Spiritualität und Großzügigkeit. Mit 88 Jahren ist Frankétienne nun in Haiti gestorben. Aus diesem Anlass veröffentlicht Textor ein Interview, das Andrea Pollmeier im Mai 2010 mit dem Autor und Maler geführt hat.  

Merz und die Seinen

Wirrwarr auf hohem Niveau

Die Deutschen haben gewählt, und viele Hoffnungen sind in den Urnen verschwunden. Rückzüge haben die Vorzüge demokratischen Selbstverständnisses bestätigt; die Beschwörung des Untergangs mit dem Hinweis auf die Verschwörung der üblichen Verdächtigen ist uns ebenso vertraut wie der Triumph der Sieger, die sich nach einer anderen Richtung umsehen. Nach einem Blick auf die Wahlergebnisse kommentiert Peter Kern die neue Situation.

Das KZ-Außenlager in den Frankfurter Adlerwerken

Die schrecklichste Erfahrung seines Lebens

Dass die Nationalsozialisten in den Frankfurter Adlerwerken unter dem Namen Katzbach ein Konzentrationslager betrieben, blieb in der städtischen Wahrnehmung lange außen vor. Gelangten die Vorgänge erstmals Ende der 1980er-Jahre ins Blickfeld der Öffentlichkeit, legte das Fritz Bauer Institut 2021 eine umfassende Forschungsstudie vor. Doris Stickler umreißt den langen Weg zu einem angemessenen Gedenken an das vor 80 Jahren aufgelöste KZ.

Erinnerung an den Denker der Wunschmaschinen

Die Sandale des Gilles Deleuze

Ob die „Mille Plateaux“, die in Frankreich 1980, in Deutschland 1992 erschienen, überhaupt gelesen wurden, ist ungewiss. Aber die Idee der Rhizomatik, die allen Ordnungsvorstellungen widersprach, elektrisierte das informierte Publikum, ebenso wie „Differenz und Wiederholung“ aus dem selben Jahr. Der Autor Gilles Deleuze, der solche weiterwirkenden Begriffe in die Welt setzte, wurde im Januar 1925 geboren und starb im November 1995. Ruthard Stäblein erinnert an den großen Philosophen.

Bukowinisch-galizische Literaturstraße

Dichtung und Denkmäler

Die Bukowina, einst Heimat von Rose Ausländer und Paul Celan, gehört zu den Regionen, deren Grenzen seit dem Ende der Donaumonarchie oft gewaltsam hin und her verschoben worden sind. Das Ausmaß an Entwurzelung und Leid aber auch widerständiger Kultur haben die Künstlerin Helga von Loewenich und der Literaturwissenschaftler Petro Rychlo im Rahmen des Kulturprojekts „Bukowinisch-Galizische Literaturstraße“ erforscht. Christel Wollmann-Fiedler hat mit Helga von Loewenich über den Werdegang und die Dokumentation dieser Forschungsarbeit gesprochen.

Aus dem Notizbuch

Mehr Kopfreisen und echte Reisen

„Erfahren“ bedeutet im Wortsinn, die Welt fahrend kennenlernen. Man sollte also meinen, wer viel reist, kann ein erfahrener Mensch werden. In der Bedeutung von „klug, bewandert“ ist das Wort seit dem 15. Jahrhundert belegt. Also vor dem Zeitalter der Motorisierung. Wie damals aber ist die Reisezeit heute so flexibel, dass wir nicht wissen, ob wir, wie Eldad Stobezki in seiner Traumreise, das Ziel noch pünktlich erreichen oder es wechseln müssen.

Kathy Ackers Werk und Leben

Der Hunger nach Wissen und Sex

Aufs Ganze gesehen markieren Tabubrüche jeden Fortschritt in der Geschichte der Künste. Die tabubeladene Sexualität aber hat dem Fortschritt beharrlich widerstanden und bietet deshalb immer wieder aufs Neue Anlass zu Skandal und Bewunderung. Die Erzählung „Bis aufs Blut“, mit der Kathy Acker bekannt wurde, geht aber mit ihrer experimentellen Sprache weit über die einst zensurierte Schilderung sexueller Praktiken hinaus. Anlässlich der Neuübersetzung von „Blood and Guts in High School“ erinnert sich Wolfgang Rüger an frühe Begegnungen mit Kathy Acker.

Jahrestag des Anschlags von Hanau

Fünf Jahre danach

Am 15. Februar fand die Gedenkveranstaltung anlässlich des 5. Jahrestags des rassistisch motivierten Anschlags in Hanau statt. Es war als ein selbstbestimmtes Gedenken von der Initiative 19. Februar organisiert: Mit Beiträgen der Angehörigen und Überlebenden, des Betroffenennetzwerks rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, einer Theater-Performance und einem Bericht zur Tatnacht der Recherche-Agentur Forensic Architecture/Forensis. Ein Abend gemeinsamer Reflexion und Erinnerung. Hier die Eröffnungsrede der Journalistin und Autorin Hadija Haruna-Oelker.

Erinnerung an Wolf Rosenberg

„Das macht aber nichts“

Sein Vater war ein jüdischer Hutfabrikant in Dresden. Nach dessen Tod kam Wolf Rosenberg zum Großvater, der ihm eine musikalische Ausbildung ermöglichte. Nach dem Studium der Philosophie, Geschichte und Kunstgeschichte bekam er Kompositionsunterricht bei Stefan Wolpe und nahm an Dirigierkursen bei Hermann Scherchen teil. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete als Musikjournalist. Mit seinen Kritiken und Analysen für Presse und Rundfunk wurde er einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Anlässlich seines 110. Geburtstages erinnert sich die Pianistin Angelika Nebel an den großartigen Musikvermittler.

Vor 100 Jahren startete das Projekt „Neues Frankfurt“

In Rekordzeit errichtet

Nicht nur das Bauhaus setzte in Sachen Architektur und Design bleibende Zeichen. Das Projekt „Neues Frankfurt“ zählt ebenfalls zur Avantgarde der Klassischen Moderne und erntete mit seinen gestalterischen Vorstößen weltweit Resonanz. Doris Stickler skizziert die Entwicklung des vor 100 Jahren gestarteten Programms, das einer neuen Epoche des Städtebaus Bahn gebrochen hat.

Sicherheit in der Atomtechnik

Wiederkehrende Missverständnisse

Die Nuklearkatastrophe von Fukushima am 11. März 2011 löste weltweit Ensetzen aus und sorgte in Deutschland für den Atomausstieg. Die Atomlobby wie auch CDU, CSU und FDP treiben dennoch beharrlich die Wiederzulassung von Kernreaktoren voran. Dabei sind selbst nach dem Bekanntwerden der Risse in französischen AKWs im Jahr 2021 bei hiesigen Meilern keine Prüfungen mehr erfolgt. Detlef zum Winkel fragte nach Fakten und stieß auf Propaganda, Täuschung und Selbsttäuschung.

Aus dem Notizbuch

Paris, Leipzig und andere Reisen

Die Gefahren und Strapazen bei Hofe und im Kriege, von denen Blaise Pascal schreibt und deshalb rät, ruhig in einem Zimmer zu bleiben, um Streitigkeiten, Leidenschaften und unheilvolle Unternehmungen zu vermeiden, haben sich seit dem 17. Jahrhundert sehr verändert. Und Reisen bildet – nicht jeden Menschen. In einem Zimmer zu bleiben und in Büchern zu reisen, böte sich also an, um das Unglück der Menschen gar nicht erst entstehen zu lassen. Eldad Stobezki hat sich für mehrere Reisevarianten entschieden.

Chefdigitalisierer fördern autokratische Tech-Oligarchie in Deutschland

Wehren wir uns!

Rechner können rechnen, aber nicht denken. Alle Vorgänge, auch KI und ChatGPT, die der Computer für uns durchführt, sind quantitativ. Und weil sie so ideenlos sind, sind sie gut zu missbrauchen. Begriffe wie „Digitalisierung“ und „Bürokratieabbau“, die auf den ersten Blick als harmlose Aufrufe zur Innovation erscheinen, dienen im Hintergrund dazu, Demokratie zu demontieren. In welchem Maße Tech-Oligarchen den politischen Diskurs beeinträchtigen und digitale Transformation auch in Europa vorantreiben, beschreibt in seinem zornigen Debattenbeitrag Martin Wimmer.

Axel Dielmanns Kunsterzählung „Triz. Baumchronist“

Eine Wohnung – drei Welten

Es ist schwer genug, sich mit gewöhnlichen Mitmenschen zu verständigen. Wie soll das aber mit Autisten gehen, die eine besondere Wahrnehmung haben, deren Konsequenzen für uns andere kaum zu begreifen sind? Wie kann man da Kontakt aufnehmen oder gar sich austauschen? Axel Dielmann erzählt in seinem Buch „Triz. Baumchronist“ von einem Ehepaar, das einen Zugang zu seinem Sohn sucht. Ewart Reder hat sich eingelesen.

Christian Schloyers Gedichtband „Venus / Mars“

Auf frischgefiederten Straßen

Christian Schloyers Lyrik nimmt eine solitäre Stellung in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur ein. Es ist eine Experimentalpoesie par excellence. Das lyrische Ich bleibt wie im Vorgängerband JUMP ’N‘ RUN, in dem es um eine apokalyptische Menschheitsdämmerung als Folge technischen Fortschritts ging, ein homo ludens, ein spielender Mensch. Nur als solches erträgt es auch im neuen Doppelband Mars-Venus den Populismus, das Patriarchat und den Leistungsfetisch seiner Welt sowie die Selbstzerstörung des homo sapiens. Alexandru Bulucz hat die Neuerscheinung gelesen.

Annegret Soltau – Werkschau

Radikale Selbstdarstellungen

Annegret Soltau hat allerhand mit sich angestellt. Denn ihren Körper vor allem hat sie als Objekt und Sujet ihrer künstlerischen Behandlungen und Dekonstruktionen verwendet, hat ihn mit Fäden verbunden und Fotos davon zerschnitten, zerrissen und mit Verwerfungen grob vernäht oder mit anderen Aufnahmen collagiert. Sie thematisiert Gewalt, Verletzlichkeit, Schwangerschaft, Familie und gehört zu den bedeutendsten feministischen Künstlerinnen. Marli Feldvoß hat die Eindrücke ihres Besuchs der Werkschau auf der Darmstädter Mathildenhöhe 2006 mit dem Titel „Annegret Soltau – ich selbst“ festgehalten.

Die Arbeit der beramí berufliche Integration e.V.

Aktiv für eine vielfältige Gesellschaft

Im hiesigen Arbeitsmarkt stoßen Menschen aus anderen Ländern auf allerlei Tücken. Neben unvertrauten Gepflogenheiten erweist sich die Anerkennung von Berufsabschlüssen und Qualifizierungen als große Barriere. Mit Beratungs- und Mentoring-Programmen unterstützt der Verein „beramí“ Zugewanderte, hierzulande beruflich Fuß zu fassen. Doris Stickler stellt das seit 35 Jahren aktive und mehrfach ausgezeichnete Kompetenzzentrum vor.

Gedankengänge mit Alain

Hand und Werk

Wir sind gewohnt, Kunst und Handwerk voneinander zu unterscheiden, obwohl wir wissen, dass die Unterscheidungskriterien sich an diese Unterscheidung nicht unbedingt halten. Und was die Praxis angehe, heißt es, gebe es keine Kunst ohne Handwerk. Dass das auch umgekehrt gilt, hat der Schriftsteller Alain energisch bestritten. In seinen zahllosen Notizen hat er sich unter anderem, aber wohl beharrlich, mit dem Handwerk beschäftigt. Felix Philipp Ingold stellt den Autor mit seinen Überlegungen zur Arbeit mit den Händen vor.

Albéric Magnards Oper „Guercœur“ in Frankfurt

Demokratie versus Diktatur

Um 1900 schrieb und komponierte Albéric Magnard die inzwischen fast vergessene Oper Guercœur, der gerade nach dem in der vergangenen Woche durch CDU und FDP erfolgten Bruch des Tabus, mit der in Teilen rechtsradikalen AfD gemeinsame Sache zu machen, besondere Bedeutung zukommt. Andrea Richter ersetzte im Verlauf der Erstaufführungs-Premiere in der Frankfurter Oper die Namen und Rollen der Protagonisten einfach durch die der genannten Parteien und verließ das Haus am Ende zutiefst aufgewühlt von der Frage: Wird es wirklich so weit kommen?

Aus dem Notizbuch

Ende Januar 2025

Dass wir verschieden groß sind, verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz und zieht gesellschaftliche Diskriminierung nach sich. Aber auch die Augenhöhe ist mit Nachteilen belastet. Das ist den Notizen Eldad Stobezkis zu entnehmen. Andere Motive, die ihn diesmal anregten, sind auch das Sterben im Dorf, letzte Bücher, Liebesbriefe, ewiges Licht, nächtlicher Reis und Vogelgezwitscher, Keramik und die neue Sachlichkeit.

Kaiser Ashoka in Indien

Vom grausamen Krieger zum mitfühlenden Menschen

Er war der erste Regent der Antike, der persönliche Erfahrungen mit seinen Untertanen teilte. Kaiser Ashoka, Herrscher über das indische Maurya-Großreich, versuchte im 3. Jahrhundert vor Christus, Staat und Gesellschaft nach der Lehre Buddhas auszurichten. Der Kaiser hielt das Prinzip der Religionsfreiheit hoch. Es sei sein Wunsch, ließ er wissen, dass überall in seinem Reich alle Glaubensgemeinschaften harmonisch zusammenlebten. Dafür ließ er sich, so berichtet Winfried Dolderer, eine besondere Kommunikationsstrategie einfallen.

Vogelkunde

Textorweber

Der holländische Künstler Fredie Beckmans, TEXTOR-Autor, Kenner der Pilze auf der St. Petersinsel im Bielersee, die Jean-Jacques Rousseau bei seiner biologischen Bestandsaufnahme nicht erfasst hat, Verfasser merkwürdiger Künstlerbriefe und Architekt beschrifteter, kleiner und großer Vogelhäuser, macht sich mit dem Federvieh bekannt, bevor er es auf Notenpapier malt. Mit seiner jüngsten Notiz klärt er uns über den Textorweber auf.

Jacques Offenbachs „Fantasio“ in Wiesbaden

Der Investor auf der Abrissbirne

Die Opéra comique muss nicht komisch sein. Jacques Offenbachs selten aufgeführter „Fantasio“ geht zwar auf eine Komödie von Alfred de Musset zurück, aber der Komponist strebte eine anspruchsvoll-unterhaltende Umsetzung an, der die politische Doppelbödigkeit nicht abhanden kam. An der Staatsoper Wiesbaden haben die Regisseurin Anna Weber und die Dramaturgin Hanna Kneißler zu seiner Musik aber eine Kontrafaktur vorgenommen, eine erhebliche Überschreibung. Margarete Berghoff beschreibt das spektakuläre Ergebnis.

Kommentar zur christdemokratischen Asylpolitik

Das Geschwätz von gestern

Wäre es nicht an der Zeit, die politischen Parteien zu bitten, ihre Namen zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren, damit die Wählerinnen und Wähler auch sicher sind, dass das, was draufsteht, auch drin ist? Das Stammtischthema Asylpolitik treibt zu Wählende und Wählende in einen irrationalen Schwindel, in dem sich alle parteilichen Grundsätze in Luft auflösen. Peter Kern kommentiert die Äußerungen des christdemokratischen Kanzlerkandidaten.

Neue Carl-Goerdeler-Biographie

Ein Konservativer im Widerstand

Die Abscheu vor dem Naziregime führte Carl Goerdeler zur Gruppe des 20. Juli wofür er am Galgen endete. Der bürgerlich konservative  Politiker, der mitunter auch antisemitische Haltungen bezog, ist bis heute eine umstrittene Figur. Peter Theiner hat in Goerdelers 80. Todesjahr eine neue Biografie des Hitlergegners vorgelegt. Jutta Roitsch schätzt besonders die Absicht des Autors nachzuweisen, warum Goerdelers Auslandsmissionen ebenso scheiterten wie seine Bemühungen, deutsche Generale vor dem Beginn des 2. Weltkrieges zum Sturz Hitlers zu gewinnen.

 

Im Gespräch mit Nedjo Osman

Wir haben uns verloren im Wirbel der Landkarten

Bekannt geworden ist Nedjo Osman als Theatermann und Schauspieler im deutschen Fernsehen. In Köln hat er gemeinsam mit Nada Kokotović das Projekt TKO – Europäisches Roma-Theater verwirklicht. Er arbeitet auch als Übersetzer für Romanes. In Gedichten, die über einen längeren Zeitraum hinweg entstanden sind, verleiht der schreibende Nedjo Osman den Roma seine lyrische Stimme. Cornelia Wilß traf den Künstler mehrmals in den letzten Jahren und zeichnet hier anhand von Gesprächsnotizen und autobiografischen Texten seine Lebenserinnerungen auf. 

Zum 80. Geburtstag von Matthias Beltz

Angewandte Dialektik

Am 31. Januar 2025 wäre Matthias Beltz 80 Jahre alt geworden. Für das Kabarett war er ein Glücksfall. Seine Juristenlaufbahn brach er während des Referendariats ab, um als Arbeiter bei Opel in Rüsselsheim die Revolution unter den Kollegen zu betreiben. Dann aber folgte er seinem Talent und ging zum legendären ‚Karl Napps Chaostheater‘ und weiter zum ‚Vorläufigen Frankfurter Fronttheater‘. Seine Auftritte mit dem Kölner Heinrich Pachl waren Kult. Und seine luziden Sprüche sind in unseren Sprachschatz eingegangen. Er war ein brillanter Kopf und ein zugewandter Mensch. Als er starb, erinnerte Lorenz Jäger an das Besondere seiner Kunst.

Austria-Nachtgedanken

Liebe ist ein süßes Licht

„Kriege lass andere führen, du glückliches Österreich, heirat‘! / Denn was den anderen Mars, Venus, die Göttin gibt’s dir.“ Mit diesem Distichon – im lateinischen Original heißt es „Tu felix Austria“ – umschrieben die Habsburger ihren Landgewinn durch Heiratspolitik. Venus hat sich jetzt offenbar entfernt. Die politischen Verhältnisse haben beinahe einen rechtsextremen Mann an die Regierung gebracht, der aus Österreich ein ganz anderes Land machen will. Matthias Buth kommentiert die Situation.

Jerk Götterwinds Gedichtband „Hinter den Wracks“

Der Underground ist hier. Gewesen.

Wer nichts mehr zu sagen hat und dann Gedichte schreibt, hat etwas zu sagen. In dieser Situation hat Jerk Götterwind seinen Lyrikband „Hinter den Wracks“ verfaßt. Und wenn der poetische Gestus auch an die Trümmer-Gedichte der Nachkriegszeit erinnern, dann, weil auch da eine Katastrophenerfahrung vorausging. Ein Neubeginn, ein Buchstabieren erster Worte gibt diesen auch eine neue Bedeutung. Ní Gudix ist bei der Lektüre des Gedichtbandes „Hinter den Wracks“ von Jerk Götterwind diesen Spuren gefolgt.

75 Jahre Frankfurter Kabarett „Die Schmiere“

Harte Arbeit

„Die Schmiere“ taufte Rudolf Rolfs sein 1950 eröffnetes Kabarett, das er als freies, politisch unabhängiges Theater verstand. Subventionen lehnte er stets ab, dafür erhielt die kritische Beobachtung reichlich Raum. Seine Tochter Effi B. Rolfs übernahm 1990 die Leitung und folgt diesen Grundsätzen bis heute. Satire fordere dazu auf, über Dinge nachzudenken, Vorgänge zu durchschauen und Schwächen zu entdecken, fasst sie in einem Gespräch mit Doris Stickler ihre Intention zusammen.  

Zwei Romane aus Italien

Argus, Zerberus und die Gerichtsakten

Buchmessen führen eine Übererfüllung unserer Lesewünsche mit sich. Und auch Hochgeschwindigkeitsrechner helfen nicht beim gründlichen Lesen, das bei uns Menschen eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Das Gastland Italien hatte in Frankfurt neben dem Erwartbaren auch so manche unbekannte Lektüre ausgelegt. Zwei ungewöhnliche Romane, meint Andrea Pollmeier, sollten wenigstens erwähnt werden.

Ludwig Fels‘ „Ein Sonntag mit mir und Bier“

Bin da, sage nichts

Der Apfel fällt zuweilen doch unter andere Stämme. Schriftsteller, Musiker, Künstler aller Geschlechter, die aus bildungsfernen, prekären Verhältnissen kommen, gegen alle Erwartung und Widerstände einer milieufremden Berufung folgen, sind gar nicht so selten. Die kämpferische Anstrengung, mit der sie den Weg zwischen Ursprung und Ziel überwinden müssen, begleitet sie oft lebenslang. Ludwig Fels hat die Welt von dieser Position aus betrachtet und sich den Willen zur Poesie bewahrt. Ulrich Breth beschreibt Leben, Werk und das nun erschienene Selbstporträt des vor vier Jahren gestorbenen Schriftstellers.

„Blue Velvet“ von David Lynch

Mit Gewalt ins Unbewusste

Als David Lynchs Film „Blue Velvet“ in die Kinos kam, musste man ihn gesehen haben, und einige Szenen daraus blieben einem auch für immer im Gedächtnis. Warum? Es war vielleicht die parodistische Überführung ins Künstliche, das die vorgeführte Fröhlichkeit und Harmonie der Anfangspassage denunzierte: Da war alles falsch. Der Film löste auch Kontroversen aus, schließlich war er Kult. Nicht für Marli Feldvoß.

Arthur Millers „Ein Blick von der Brücke“ im Schauspiel Frankfurt

Ganz schön, aber daneben

Aktualität ist gerade im Theater zu einem systemrelevanten Kriterium geworden. Das kann heißen, dass dem Publikum nicht mehr zugetraut wird, Dramen von gestern heute nachzuvollziehen. Es kann aber auch bedeuten, dass der einstige Konflikt inzwischen behoben ist oder wir uns an ihn gewöhnt haben. Arthur Millers Stück „Blick von der Brücke“ von 1955/56 spielt in den frühen 50er Jahren, als es in den USA eine Einwanderungsproblematik und Hungersnöte gab. Martin Lüdke hat in der Frankfurter Premiere die Aktualität verfehlt gesehen.

Erinnerung an David Lynch

Having a good time, all the time.

Eine hinter der oberflächlichen Erscheinung verborgene Wahrheit zu suchen, ist Sache der Metaphysik. Der Regisseur David Lynch, der als Meister des Rätselhaften etikettiert wurde, hat aber nichts verborgen, sondern realistisch die Schönheit, die falsche Idylle, das Begehren, die Grausamkeit und das Entsetzliche, den Alltag in seiner ganzen Oberflächlichkeit gezeigt. Der Filmkritiker Philipp Stadelmaier hat zum Tod Lynchs seine persönlichen Erinnerungen an den großen Filmkünstler aufgeschrieben.

Die Sache mit dem Aberglauben

Holunderbusch und Brötchensäge

Kaum ist die Stille Nacht vorbei, werden Weihnachtsdeko und -kekse verramscht und die Geschäfte mit anderen Symbolträgern bestückt. Seit einigen Jahren sind zunehmend die Raunächte in, mit eigenen, teils besinnlichen, teils auch skurril anmutenden Bräuchen, Verboten und Ritualen. Die Grenze zwischen dieser und der jenseitigen Welt werde durchlässig in dieser Zeit zwischen den Jahren, so die Mythologie. Werden es die Grenzen zwischen Glauben, Aufklärung und Aberglauben vielleicht auch? fragte sich Regula Venske.

Gilles Deleuze zum 100. Geburtstag

Philosophische Kunst & Lyrik

Philosophen, die die ganze Welt und den Sinn des Lebens in ein Denksystem packen möchten, hat es vielleicht nie gegeben. Aber es gab und gibt die großen Anreger, deren Einfluss weit über das lesende Publikum hinaus geht. Denken hänge von Kräften ab, die sich seiner bemächtigen, schrieb Gilles Deleuze, der vor hundert Jahren geboren wurde und zu den nachhaltigen Animatoren des Denkens gehörte. Stefan Heyer, dessen Lyrikband „Das Alphabet von Deleuze & Guattari“ im Frühjahr 2025 erscheinen wird, macht eine Notiz zum Philosophen und zwei Gedichte öffentlich.

Aus dem Notizbuch

2024 geht zu Ende – 2025 kommt

Erst kürzlich brach das neue Jahr aus und zwischen Urbi et Orbi und drei Königen auf der Suche schoben sich Sturmböen. Päpstlicher Segen, Böllerverbot, Elisen-Lebkuchen, Diebstahl und blinde Musiker. In seinem Notizbuch hat Eldad Stobezki gemischte Nachrichten vom Jahreswechsel gesammelt, die der Wechselhaftigkeit der Zeit entsprechen.

Eine Skizze zur Ideengeschichte der Akusmatik

Der Meister und der Vorhang

Namen gehen manchmal seltsame Wege, bis sie etwas bezeichnen, was gar nicht vorgesehen war. Der Begriff „Akusmatik“ gehört dazu. Darunter verstehen wir heute Musik ohne Musiker, Musik, die nur über Lautsprecher zu hören ist und mit den Elementen der realen Welt über Klangverwandlungen eine alternative Welt erfindet. Das ist vielleicht nichts zum Abtanzen, dafür etwas für Neugierige und echte Entdecker und Entdeckerinnen. Bernd Leukert ist mit seiner Skizze einer kompositionsästhetischen Idee nachgegangen.

Sozialdemokratische Sonnenverehrung (IX)

Der Schriftsteller Jamal Tuschick schildert die Geschichte der Sozialdemokratie und der Linken in der Bundesrepublik Deutschland ab den 1960er Jahren. Was Tuschick hier unternimmt, ist die Vergegenwärtigung eines Zeitbewusstseins, das sich nach dieser Zeit in Stich- und Schlagworten verloren hat. TEXTOR veröffentlicht Jamal Tuschicks „Sozialdemokratische Sonnenverehrung“ als Fortsetzungsroman in loser Folge. Dies ist der 9. und letzte Teil.

Gedichte

Gedicht von Felix Philipp Ingold

Rate mal!

Gedicht von Julia Mantel

caring-career

Gedicht von Johanna Hansen

windau/ventspils

Gedichte von Jane Wels

3 Gedichte

Gedicht von Andrea Köllner

Tagtraumerwachen

Gedicht von Matthias Buth

Blondi

Gedicht von Lisa Goldschmidt

Abend & Morgen

Gedicht von Tom Schulz

Aschesegen

Gedicht von Dirk Hülstrunk

brücke

Gedicht von Stephan Turowski

Ein liebes Wort

Gedicht von Tamara Labas

im spiegel

Gedicht

Ausfahrt

Gedicht

Memento

Gedicht

Gleisberg

Gedicht

Paul

Gedicht

Traumata