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Talk Reihe Schirn Frankfurt

Feedback Feminism

Im Rahmen der Ausstel­lung der Künst­le­rin Carol Rama lädt die SCHIRN zur drei­tei­li­gen Veran­stal­tungs­reihe FEED­BACK FEMI­NISM ein – mode­riert von Kolum­nis­tin, Schau­spie­le­rin und Auto­rin Samira El Ouas­sil. Sie spricht mit den Exper­tin­nen Fran­ziska Setare Koohes­tani, Sibel Schick, Susan Djahan­g­ard, Gabriela Herpell und Madita Oeming.

Kino Film

Die Witwe Clicquot

Nach dem Tod ihres Mannes widersetzt sich Barbe-Nicole Clicquot Ponsardin (Haley Bennett) den gesellschaftlichen Konventionen und übernimmt die Leitung des Weinunternehmens, das sie gemeinsam aufgebaut hatten. Direkt weht ihr der scharfe Wind der patriarchalen Realität ins Gesicht. 

Johann Sebastian Bach

Weihnachtsoratorium I, III, V & VI

Kein Weihnachten ohne „Jauchzet, frohlocket“, „Bereite dich, Zion" und „Großer Herr" – Bachs Weihnachtsoratorium gehört für viele Menschen untrennbar zur Einstimmung auf das Fest. Die vielfältigen Chöre, die vom Evangelisten vorgetragene Weihnachtsgeschichte und die vielen Arien, Rezitative und Choräle begeistern und berühren uns immer wieder neu.

David Grossman: „Frieden ist die einzige Option“

Die Logik der Selbstzerstörung

„Frieden ist die einzige Option“ versammelt die wichtigsten Reden und Essays des israelischen Autors David Grossman vor und nach dem 7. Oktober 2023, beginnend mit seinem Appell bei der Münchner Sicherheitskonferenz von 2017, sich für Frieden im Nahen Osten einzusetzen. Alexandru Bulucz hat sie gelesen.

Schauspielhaus Bochum

Grelle Tage

„Willst du nicht mal ein bisschen ... schlafen?“ „Nein. Ich mache meine Augen nicht mehr zu. Eine Sekunde hab ich nicht hingesehen und der See hat beschlossen, zu gehen.“ Die Regisseurin Caroline Kapp beschäftigt sich mit der Kontamination von Körpern und Landschaften sowie der Leerstelle feministischer Geschichtsschreibung. 

Zum Tod von Zakir Hussein

Der Trommelzauberer

Zakir Hussain ließ die Tablaklänge rollen, grollen, singen und tanzen und machte aus seinem Schlagwerk ein Melodieinstrument. Als virtuoser Techniker und sensibler Musiker beeinflusste er ganze Musikergenerationen. Im Gespräch mit Clair Lüdenbach erzählte er von seiner Familie und den Veränderungen in der indischen Klassik.

Ausstellung Kopenhagen

After the Sun

Gammel Strand präsentiert in diesem Herbst die ambitionierte Gruppenausstellung After the Sun. Die Ausstellung zeigt eine bahnbrechende Darstellung einer jüngeren Generation nordischer Künstler, alle nach 1980 geboren, für die künstlerische Praxis und die Klimakrise untrennbar miteinander verbunden sind.

Schauspiel Frankfurt

Leaks. Von Mölln bis Hanau

Im Gewand einer bunten, satirischen Enthüllungsshow entblößt Calis‘ neue Arbeit für das Schauspiel Frankfurt Strukturen, Täter, Komplizen und Mitwisser durch Re-Enactments, investigative Attacken, Verfremdung und bitterbösen Humor – im Einsatz für solidarisches Empowerment gegen Rechts und die Ermächtigung marginalisierter Stimmen.

Kunst, Kolonialismus und Restitution

Im Dialog mit Benin

Das Königtum Benin im heutigen Nigeria steht im Zentrum der Debatte um die Rückgabe von geraubtem Kulturgut aus Afrika. Im Jahre 1897 eroberte die britische Armee dessen Hauptstadt Benin City und plünderte Tausende von Ritual- und Prestigeobjekten aus dem Palast. Doch Benin ist nicht nur für seine koloniale Vergangenheit bekannt. 

Staatstheater Meiningen

Ende einer Verhandlung 

Verboten, vertrieben und vergessen, das ist das Schicksal der österreichisch-jüdischen Autorin Anna Gmeyner (1902-1991), die in Berlin Dramaturgin bei Erwin Piscator war und deren Theaterstücke gerade wiederentdeckt werden. „Ende einer Verhandlung“ ist ein Fund aus dem Nachlass der Autorin. 

Oper Meiningen

Don Carlos

Der renommierte Künstler und Regisseur Achim Freyer bringt nach seiner „Zauberflöte“ (2022) nun Giuseppe Verdis Monumentalwerk „Don Carlos“ auf die Meininger Bühne. Bei der Uraufführung 1867 in Paris noch verhalten aufgenommen, brach sich der Erfolg der Grand Opéra schnell Bahn.

Residenztheater

Blind

«Wie sollen wir miteinander leben?», fragt die meistgespielte niederländische Dramatikerin Lot Vekemans in ihrem neuen Stück und trifft damit den Nerv der Zeit. Sie zeigt auf eine sehr menschliche Weise die unvereinbar scheinenden Haltungen, die in vielen Familien und Freundeskreisen für Dissens und Konflikt sorgen.

Ein Jahrhundertjubiläum

Die Neue Sachlichkeit 

Mit dem Ausstellungsprojekt blickt die Kunsthalle Mannheim auf die bedeutendste Ausstellung in ihrer über 100-jährigen Geschichte zurück. Eine ganze Epoche mit einem einzelnen Begriff zu prägen, gelingt nur äußerst selten. Dem jungen Mannheimer Kunsthallen-Direktor Gustav F. Hartlaub ist mit seiner legendären Ausstellung „Neue Sachlichkeit“ 1925 jedoch genau das geglückt. 

Nahaufnahmen – Sonderausgabe der Literaturzeitschrift „Wortschau"

Können Frauen Kunst?

Johanna Hansen und Wolfgang Allinger, Herausgeber der Literaturzeitschrift „Wortschau“, haben 35 Autorinnen gebeten, literarisch auf 20 Arbeiten bildender Künstlerinnen aus der Sammlung des Sprengel Museums Hannover zu reagieren. Wer so etwas unternimmt, ist wagemutig. Denn nicht alles, was zu sehen ist, kann sich in Worten wiederfinden. Dagegen können Worte ans Licht bringen, was sich der Darstellung entzieht. Die Lyrikerin und Ärztin Monika Vasik aber berichtet in diesem Zusammenhang von einem anderen Missverhältnis.

Sozialdemokratische Sonnenverehrung (VI)

Der Schriftsteller Jamal Tuschick schildert die Geschichte der Sozialdemokratie und der Linken in der Bundesrepublik Deutschland ab den 1960er Jahren. Was Tuschick hier unternimmt, ist die Vergegenwärtigung eines Zeitbewusstseins, das sich nach dieser Zeit in Stich- und Schlagworten verloren hat. TEXTOR veröffentlicht Jamal Tuschicks „Sozialdemokratische Sonnenverehrung“ als Fortsetzungsroman in loser Folge. Dies ist der 6. Teil.

KW Institute for Contemporary Art

Half-Light

Die KW und BPA// Berlin program for artists präsentieren Half-Light, mit Arbeiten von BPA//-Teilnehmer*innen, die im Laufe ihrer zweijährigen Teilnahme am Programm entstanden sind. Die Ausstellung findet auf der ersten und zweiten Etage des Haupthauses der KW statt. 

Palmengarten Frankfurt

Winterlichter

An langen Winterabenden verwandeln Illuminationen den Palmengarten mit Einbruch der Dunkelheit in eine zauberhaft leuchtende Gartenlandschaft. Hunderte von Lichtern illuminieren die einzigartige Pflanzenwelt und schaffen eine ganz besondere Atmosphäre. Lichtobjekte, Klang- und Videoinstallationen machen den Spaziergang durch den Park zu einem Erlebnis.

Liederabend Volksbühne

Messages - Botschaften

Ein Chansonabend mit Natanaël Lienhard und Jacob Bussmann. Eine neugierige und genaue Auseinandersetzung mit französischsprachigen Chansons aus Vergangenheit und Gegenwart, keine nostalgische Verklärung eines historisch gewordenen Genres.  Im Mittelpunkt stehen rund 20 Titel von Charles Trenet und Jacques Brel über Francoise Hardy und Barbara bis Carla Bruni und Stromae. 

Sophia Lunra Schnack: „feuchtes holz“

Musik des Urgroßvaters

Die Erinnerung, die uns heimsucht, hat ihre eigene Struktur, drängt uns ihre Wiederholungen auf, ihre großen und kleinen Sensationen und ihre Traurigkeiten. Diese dynamische Gestalt hat die österreichische Lyrikerin Sophia Lunra Schnack für ihr Buch „feuchtes holz“ übernommen, in dem sie mit eigenwilligen, poetischen Bildern Erinnerung und Nachdenken über immaterielles Erbe miteinander verwebt. Damit ist ihr ein großes Sprachkunstwerk gelungen, findet Bernd Leukert.

Ein politischer Blick auf die 60. Biennale in Venedig

Kunst und Macht

Die venezianische Kunstbiennale ist international angelegt. Die Pavillons in den Giardini und die Abteilungen im Arsenale sind den Nationen zugeteilt, darin sie zeigen, was sie für aktuell und wichtig halten. Das war 2024 anders. Gemäß dem Motto „Foreigners Everywhere” – „Fremde überall“ haben sehr viele KuratorInnen die Kunst anderer Völker und Nationen zu sich eingeladen, die sich wiederum auf andere bezogen. An Mannigfaltigkeit war also kein Mangel. Jutta Roitsch hat die Kunstschau nach politischer Relevanz durchsucht.

Eine Aufforderung zum Handeln

Demokratie gestalten

Ohne Demokratie gibt es keine Freiheit, sich für etwas entscheiden zu können. Doch werden Fakten von Meinungen oft nicht mehr unterschieden. Die in der Anthologie „Demokratie gestalten“ versammelten Beiträge u.a. von Nicole Deitelhoff, Ina Hartwig und Mirjam Wenzel bestehen aus Momentaufnahmen unserer digital-kapitalistischen Zeit und betrachten diese aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Perspektiven mit dem Ziel, Reaktionen bei den Bürger:innen hervorzurufen. Denn: Demokratie lebt vom Diskurs, braucht Dialogbereitschaft. Mit der Wiedergabe des Vorwortes empfiehlt Riccarda Gleichauf das Buch.

Kurzlaudatio auf die Lyrikerin Jayne-Ann Igel

Schichten der Geschichte

Der Lyrikkritiker Michael Braun nannte die Website lyrikline.org einmal eine „stetig wachsende auditive Bibliothek der Weltpoesie“. Kürzlich wurde bekannt gegeben, dass seit der Eröffnung von lyrikline.org im November 1999 durchschnittlich in jeder der vergangenen 1300 Wochen eine neue Stimme hinzugekommen sei – und in 378 Wochen sogar zwei. Nun ist dort auch die Stimme der 1954 in Leipzig geborenen Jayne-Ann Igel erfasst. Es war höchste Zeit. Aus diesem Anlass hielt Alexandru Bulucz eine Kurzlaudatio.

Sozialdemokratische Sonnenverehrung (V)

Der Schriftsteller Jamal Tuschick schildert die Geschichte der Sozialdemokratie und der Linken in der Bundesrepublik Deutschland ab den 1960er Jahren. Was Tuschick hier unternimmt, ist die Vergegenwärtigung eines Zeitbewusstseins, das sich nach dieser Zeit in Stich- und Schlagworten verloren hat. TEXTOR veröffentlicht Jamal Tuschicks „Sozialdemokratische Sonnenverehrung“ als Fortsetzungsroman in loser Folge. Dies ist der 5. Teil.

Beethovens Göttermusik mit Schillers Versen

Alle Menschen klingen

Die Verknüpfung der Sprachbilder in Schillers kurzgefasster „Ode an die Freude“ mag abenteuerlich sein, – die Emphase hält alles zusammen. Beethoven tat mit dem opernhaften Schlusschor ein Übriges. Der Freudenjubel formt sich zum Hymnus. Die politischen, philosophischen, metaphysischen und musikalischen Hintergründe des Chorlieds „Freude, schöner Götterfunken“ werden im Buch „Alle Menschen werden Brüder“ von Ute Jung-Kaiser reflektiert. Und Matthias Buth hat es gelesen.

Sozialdemokratische Sonnenverehrung IV

Der Schriftsteller Jamal Tuschick schildert die Geschichte der Sozialdemokratie und der Linken in der Bundesrepublik Deutschland ab den 1960er Jahren. Was Tuschick hier unternimmt, ist die Vergegenwärtigung eines Zeitbewusstseins, das sich nach dieser Zeit in Stich- und Schlagworten verloren hat. TEXTOR veröffentlicht Jamal Tuschicks „Sozialdemokratische Sonnenverehrung“ als Fortsetzungsroman in loser Folge. Dies ist der 4. Teil.

Der Tod des René Descartes 1650 in Stockholm

Die Leidenschaft der Seele

Als Genießer und Mann, der die Frauen und die Bequemlichkeit liebt, wird der scharfe Denker René Descartes geschildert. Rätselhaft bleibt, was ihn zuletzt bewog, an den schwedischen Hof zu gehen. An den Vicomte de Brégy schreibt er am 15. Januar 1650 von seinem Verlangen, „in die Wüste zurückzukehren“: „… ich bin hier nicht in meinem Element, und ich ersehne allein jene Stille und Ruhe, die solche Güter darstellen, wie sie die mächtigsten Könige der Erde denen nicht geben können, die sie sich nicht selbst zu nehmen wissen.“ Etwa drei Wochen später war er tot. Jörg Aufenanger beschreibt das Ende des Philosophen.

Kulturwissenschaft in psychoanalytischer Perspektive

Wunsch und Angst

Dem Geist sei­ner Zeit folgend, suchte Freud nach den ersten und frühesten Formen der Religion; er fand sie in den Phäno­me­nen, die unter den Namen Totemismus und Magie in die Wis­sen­­­s­g­e­schichte ein­gehen sollten. In Freuds Magie-Adaptionen findet die Kulturwissenschaftlerin Susanne Lanwerd zahlreiche Überlegungen zu Wunsch, Angst und zum ozeanischen Gefühl.

Kunsthaus Wiesbaden

Von Spiegeln und Schatten

Magisch und beunruhigend zugleich stellt sich das Werk von Birgit Berg-Block dar. Ihre surrealistisch-märchenhaften Assemblagen eröffnen Räume der Fantasie, der Ängste und Traumwelten. Die Künstlerin schöpft aus einer spielerischen Kombinatorik. Sie improvisiert mit Dingen, die sie auf Floh- und Antikmärkten und in der Natur findet.

Leipziger Autoritarismus Studie 2024

Propheten der Krise, Klempner des Kairos

Die Schmähung der Vernunft und die Ablehnung der Demokratie kennzeichnen alle autoritären Regime. Vielleicht haben wir uns zu lange mit einem exklusiven Weltbild eingerichtet: Die Chauvinisten und Autokraten leben in anderen Ländern. Nun zeigt die Leipziger Autoritarismus Studie 2024, dass bei uns nach all den menschlichen Katastrophen des letzten Jahrhunderts Rechtradikalismus und autokratische Gesinnung keineswegs tabuisiert sind. Peter Kern hat sie gelesen.

Staatstheater Wiesbaden

Pinocchio

Auch dieses Jahr zeigt das Staatstheater Wiesbaden in der Adventszeit ein Stück, das Jung und Alt zu einem besonderen Theatererlebnis im Großen Haus einlädt. Die neugierige und leichtgläubige Holzpuppe, die trotz aller guten Vorsätze immer wieder in Schwierigkeiten gerät, muss etliche Abenteuer überstehen, bevor sie zu ihrem Vater Geppetto zurückfindet. 

Friedrich Stoltze-Preis 2024 an Eva Demski

Ich behielt des Liedes Ton

Der früh geübte Blick hinter alle Kulissen hat Eva Demski gelehrt, was Illusion ist und was Realität. Das hat ihr sicher das Eintauchen ins Frankfurter Geistesmilieu erleichtert, dessen aktiver Teil sie spätestens mit Beginn ihrer schriftstellerischen Laufbahn wurde. Ihre besondere Verbundenheit mit der Stadt wurde nun mit dem Stoltze-Preis gewürdigt, den sie im Kaisersaal des Frankfurter Römer entgegennahm. Wolfgang Schopf hielt die Laudatio und Eva Demski ihre Dankesrede.

 

 

Ausstellung Florenz

Painting Without Rules

Eine Retrospektive, einer der revolutionärsten Künstlerinnen des zwanzigsten Jahrhunderts.  Die Ausstellung bietet einen umfassenden Überblick über Helen Frankenthalers Werk und stellt ihre Arbeiten in einen Dialog mit denen zeitgenössischer Künstler:innen wie Jackson Pollock, Robert Motherwell, Mark Rothko, Morris Louis, David Smith, Anthony Caro und Anne Truitt.

Mizmorim Kammermusik Festival Basel

Exil

Unter dem Leitgedanken des Exils präsentiert Mizmorim rund dreissig Künstler:innen und Ensembles, zwei Uraufführungen und mehrere Schweizer Erstaufführungen. «Im Jahr 2025 widmet sich das Mizmorim Kammermusik Festival dem Thema Exil. Ein Thema, das sich durch die ganze Menschheitsgeschichte zieht.

 

 

 

Aus dem Notizbuch

Das Privatleben des Ermittlers

Selbst die KI steckt voller Kuriositäten, von denen sie nichts weiß. Wir aber verständigen uns mit Sprache und wissen deshalb um die Vieldeutigkeit der Worte ‚Anziehungskraft‘, ‚Fremdenzimmer‘ oder ‚hausgemacht‘. Darin besteht das täglich Brot des Ermittlers, des Urlaubers, des Beamten oder des Bäckers in Eldad Stobezkis Notizen – sogar in Antwerpen. Oder in der Komischen Oper?

Sophie Passmann Berliner Ensemble

Pick me Girls

Mit der Adaption ihres Buchs "Pick me Girls" schafft Sophie Passmann den Spagat zwischen Pop- und Hochkultur. Ausgehend von persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen spannt sie in ihrem Soloabend einen Bogen, der Momente des Wiedererkennens und der Verbindung schafft.

Nino Haratischwili: Löwenherzen

Der Löwe mit dem schiefen Auge

Die Illustratorin Julia B. Nowikowa hat das Theaterstück Löwenherzen von Nino Haratischwili mit zauberhaften Bildcollagen illustriert und in ein Buch verwandelt. Die Reise des Löwen in den Armen der Kindern um die Welt, erzählt vom Glück und Unglück in einer globalisierten Welt mit all ihren Ungerechtigkeiten. Dennoch endet jede Episode mit einer Hoffnung. Walter H. Krämer empfiehlt die Lektüre.

Alain Mabanckou: Das Geschäft der Toten

Die Dinge umgekehrt sehen

Aus der magisch-surrealen Perspektive eines frisch Gestorbenen blickt der Autor Alain Mabanckou in seinem Roman „Das Geschäft der Toten“ auf die Zustände im heutigen Kongo. Er zeigt eine postkoloniale Gesellschaft, die von regionalen Mythen geprägt und in machtpolitische Intrigen verflochten ist. Auf skurril ungezwungene Weise wird so sichtbar, wer Drahtzieher, Profiteure und Benachteiligte sind. Mabanckou wurde 2012 von der Académie française für sein Gesamtwerk mit dem Grand Prix de Littérature ausgezeichnet, Andrea Pollmeier stellt den von Holger Fock und Sabine Müller übersetzten Roman vor.

Über „Tsahal“ von Claude Lanzmann

Israels Traum vom reinen Soldaten

1948 wurde Israel, der mythenreiche Nationalstaat des jüdischen Volkes, gegründet und zugleich die israelischen Streitkräfte. Als Claude Lanzmann zwischen 1991 und 1994 für den letzten Teil seiner Trilogie (nach „Warum Israel“ und „Shoah“) in Israel Gespräche mit Angehörigen des Militärs, aber auch mit Sprechern der Friedensbewegung, Siedlern aus dem Westjordanland und Palästinensern führte, änderte sich das Bild, das er von der Politik Israels und seiner Armee hatte. Marli Feldvoß beschreibt seinen Film „Tsahal“.

Puppentheater Gera 

Mein ziemlich seltsamer Freund Walter 

Sibylle Bergs erfolgreiches Kinderstück über Freundschaft und über kleine Schritte in schwieriger Lage bringt das Puppentheater des Theaters Altenburg Gera auf die Bühne des Heizhauses Altenburg. Eine berührende und zugleich höchst unterhaltsame, leichtfüßig erzählte Geschichte, die Matthias Thieme einfühlsam inszeniert.

Sozialdemokratische Sonnenverehrung III

Der Schriftsteller Jamal Tuschick schildert die Geschichte der Sozialdemokratie und der Linken in der Bundesrepublik Deutschland ab den 1960er Jahren. Was Tuschick hier unternimmt, ist die Vergegenwärtigung eines Zeitbewusstseins, das sich nach dieser Zeit in Stich- und Schlagworten verloren hat. TEXTOR veröffentlicht Jamal Tuschicks „Sozialdemokratische Sonnenverehrung“ als Fortsetzungsroman in loser Folge. Dies ist der 3. Teil.

Aleida und Jan Assmanns „Gemeinsinn“

Eine Welt, die jedermann umfasst

Dass das Wort „gemein“ im Deutschen so eine ambivalente Bedeutung hat, verdankt sich sicher einer uralten Erfahrung, die den Widerspruch im sprachlichen Gedächtnis festhielt. Nun, da die Gemeinheiten die Gemeinschaften zu zersetzen drohen, erscheint ein Buch, mit dem Aleida und Jan Assmann, der inzwischen verstorben ist, den Gemeinsinn geltend machen. Ewart Reder hat das Buch kritisch gesichtet.

Gallery Johannesburg

Inner Sanctum

Wenn die Betrachtung eines Kunstwerks dem Betrachter einen Einblick in das Denken von Künstler:innen  gewährt, so ist ein Besuch in den Ateliers wie ein Schritt durch ein Portal, das unendlich viele Facetten des Geistes offenbart. Natürlich ist der Arbeitsplatz einer Künstlerin und eines Künstlers nicht immer gleich. 

 

Djaïli Amadou Amal: Im Herzen des Sahel

Zwischen Erniedrigung und Hoffnung

Gerade in Kriegszeiten ist es wichtig, sich auch für den Schutz von Frauen einzusetzen. Die Autorin und Frauenrechtsaktivistin Djaïli Amadou Amal, die in der umkämpften Grenzregion im Norden Kameruns aufgewachsen ist, hat vielfach geschlechtsspezifische Gewalt erlebt und beobachtet. In ihrem Roman „Im Herzen des Sahel“, der von Ela zum Winkel übersetzt worden ist, richtet die Aktivistin, die 2012 die Vereinigung „Femmes du Sahel“ gegründet hat und für ihr Wirken 2022 die Ehrendoktorwürde der Sorbonne erhielt, den Blick auf eine Frauengruppe, deren Schicksal nahezu nie wahrgenommen wird. Andrea Pollmeier gibt Einblick in den Roman.

Gespräche mit Übersetzer:innen aus dem Rumänischen

Abgründe der menschlichen Psyche

Die Übersetzerinnen Gundel Große und Miruna Bacali sowie der Übersetzer Peter Groth und die von ihm übersetzte junge Autorin Alexandra Furnea stellten der Frankfurter Buchmesse Neuerscheinungen in deutscher Sprache vor: „Disco Titanic“, ein Roman von Radu Pavel Gheo, der aus rumänischer Perspektive die Narben des jugoslawischen Bürgerkriegs beleuchtet, und „Das Tagebuch der 66" von Alexandra Furnea, die Autobiographie einer Überlebenden des Brandes im Club Colectiv in Bukarest. Manuela Klenke stellte den Übersetzer:innen einige Fragen.

Staatsschauspiel Dresden

Dorian

Robert Wilson zählt zu den bedeutendsten Theatermacher*innen unserer Zeit. Seine Arbeiten verbinden Elemente aus Tanz, Performance, Architektur, Malerei, Musik und Schauspiel. Mit DORIAN hat er ein Solo für den Schauspieler Christian Friedel kreiert.

Gespräch mit der Kuratorin Mahret Ifeoma Kupka

Talking Objects – ein Universum des Wissens

Kreativ, performativ, diskursiv – Talking Objects ist ein transnationales Experimentierfeld mit Objekten und Vorstellungswelten, das Raumwelten in Kenia, Senegal und Deutschland in Verbindung bringt. Ausgehend von Objekten aus den Sammlungen europäischer und afrikanischer Museen wird ein vielstimmiges Universum des Wissens aufgefächert. Im Dezember 2024 soll ein umfängliches Archiv in Dakar, Nairobi und Berlin online gehen. Cornelia Wilß sprach mit Dr. Mahret Ifeoma Kupka, die das Projekt gemeinsam mit Isabel Raabe kuratiert, in Frankfurt.

Fortsetzungsroman von Jamal Tuschick

Sozialdemokratische Sonnenverehrung II

Der Schriftsteller Jamal Tuschick schildert die Geschichte der Sozialdemokratie und der Linken in der Bundesrepublik Deutschland ab den 1960er Jahren. Was Tuschick hier unternimmt, ist die Vergegenwärtigung eines Zeitbewusstseins, das sich nach dieser Zeit in Stich- und Schlagworten verloren hat. TEXTOR veröffentlicht Jamal Tuschicks „Sozialdemokratische Sonnenverehrung“ als Fortsetzungsroman in loser Folge. Dies ist der 2. Teil.

Alban Bergs Lulu in Frankfurt

Notwehr bis zum Tod

Alban Bergs Oper „Lulu“ von einer Frau in Szene gesetzt und damit aus weiblicher Sicht präsentiert. Das kommt sehr selten vor. In der Neuinszenierung von Nadja Loschky an der Oper Frankfurt ist Lulu keine schillernde Femme fatale, sondern eine verzweifelte Zerstörerin, die selbst zerstört wird in einer patriarchal-misogynen Gesellschaft, der es an Empathie mangelt. Andrea Richter hat die Premiere erlebt.

Rolf Henrich: „Der vormundschaftliche Staat“

Wer wollen wir sein?

Identität ist ein Wort, mit dem gerade viel Schindluder getrieben wird. Aber gerade, wenn sich den „ostdeutschen“ Bürgern die Frage nach der deutschen Identität stellt, ist die Frage ernstzunehmen und nachzufragen, woraus sich diese Identität zusammensetzt. Jahre vor dem Mauerfall hat sich Rolf Henrich in seinem Buch über den „vormundschaftlichen“ Staat damit auseinandergesetzt, an das zu erinnern Jutta Roitsch Anlass sieht.

Fortsetzungsroman von Jamal Tuschick

Sozialdemokratische Sonnenverehrung

Der Schriftsteller Jamal Tuschick schildert die Geschichte der Sozialdemokratie und der Linken in der Bundesrepublik Deutschland ab den 1960er Jahren. Was Tuschick hier unternimmt, ist die Vergegenwärtigung eines Zeitbewusstseins, das sich nach dieser Zeit in Stich- und Schlagworten verloren hat. TEXTOR veröffentlicht Jamal Tuschicks „Sozialdemokratische Sonnenverehrung“ als Fortsetzungsroman in loser Folge. Dies ist der 1. Teil.

Aus dem Notizbuch

Sanremo, Gibellina

Wir entdecken zumeist das, was ohnehin unverdeckt zutage liegt, weil wir es zuvor nicht wahrgenommen haben oder die Gelegenheit dazu nicht hatten. So ist jede Entdeckung eine Bereicherung der Sinne und der Erfahrung, egal, ob es sich um den Musiker, Regisseur und Maler Franco Battiato handelt oder um Zucchini, Bohnen, einen schwarzen Erlöser oder Alberto Burris „Cretto in Gibellina“ in Frankfurt. Eldad Stobezkis Entdeckungen können auch unsere sein.

Ein persönlicher Nachruf auf Thomas Collmer (1956-2023)

Ungekürzt

Der Philosoph, Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Tomas Collmer, der versuchte, mit Hegel, Marx, Adorno, Luhmann, Lacan, Deleuze, Derrida und anderen eine offene Dialektik zu entwerfen, der experimentelle Romane wie „Friedhofsruhe“ oder „Die Leerheit“ verfasste, eine Abhandlung über die Poesie von Jim Morrison und über die Sprache von Edgar Allan Poe sowie über Burroughs und die Cut-up-Technik schrieb, ist im letzten Jahr gestorben. Ein Nachruf von Ní Gudix.

Ausstellung Frankfurt am Main

Gemischtes Doppel

Die Arbeiten der Künstler repräsentieren in Inhalt, Form und Material geradezu gegensätzliche Positionen innerhalb der bildenden Kunst. Somit steht einer gemeinsamen Ausstellung absolut nichts im Wege. Im Gegenteil. In dieser « Kooperation »  stärken sich unsere Arbeiten gegenseitig, präzisieren und betonen unsere jeweilige « künstlerische Haltung ».

Galerie

"Nicht nur das Haus vom Nikolaus" - Häuser und Behausungen -

Vertraute und neue Künstlerinnen und Künstler der Galerie haben ihre vielfältigen und interessanten Gedanken zu diesem Thema künstlerisch umgesetzt und für uns sichtbar gemacht. Dabei kommen unterschiedliche Techniken zum Tragen. 

Ewalina Marciniak inszeniert den „Großen Gatsby“ in Frankfurt

Ein armes Würstchen

Vor hundert Jahren demonstrierte das Glamourpaar Zelda und F. Scott Fitzgerald den Hedonismus der begüterten Klasse Amerikas – bis zur permanenten Verschuldung. Das schloss nicht aus, dass der damals schon berühmte Schriftsteller Fitzgerald in seinem Roman „Der große Gatsby“ diese Partygesellschaft distanziert und mitleidlos schilderte. Ihn für die Bühne zu dramatisieren, ist sicher eine Herausforderung. Martin Lüdke beschreibt, was daraus geworden ist.

Frank Winters „Badisch“

Die Kultur des Zischlautes

Man mag das Hochdeutsche als Gleichmacherei betrachten, was es im Sinne einer gemeinsamen Verständigung auch ist. Dabei muss man beiseite schieben, dass es einen dynamischen Reichtum an Nuancen und Kombinationen besitzt. Die Dialekte und Mundarten, wie grenzüberschreitend sie sich auch wandeln, weisen dagegen einen traditionellen, oft exklusiven Charakter auf. Sich damit zu beschäftigen, ist reizvoll und vergnüglich. PH Gruner hat sich an Frank Winters „Badisch“ erfreut.

Kinostart

Die Saat des heiligen Feigenbaums

Mit Die Saat des heiligen Feigenbaums liefert Mohammad Rasoulof, Gewinner des Goldenen Bären für Doch das Böse gibt es nicht, sein Meisterwerk ab: eine zornige und unverblümte Abrechnung mit dem Unrechtsregime im Iran, erzählt als brillanter, atemloser Politthriller und erfüllt mit authentischen Bildern der Proteste im Herbst 2022, die das Land in seinen Grundfesten erschütterten. 

Christina von Schweden

Die Seele hat kein Geschlecht

Als „Minerva des Nordens“ und „einzige Gelehrte“ ihres Landes bewunderten Zeitgenossen die schwedische Königin Christina. Die Tochter Gustav II. Adolf war vielsprachig und eine der am umfassendsten gebildeten Frauen des 17. Jahrhunderts. Mit ihrer Abdankung, dem Übertritt zum Katholizismus und der Umsiedelung nach Rom sorgte sie für einen europaweit beachteten Eklat, weiß Winfried Dolderer zu berichten.

Poesie-Performance

Cave Poets

Die Lautpoesie oder Klangpoesie ist eine Kunstform, die sich mit der Schönheit und dem Ausdruck von Lauten, Geräuschen und Rhythmen beschäftigt. Lebendig wird sie durch die Performance. Eine solche hat Jutta Kaussen tief in einer Höhle nahe des Balaton gefilmt, als dort sechs Dichter:innen aus sechs europäischen Ländern während ihrer Poet’s Residency in Ungarn den Gedichtzyklus „Future of Freedom“ von Jaan Malin aus Estland lasen und spielten.

175 Jahre Paulskirche

Jüdisches Deutschland

Das Engagement von Jüdinnen und Juden für die deutsche Demokratie gerät nur selten in den Blick. Dabei ist etwa dem Juristen und Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung Gabriel Riesser maßgeblich die in der Verfassung verbriefte Trennung von Staat und Religion zu verdanken. Anlässlich des 175. Paulskirchen-Jubiläums widmen sich Abraham de Wolf und L. Joseph Heid in einem Band der von Elisa Klapheck herausgegebenen Reihe „Machloket/Streitschriften“ dem jüdischen Anteil an der deutschen Demokratie. Leon Joskowitz hat den Band für TEXTOR gelesen.

Tanztheater Wuppertal

Água

Die internationale Koproduktion, entstanden 2001 in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Sâo Paulo und Emilio Kalil, nach einer Recherchereise des Ensembles nach Brasilien, gilt als sehr sanftes, lebensbejahendes Stück mit opulenten überstrahlenden Filmprojektionen des Bühnenbildners Peter Pabst.

Bingel-Preis-Laudatio von Ronya Othmann

Als die Lerchen aufflogen

Zugewandt, mit dichten Beschreibungen und klarem Blick auf die poetische Herangehensweise hat die Schriftstellerin Ronya Othmann drei mit dem Horst-Bingel-Preis für Literatur Ausgezeichnete gelobt. Ein Langgedicht von Björn Kuhligk, Kolumnen von Katja Petrowskaja und ein Gedichtband von Alexandru Bulucz wurden einzeln bedacht und doch mit einer gemeinsamen Idee eingebunden, der Bildlichkeit und der Beziehung zur Fotografie. Das Visuelle in der Schrift ist ein Augenöffner.

Interview mit Ela zum Winkel

„Übersetzen hat viel mit Zweifeln zu tun“

Was wäre Theater in Deutschland ohne Stücke von Shakespeare, Beckett oder Wajdi Mouawad? Über den faszinierenden Prozess, Texte aus unterschiedlichen internationalen Herkünften für die Bühne zu übersetzen spricht der Übersetzer Frank Weigand mit der Schauspielerin und Übersetzerin Ela zum Winkel. Ihr feines Gespür für machtpolitische Aspekte sprachlicher und kultureller Übertragung und die besondere Bereitschaft zu zweifeln, wirkt ungewöhnlich bereichernd.

Künstlerporträt und Interview

Weltklasse-Geiger Augustin Hadelich

Sein Name wird von dem Ruf begleitet, zu den Künstler:innen zu gehören, die die Kunst des Violinspiels dieses Jahrhunderts prägen. Dafür spricht tatsächlich vieles. Denn die Klangwelten, die er erschafft, verzaubern. Auf der Basis technisch allerhöchsten Niveaus erzählt er sensibel, geradezu poetisch die musikalischen Geschichten egal welches Komponisten mit mitreißender Ton- und Interpretationssprache. Andrea Richter hatte die Gelegenheit, ein Interview mit Augustin Hadelich zu führen.

Burgtheater Wien

Toto oder  Vielen Dank für das Leben

Ein bizarrer Roadtrip und eine bitterböse Coming-Of-Age- Geschichte: 1966 wird in einem ostdeutschen Kreissaal ein Baby ohne erkennbares Geschlecht geboren. Die Mutter entscheidet kurzerhand, es handle sich um einen Jungen, tauft ihn Toto und verstirbt.

Weltkulturen Museum

Country bin pull‘em. Ein gemeinsamer Blick zurück

Gemeinsam mit den Indigenen Gemeinschaften der Wanjina Wunggurr - den Woddordda, Ngarinyin und Wunambal – richtet das Weltkulturen Museum den Blick zurück auf die Frankfurter Frobenius-Expedition in das Kimberley Gebiet Nordwestaustraliens im Jahre 1938.

Dankesrede von Martin Piekar

Robert Gernhardt Preis 2024 an Martin Piekar

Zwei überzeugende, mit Hessen verbundene literarische Projekte werden jährlich durch die Verleihung des Robert Gernhardt Preises zum Weitermachen ermutigt. In diesem Jahr haben der als Kind polnischer Einwanderer in Bad Soden aufgewachsene Autor Martin Piekar und die Schriftstellerin Christina Griebel diese Auszeichnung erhalten. In seiner Dankesrede spricht Piekar über sein Projekt „Vom Fällen eines Stammbaums“, das seinen außergewöhnlichen Werdegang an der Seite einer pflegebedürftigen Mutter beschreibt und die Bedeutung von Sprache in prekären Lebensumständen.

Clemens J. Setz: „Das All im eignen Fell“

Ein Erinnerungsbuch

Clemens Setz wollte zunächst keine Gedichte in Buchform mehr veröffentlichen. Zum Glück hat er seine Meinung noch einmal geändert und damit poetische Perlen vor dem Vergessen bewahrt. Riccarda Gleichauf stellt die Twitterpoesie und exemplarisch ausgewählte Autor:innen aus dem Band „Das All im eignen Fell“ vor.

Jüdischen Museums Hohenems Österreich

Yalla. Arabisch-jüdische Berührungen

Die Geschichte arabisch-jüdischer Lebenswelten reicht Jahrhunderte zurück, bis in die präislamischen Stammesgesellschaften Arabiens. Eine lange und widersprüchliche Beziehungsgeschichte.  jüdisches Leben unter islamischer Herrschaft über die heutigen arabischen Länder oder unter dem Einfluss europäischer Kolonialinteressen.

Ausstellung Schirn Frankfurt

Carol Rama  Rebellin der Moderne

Carol Rama (1918–2015) gehört zu den herausragenden Künstlerinnen der Moderne, die trotz ihres eindrucksvollen, facettenreichen Schaffens erst spät zu Ruhm gelangten. Die Schirn Kunsthalle Frankfurt präsentiert die Turiner Künstlerin vom 11. Oktober 2024 bis zum 2. Februar 2025 in allen Schaffensphasen ihres außergewöhnlichen Gesamtwerks. 

Abdelaziz Baraka Sakin: „Der Rabe, der mich liebte“

Über den Ameisenweg zurück

Der sudanesische Autor Abdelaziz Baraka Sakin zählt zu den bedeutenden Stimmen der arabischen Literatur und erhielt zahlreiche Auszeichnungen wie 2022 vom Institut du Monde Arabe und 2023 in Montréal den Prix BaoBaB. Seit 2012 lebt Sakin im österreichischen Exil. Dort war er 2022/23 Stadtschreiber von Graz. Hier entlang führt auch die „Ameisenroute“, der risikoreiche Fluchtweg von der Hauptstadt des Sudan Khartum durch die Wüste nach Europa. Sakin gibt in seinem Werk „Der Rabe, der mich liebte“ außergewöhnlichen Einblick in die Lebensrealität der Flüchtenden. Andrea Pollmeier empfiehlt den Roman.

 

Zur italienischen Literaturgeschichte

Wie kommt man aus der Hölle?

Mit einem eindrucksvollen Auftakt zum Gastland Italien hatte die Woche der Buchmesse begonnen. Dabei wurde deutlich, dass die Autorinnen und Autoren des deutschen Sehnsuchtslandes vor politischer Einflussnahme nie frei waren und sich in transkultureller Vielfalt entwickelten. Die beiden Dozentinnen für italienische und französische Literaturwissenschaft, Dr. Eva-Tabea Meineke (Universität Mannheim) und Prof. Dr. Christine Ott (Goethe-Universität Frankfurt), führten im Gespräch mit Martin Maria Schwarz in die italienische Literaturgeschichte ein. Andrea Pollmeier berichtet.

Eindrücke aus dem industriellen Ballungsgebiet rund um Marseille

Das bisschen Feinstaub

Eine der schönsten Küsten Frankreichs wurde zerstört. Am Golfe de Fos befanden sich die begehrten Badestrände. Was hat sich verändert? Die Kleinstadt Fos-sur-Mer liegt jetzt im Zentrum eines riesigen industriellen Ballungsgebiets. Das einst beschauliche Fischerdorf ist mittlerweile ein wichtiger Wirtschaftsstandort. Detlef zum Winkel fuhr mit dem Zug von Marseille nach Fos.

Tate Modern London

Zanele Muholi 

Zanele Muholi ist eine der bekanntesten Fotografinnen der Gegenwart, und ihre Arbeiten wurden bereits in der ganzen Welt ausgestellt. Mit über 260 Fotografien zeigt diese große Ausstellung die ganze Bandbreite ihrer bisherigen Karriere. Muholi bezeichnet sich selbst als visuellen Aktivisten.

Dokumentation

La Storia - Vom Skandal zum Klassiker

Elsa Morante wurde 1957 als erste Frau mit dem renommiertesten italienischen Literaturpreis Premio Strega geehrt. Bis dahin war sie als Ehefrau des Schriftstellers Alberto Moravia und für ihren schwierigen, zwischen schüchtern und herrisch schwankenden Charakter bekannt. "La Storia" knüpfte sie an die literarischen Traditionen des 19. Jahrhunderts an.

„Messias“ in der Komischen Oper Berlin

Halleluja für Berlin

Wie sehr die Kultur in Berlin zur Stadt gehört, diese sie will und braucht, wurde wieder einmal mit der Produktion des „Messias“ der Komischen Oper klar. In den Hangar 4 des alten Flughafen Tempelhof strömten an 12 Abenden insgesamt 22.000 Besucher:innen, um einer der wahrscheinlich ergreifendsten Oratorien-Shows ihres Lebens beizuwohnen. Auch Andrea Richter war fasziniert und hält die geplanten drastischen Kürzungen im Kulturetat der Stadt für mehr als kontraproduktiv.

Kinostart

E.1027 – Eileen Gray und das Haus am Meer

Die irische Designerin Eileen Gray baut 1929 ein Refugium an der Côte d’Azur. Ihr erstes Haus ist ein diskretes, avantgardistisches Meisterwerk. Sie nennt es E.1027, eine kryptische Kombination aus ihren Initialen und denen von Jean Badovici, mit dem sie es gebaut hat. Ein Film von Beatrice Minger

Zigarre und Joint bei der Inter Tabak

Mein Rauch ist besser

„Dieses Kraut reinigt Gaumen und Haupt, vertreibt die Schmerzen und Müdigkeit, stillt das Zahnweh, behütet den Menschen vor Pest, verjagt Läuse, heilet den Grind, Brand, alte Geschwüre, Schaden und Wunden“, zitierte der Weinbauforscher August Wilhelm von Babo aus einem Kräuterbuch von 1656. Gemeint war der Tabak, der mit Kolumbus nach Europa gelangt war, und nicht das Cannabis-Kraut, dem seit der Antike ähnliche Heilwirkung zugesprochen wurde. Ewart Reder berichtet von einer Messe, auf der beides ungleich angeboten wurde.

Therapeut sein in Israel

Den eigenen Garten pflegen

Die israelische Öffentlichkeit ist in einem Teufelskreis gefangen, der ein autoritäres Regime kennzeichnet: Je schlimmer die politische Lage, der Krieg und die internationale Isolation werden, desto größer die Angst vor der Wahrheit, desto gehemmter die Bereitschaft, sich für Veränderung und Reparation zu engagieren. Eran Rolnik, israelischer Psychoanalytiker, Psychiater und Historiker erklärt die Situation seiner Landsleute.

Ausstellung Bedburg-Hau

Alice Springs – Retrospektive

Alice Springs wurde mit ihrer Werbe- und Modefotografie zu einer der bedeutendsten Fotografinnen ihrer Zeit. Sie hatte das Talent, in ihren sensiblen Aufnahmen die Persönlichkeit der Fotografierten lebhaft widerzuspiegeln. Das Museum Schloss Moyland würdigt das Werk der Fotografin und zeigt u. a. Arbeiten, die im Rahmen dieser großen Retrospektive vom 15. September 2024 bis 2. Februar 2025 erstmals zu sehen sind.

Zu den rechtlichen Kompetenzen der Bundesregierung

Der Staat macht mit Macht in Kultur

Es sind Grauzonen, drückt man es höflich aus, in denen die bundesdeutsche Kulturförderung navigiert. Denn die Verfassung hat die Kulturhoheit den Ländern zugewiesen. Jeder Eingriff in diese Zuständigkeit kann als kulturelle Aneignung interpretiert werden. Doch die Macht des Geldes bewirkt einen eigenwilligen Umgang mit den Vorschriften und Gesetzen, die sich der Bund selbst gegeben hat. Matthias Buth bietet in seinem Essay einen Einblick in das seltsame Geflecht aus Willkür und Fiktion im Bundeskanzleramt.

Schaubühne Berlin

Glaube, Geld, Krieg und Liebe

Robert Lepage entwickelt ein neues Stück mit Spieler_innen aus dem Ensemble der Schaubühne. Zu Beginn der Proben gab es keinen Text, keine Geschichte, keine Figuren, nur einen Gegenstand: ein Kartenspiel. Die vier Kartenfarben Herz, Kreuz, Pik und Karo ordnet er der Liebe, dem Glauben, dem Krieg und dem Geld zu.

Zum ökologischen Desaster

Wie im wilden Westen

Die Klimakrise überleben nur die Reichsten, sagen die einen. Aber wie lange? Die anderen glauben, ohne den Menschen wäre es gar nicht so weit gekommen. Wer aber könnte uns das bestätigen? Der Gesellschaftstheoretiker und Psychoanalytiker Fritz B. Simon hat auf den Zusammenhang von Herrschaft, Gesellschaft und Klima geblickt. Gesehen hat er nur eine Möglichkeit, das ökologische Desaster aufzuhalten: durch einen Mentalitätswandel. Hans-Jürgen Arlt stellt das Buch vor.

The Wende Museum Culver City

Counter/Surveillance: Control, Privacy, Agency

In den letzten Jahrzehnten hat der technologische Fortschritt die Überwachung stark vorangetrieben. Online werden personenbezogene Daten automatisch gesammelt und massenhaft analysiert. Algorithmen beobachten, hören zu, verfolgen und identifizieren Menschen und ergänzen und ersetzen manchmal menschliche Augen und Ohren. 

Ausstellung Stuttgart

Über Fernsehen, Beckett.

Die Ausstellung Über Fernsehen, Beckett ist ein Projekt des Künstlers Gerard Byrne und der Kuratorin und Beckett-Expertin Judith Wilkinson. Sie präsentiert erstmals alle sieben wegweisenden Fernsehspiele, die Samuel Beckett zwischen 1966 und 1985 für den Süddeutschen Rundfunk (SDR, heute SWR) in Stuttgart produzierte: 

Literaturnobelpreis 2024

Die südkoreanische Schriftstellerin Han Kang

Die Trägerin des Literaturnobelpreises 2024 Han Kang war bereits 2016 zu Gast im Litprom-Weltempfänger-Salon. Die Lesung und das Gepräch aus ihrem bereits mit dem Internationalen Booker-Preis ausgezeichneten Roman „Die Vegetarierin“ hat Andrea Pollmeier aufgezeichnet. In dieser Zeit hat auch Anita Djafari, damals Leiterin des Vereins Litprom, die Autorin erlebt und sie im Weltempfänger-Salon empfangen. Über die Begegnung mit Han Kang und die Lage der Buchnation Korea hat Anita Djafari berichtet.

Dante Alighieri

Italiens erster Literat

Dante Alighieri war der Autor der „Göttlichen Komödie“ sowie Schöpfer einer italienischen Literatursprache. Schon zu Lebzeiten wurde der gebürtige Florentiner hoch geehrt. Aufgrund politischer Umstände aus seiner Heimatstadt vertrieben, schrieb er seine großen Werke als Flüchtling in der Verbannung. Der Historiker und Publizist Winfried Dolderer hat die Stationen seines Lebens und seines Schaffens nachvollzogen.

Hamburg Ballett

The Times Are Racing

Wie die Zeit vergeht. Und wie die Zeiten sich ändern. Wir leben in einer Zeit des rasant schönen Nebeneinanders der Stile – und so ist auch dieser mehrteilige Ballettabend gemeint. "The Times Are Racing" vereint vier Choreografien und spannt einen Bogen über die letzten 50 Jahre Tanzgeschichte. Ein Ballettabend mit Werken von Pina Bausch, Hans van Manen, Demis Volpi und Justin Peck.



Ein Porträt des Dichters Muepu Muamba

Afrika trägt viele Masken

„Die Pflicht zur Einmischung”, der Titel eines Buches des kongolesischen Dichters Muepu Muamba, geht auf ein gleichnamiges Gedicht zurück, in dem er eine Utopie des menschlichen Zusammenlebens entwirft. Diese wird sich jedoch erst dann in Realität verwandeln, wenn Einmischung zur Pflicht erhoben wird. Cornelia Wilß stellt Leben und Werk des Dichters vor, der seit Ende der 1980er-Jahre in Frankfurt lebt.

Aus dem Notizbuch

Die Zitronenblüte war schon vorbei

Das Land, wo die Zitronen blühen, lassen wir Touristen uns nicht vom Tourismus vermasseln. Dieses Land ist angefüllt mit Geschichte, Augenbalsam in Stadt und Land und wunderlichen Merkwürdigkeiten – wozu auch die Bewohner gehören. Auf seiner Reise durch Italien stößt Eldad Stobezki in Mantua auf Salomone Rossi und Kindesmissbrauch, in Rom auf MeToo im Alten Testament, in Sutri auf Horaz und in Trevignano auf Moskitos.

Deichtorhallen Hamburg

Tactics and Mythologies

Ein Beispiel für virale Halluzinationen ist die »Dokumentation« von einem Glitch in der Realität, im Englischen als »Glitches in Real Life« bekannt. Dieser neue Bildtyp setzt die Annahme voraus, dass die Wirklichkeit eine immersive Simulation á la The Matrix und The Truman Show sei, die von »Mächten« gesteuert und manipuliert wird. Der Glitch legt dieser verschwörungstheoretischen Erzählung zufolge die Simulation offen und »beweist« damit die Theorie. 

Stalburg Theater

Fräulein Müller bitte zum Matriarchat

Ist der Kampf der Geschlechter genauso abgedroschen wie die unselige Diskussion über Für und Wider des Genderns? Natürlich nicht. Er wird so lange währen wie es unterschiedliche Geschlechter gibt – also vermutlich ewig. Und genauso lange wird er mit wechselnder Verbissenheit geführt werden, mit unterschiedlichen Waffen, Taktiken und Zielen.

Musée du Luxembourg

Tarsila do Amaral

Tarsila do Amaral (1886-1973), ist eine zentrale Figur der brasilianischen Moderne, sie ist eine der bekanntesten und beliebtesten Künstlerinnen Brasiliens. Ab den 1920er Jahren schuf sie ein originelles, eindrucksvolles Werk, das sich auf indigene Bilder und die modernisierenden Elemente eines sich schnell verändernden Landes stützte.

Streifzüge durch die literarische Anthologie von Fiston Mwanza Mujila

Schlüsselorte

14 Kurzgeschichten afrikanischer und afrodiasporischer Autor:innen spiegeln Aspekte urbaner Lebenswirklichkeiten über transkontinentale Grenzen hinweg. Die Stadt ist ein Schlüsselort für eine Szenerie, in der sich Tragik und Komik verflechten. Dann wieder ist sie die Hauptfigur, ein Ort der Sehnsucht und Entwurzelung. Figuren bewegen sich zwischen den Kontinenten, eben InterKontinental – so auch der Name eines Verlages, der sich mutig auf afrikanische und afrodiasporische Literatur spezialisiert hat und kürzlich erst mit dem Berliner Verlagspreis ausgezeichnet wurde. Cornelia Wilß traf den Autor zuletzt beim Textland Festival 2023.

Ausstellung

Yoko Ono. Music of the Mind

Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen präsentiert in Kooperation mit der Tate Modern das bahnbrechende und einflussreiche Werk der Künstlerin und Aktivistin Yoko Ono (*1933, Tokio) in einer umfassenden Einzelausstellung. Yoko Ono ist eine Pionierin der frühen konzeptuellen und partizipativen Kunst, des Films und der Performance. 

Ingmar Bergmans „Szenen einer Ehe“

Vom Regen in die Traufe?

Dass wir, wenn es um Gefühle geht, Analphabeten sind, muss ja nicht bedeuten, dass unsere Gefühle alphabetisierbar sind. Wer wollte Standardgefühle, die im Gefolge der Benennbarkeit entstehen, eintauschen gegen das Unsagbare, oft Unsägliche? Einst sprach man von der Verdinglichung der Gefühle, mit der nicht nur Hollywood Geschäfte machte. Ingmar Bergman hat in den frühen 70er Jahren des letzten Jahrhunderts die Spannung zwischen Verständigung, Verständnis und Ratlosigkeit gestaltet. Martin Lüdke hat die „Szenen einer Ehe“ in Form eines Bühnenstücks im Schauspiel Frankfurt gesehen.

Landungsbrücken Frankfurt

Hauptsache Arbeit

Kultautorin Sibylle Berg beschäftigt sich in ihrem Werk mit Machtverhältnissen, Sexismus und (gezwungener) Angepasstheit im Arbeitsleben. Erzählt wird dies von drei Ratten, die sich nicht nur verbal in die Angelegenheiten der Menschen mischen: Wer kann sich ums Leben reden? Wichtiger noch, wer darf den Arbeitsplatz behalten?

Modern Art Museum Shanghai

Transforming Energy

Transforming Energy, die erste Museumsausstellung der international gefeierten Künstlerin Marina Abramović in China. Die Ausstellung, die vom 10. Oktober 2024 bis zum 28. Februar 2025 zu sehen sein wird, ist inspiriert von Abramovićs ikonischer Performance aus dem Jahr 1988, bei der sie zusammen mit dem deutschen Künstler Ulay die Chinesische Mauer überquerte. 

Nachruf auf Kris Kristofferson

Der wandelnde Widerspruch

Er verkaufte sieben Millionen Alben und war mit seinen Filmrollen sehr erfolgreich. Und doch oder vielleicht deshalb: Kris Kristofferson (1936-2024) war der wandelnde Widerspruch, wie es in einem seiner besten Lieder hieß. Musik drehte sich immer schon um Sex, auch im Country. Aber die freizügige, bekifft-unbeschwerte Spielart hielt in Nashville erst mit dem Texaner Einzug. Ein Nachruf auf den Songwriter und Schauspieler von Martin Wimmer.

Audiowalk

Der Rache nicht

„Der Rache nicht“ ist ein dokumentarischer Audio-Walk im Stadtraum Frankfurt. Er verknüpft historisches Material mit fiktiven Textpassagen und sucht nach Interaktionen mit der heutigen Stadt. Den Ausgangspunkt bilden die Biografien einiger vom Nazi-Regime verfolgter Frankfurter Künstler:innen, die ab 1933 aus dem kulturellen Stadtleben in Frankfurt am Main verdrängt wurden. 

 

 

Ottorino Respighis Oper „La Fiamma” in Berlin

Monumental frisst Emotion

Netto zwei Stunden Grauen, Geschrei, Getöse, Flammen und Eisnebel bei brutto zwei Stunden und zehn Minuten Spieldauer einer Oper sind selbst für passionierte und neugierige Musiktheaterfreaks zu viel. Bei der Premiere von Ottorino Respighis „La Fiamma“ in der Deutschen Oper Berlin schaltete sich zumindest Andrea Richters Gefühlsleben einfach ab und wartete aufs Ende der Katastrophe.

Schauspielhaus Zürich

Frau Yamamoto ist noch da

«Es gibt keinen Frühling ohne dich.» Die Dramatikerin Dea Loher zählt zu den wichtigsten Autor*innen der Gegenwart und ist international bekannt für ihren klugen Blick auf die fragilen Gesellschaftsgefüge unserer Zeit. Regie: Jette Steckel. Die Uraufführung fand am 12. September 2024 im Schauspielhaus Zürich statt.

Peter Kurzecks „Frankfurt – Paris – Frankfurt“

Kein Augenblick soll verloren sein

Die Angst, irgendetwas zu vergessen, hat ihn umgetrieben; die Erinnerung bis ins kleinste Detail zu protokollieren und die erlebte Gegenwart ebenso fortlaufend zu notieren, wurde ihm zur Obsession. Und manchmal gewinnt man den Eindruck, als hätte Peter Kurzeck sein Leben vor allem gelebt, um es aufzuschreiben. In den jetzt erschienenen Band seines Zyklus‘ „Das alte Jahrhundert“, „Frankfurt – Paris – Frankfurt“, hat sich Ulrich Breth hineingelesen.

Zum Briefwechsel Thomas Bernhard – Siegfried Unseld

Höher als der Verlag

Wer weiß, ob es die unabhängigen Verleger noch gibt, die sich hinter ihre Autoren stellen. Siegfried Unseld jedenfalls machte diesen Anspruch für sich geltend und wagte es, anspruchsvolle Literatur und zeitgenössische Theoriediskussion gegen die Bedürfnisse des noch lesenden Publikums zu publizieren. Bei der Veranstaltung „Salon kontrovers“ im Frankfurter Holzhausenschlösschen zum hundertsten Geburtstag des Verlegers entwarf Ruthard Stäblein dessen Persönlichkeitsbild und bezog sich dabei auch auf den Briefwechsel Thomas Bernhard und Siegfried Unseld.

D-ländlich

Mauern dichten leise – Flüsse auch

Wer die Welt kennenlernen will, übersieht gewöhnlich, dass dieselbe vor der Haustür beginnt. Und wer in die Fremde will, muss nicht weit reisen. Wen aber kulturelle Neugier antreibt, wer mehr über unsere Geschichte, Herkunft und das Wirken unserer Kulturschaffenden, über Architektur und Landschaft erfahren will, muss fahren. Matthias Buth hat sich vorgenommen, das Netz der Kraftlinien, die Kunst und Natur, Geschichte und Zugehörigkeitsgefühl verbinden, aufzuspüren.

Aus dem Notizbuch

Krieg, Migration, Sonnenblumen

Sonnenblumen und Araber sind die Folgen einer Zurückweisung, jedenfalls, wenn man den Mythen und Legenden eine Kernwahrheit zuspricht. Eine Legende ist die Aufforderung zum interpretierenden Lesen, ein Märchen wie die Mythen. Eldad Stobezki nennt noch Migrationsverbot als Terrorabwehr, das „doch“ im Klimawandel, das Privileg der Ölsardinendose, Ökonomie für Verbraucher oder die Verwandlung der Klytia in eine Sonnenblume. Ovid schreibt: Ein Teil verneint, dass es sein kann; ein anderer erinnert daran, dass wahre Götter dazu imstande sind.

E. T. A. Hoffmanns „Das fremde Kind“

Ein feindseliger Gnom

An dem mechanistisch-materialistischen Menschenbild, das sich der Philosoph de La Mettrie ausgedacht hatte, hat der Schriftsteller der schwarzen Romantik, E. T. A. Hoffmann, sich immer wieder abgearbeitet. Einige seiner Frauenfiguren, zum Verlieben schön, entpuppen sich schließlich als Automaten. In seinem Märchen „Das fremde Kind“, das als multimediales Kunstwerk erschienen ist, sind es der mechanische Jäger oder der aufziehbare Harfenist, die im Schrott landen. Walter H. Krämer hat sich daran erfreut.

Interview mit dem Expertensystem Fiktive Geschichtsrückblicke (EFG)

So wird es gewesen sein

1348 erzählen sich in einem Landhaus, in dem heute eine Filiale des Europäischen Hochschulinstituts Sitz hat, sieben Frauen und drei junge Männer zum Teil recht „anzügliche“ Geschichten, die heute noch gelesen werden: Boccaccios „Decamerone“ entstand, weil in Florenz die schwarze Pest ausgebrochen war, die nicht nur die italienische Politik veränderte. Nach der Belastbarkeit solcher Geschichtsthesen über pandemiebedingte Wirtschafts- und Politikveränderungen befragte Rolf Schönlau sein eigenes Expertensystem.

Ausstellung

Hofmannsthal.Szenen

Die Kunst, Erlebnisse zu erfinden. Theaterszenen, biographische Szenen, Konfliktszenen – die Jubiläumsausstellung zum 150. Geburtstag von Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) erzählt Geschichten aus Leben und Werk des österreichischen Schriftstellers. Hofmannsthal ist ein Experte für existentielle Verunsicherung. Seine Figuren leiden an innerer Düsternis, an namenloser Wut, an emotionalen Ambivalenzen, an der Angst vor dem Leben.

Euripides, Aischylos und Sophokles in Hamburg

Blindwütige Suche nach der Wahrheit

Die Tragödie stehe zwischen „Mythos“ und „Logos“, zwischen Ursprungsdenken und Metaphysik, schrieb in seiner „Kritik der Tragödie“ Wolfram Ette, damit stehe sie aber auch gegen beide. Vielleicht ist die frühe griechische Bühnenkunst deshalb unverwüstlich und ewig neu. Sie verhandelt unsere Probleme. In Hamburg hat die inszenierende Intendantin Karin Beier unter dem Titel „Anthropolis-Marathon“ fünf der klassischen Tragödien angeboten, die Walter H. Krämer alle gesehen hat.

Erfolgsgeschichten (I)

Wie Erde und Himmel

In der Reihe Erfolgsgeschichten erzählen junge Migrantinnen und Migranten, wie es ihnen gelungen ist, in der Arbeitswelt in Deutschland Fuß zu fassen. Rezvan Rezai (24) ist in Afghanistan geboren und in Iran aufgewachsen. Ende 2015 ist er nach Frankfurt am Main geflohen. Nach seinem Hauptschulabschluss hat er eine Ausbildung zum Restaurantfachmann im Flemings MainRiverside absolviert und arbeitet dort seit 2023 in Festanstellung. Riccarda Gleichauf hat mit ihm gesprochen.

Bachmann/Henzes „Der Prinz von Homburg“ in Frankfurt

Zwölfton-Belcanto

„In den Staub mit allen Feinden Brandenburgs“. Ausgerechnet am Abend der brandenburgischen Landtagswahl lauteten so die letzten Worte der ersten Premierenproduktion „Der Prinz von Homburg“ in der neuen Spielzeit der Oper Frankfurt. So wie das Bundesland mit einem Dilemma konfrontiert war und ist, ergeht es dem Titelhelden in Henzes Werk. Der Hauptunterschied zwischen Bühnen- und politischem Realtheater? Die Oper überzeugte in jeder Hinsicht und bescherte Andrea Richter große innere Bereicherung.

Gabriel Attal in der Ukraine

Rückkehr nach Odessa

Weil wir keine Bäume sind, haben wir keine Wurzeln, sondern Beine, mit denen wir uns, sobald wir laufen können, mobil halten. Das ist insofern von Vorteil, weil wir so auch davonlaufen können, wenn unsere Lust, unser Wille, unsere Sehnsucht oder die widrigen Umstände es erfordern. Gelangt man auf diese Weise in die Fremde und stellt sich geschickt an, kann man dort sogar Premierminister werden. Jutta Roitsch schreibt über den Besuch Gabriel Attals in der Ukraine.

Saisonstart: Goethes „Faust“ (1 & 2) in Frankfurt

Das fängt ja gut an

Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft – das sagt sich so mephistophelisch leicht dahin. Doch wer weiß denn, was damit gemeint ist? Goethe hat den ersten volkstümlich-kritischen Teil des „Faust“, aber auch den visionären, weit ausgreifenden zweiten Teil mit paradoxen und aporetischen Sentenzen durchsetzt, die einem zu denken geben. Dass der gesamte „Faust“ für allfällige gesellschaftspolitische Interpretationen taugt, beweist, dass er nicht von gestern ist. Die Version, die jetzt in Frankfurt Premiere hatte, ist bei Martin Lüdke auf positive Resonanz gestoßen.

Kunstmuseum Magdeburg

Splitter

Das Kunstmuseum Magdeburg freut sich seine neue programmatische Reihe von Musik- und Klanginstallationen in der Klosterkirche. Die Videoarbeit von Leyla Yenirce zeigt das Porträt einer jungen Frau, deren klare und ruhige Gesichtszüge durch eine besondere Lichtführung, hervorgerufen durch einen spiegelnden Gegenstand, betont oder überblendet werden. 

Bess Dreyers Gedichtband „vom aufziehbaren blechhuhn“

Lebensfrohes Memento mori

Dass alles, was entsteht, wert ist, dass es zugrunde geht, sagt Mephisto zum Doktor Faust, der immer strebend sich bemüht. Die Spannung zwischen dem aggressiv eingesetzten Realitätssinn und dem überschreitenden Möglichkeitssinn ist das Feld der Poesie, die zwischen beiden Polen oszilliert. Im Buch „vom aufziehbaren blechhuhn“ hat Bess Dreyer dieses Feld abgelesen, und Elke Engelhardt hat sich die Gedichte genauer angesehen.

Ausstellung „Städel | Frauen“ in Frankfurt

Beruf: Künstlerin!

In den letzten Jahren bekommen die vergessenen Künstlerinnen der Kunstgeschichte zunehmend Präsenz in den Ausstellungsprogrammen. Allerdings kann dies nur unter forschendem Engagement seitens der Kurator*innen geschehen, ist doch vieles bislang unbekannt geblieben: Biografien müssen recherchiert, der Standort der Werke gefunden werden. Die Künstlerinnen dem Vergessen zu entreißen, ist Verpflichtung und Fleißarbeit. Einen solchen Forschungszwischenstand bietet das Städel Museum mit seiner Schau „Städel | Frauen. Künstlerinnen zwischen Frankfurt und Paris um 1900“, die sich den Netzwerken der Künstlerinnen um 1900 widmet. Isa Bickmann hat sie besucht.

Ausstellung

Zeitzeugenschaft?

Die Ausstellung „Zeitzeugenschaft? Ein Erinnerungslabor“ sowie die Wanderausstellung „Ende der Zeitzeugenschaft?“ ist eröffnet. Letztere wurde vom Jüdischen Museum Hohenems und der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg erarbeitet und für Frankfurt modifiziert; beide zusammen sind ab heute zu sehen.

Briefwechsel Bachmann – Henze

Verrückt nach Schönheit

Hans Werner Henze gehörte zu den meist aufgeführten Komponisten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Ingeborg Bachmann war die bedeutendste deutschsprachige Lyrikerin und Prosaschriftstellerin. Nachdem sie sich 1952 auf Burg Berlepsch bei einer Tagung der Gruppe 47 kennenlernten, schrieb ihr der Komponist, wie schön und traurig er ihre Gedichte fand. Das war der Beginn einer Freundschaft, die sich detailliert in ihrer Korrespondenz zur Sprache brachte. Arno Widmann hat ihre Briefe mitgelesen.

Performance/Text

Text Matters. Matters of Text

Text Matters. Matters of Text, ein Festival zur Materialität der Sprache, geht in seinem zweiten Jahr der Frage nach, ob Texte eine Bühne sein können, die nicht nur jenen gilt, die dort klassischerweise schreiben und sprechen, sondern auf der auch wir zur Sprache kommen. Präposition ist ein unabhängiges Label für eine neue Inszenierung von Literatur und Sprache. 

Ausstellung

Schwerelos

Die Welt steht Kopf im Kunstmuseum Wolfsburg. Der Mond befindet sich auf der Erde, ein Haus hängt in luftiger Höhe, die Wolken sind am Boden und die Besucher*innen schweben scheinbar in der Schwerelosigkeit eines Raumschiffs.

Ausstellung HKW

heimaten

Das dezentrale heimaten Festival im September 2025 macht gemeinsam mit zahlreichen Partnerinstitutionen die plurale Gesellschaft sichtbar sowie die Arbeit vieler Einzelpersonen und Initiativen, die sich für sie einsetzen. Das Projekt ist konzipiert vom HKW und den Ko-Kuratoren Ibou Diop und Max Czollek und wird von einem Netzwerk von zivilgesellschaftlichen Initiativen und Kulturinstitutionen im gesamten deutschsprachigen Raum inklusive Österreich und der Schweiz getragen.

Theater Vorstellungen

Anthropolis

Die berühmtesten Gründungsmythen der europäischen Zivilisationsgeschichte stammen aus der Stadt Theben. Mit Antigone und Ödipus haben sie gleich zwei Gestalten hervorgebracht, die in Literatur, Philosophie und Psychologie bis heute zentrale Rollen einnehmen.

Eröffnungsrede

Plädoyer für das Recht auf Bewegungsfreiheit

Menschen, die vor Krieg oder zerstörten Lebensgrundlagen fliehen, geraten an Europas Grenzen in ein zunehmend kafkaeskes System seelenloser Bürokratie. Wer nicht schon Teil des Systems ist und über entsprechende Papiere verfügt, wird hinter Mauern weggesperrt. Um Betroffenen eine Chance zum Widerspruch zu ermöglichen, hat medico international einen „Fonds für Bewegungsfreiheit“ gegründet. Geschäftsführer Tsafrir Cohen erläutert die Ziele des neuen Hilfsprojekts.

Punkrock DDR

Überschäumende Lebensfreude

Punk, der im Westen wirkte wie eine Einbrecherbande, die die Wohnungseinrichtung zertrümmert, sonst aber für das etablierte gesellschaftliche Gefüge keine Gefahr darstellte, wurde in der autoritären DDR in den Rang eines Staatsfeindes erhoben. Die provozierende Lebensfreude wurde auf diese Weise selbst politisch. Henryk Gericke, einst an der Ostberliner Kultur-Opposition beteiligt, hat ein Buch darüber geschrieben und für TEXTOR klärende Informationen zur Verfügung gestellt.

Laudatio für Prof. Dr. Seyla Benhabib

Das erweiterte Selbst

Am 11. September 2024 wurde der Professorin für Politische Theorie und Politische Philosophie, Seyla Benhabib, in der Paulskirche zu Frankfurt am Main der Theodor W. Adorno-Preis des Jahres 2024 überreicht. Benhabib, die in eine alteingesessene Istanbuler sephardisch-türkische Familie hineingeboren wurde, forschte und lehrte an der Brandeis University und in Yale, am Max-Planck-Institut am Starnberger See, in Boston und Harvard. Der Historiker und Erforscher der Frankfurter Schule, Martin Jay, begründet in seiner Laudatio die Preisvergabe.

Rede zum Fonds für Bewegungsfreiheit

Grenzen im Inneren und Äußeren den Kampf ansagen

Nationale Grenzen sind nicht naturgegeben, sondern Folge eines Denkens, das Menschen nach bestimmten Kriterien kategorisiert und hierarchisiert. EU-Grenzen werden so nur für Wenige durchlässig, für die Menschheit in ihrer Vielzahl sind sie nahezu dicht. In ihrer Rede anlässlich der Gründung des „Fonds für Bewegungsfreiheit“ spricht die Journalistin Şeyda Kurt über eine autoritäre Wende sowie seelische und moralische Grenzziehungen im Innern.

Zum Tod Rebecca Horns

Nur erschöpft

Elegant, poetisch, zwiespältig und konzeptuell zugleich sind die Werke Rebecca Horns, deren international ausgezeichnetes Œuvre an die wichtigsten Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts anschließt. Am 6. September 2024 ist die im hessischen Michelstadt geborene Künstlerin im Alter von 80 Jahren gestorben. Ihr Schwerpunkt lag auf Skulpturen und Installationen, sie schuf aber auch Filme, Gedichte und Zeichnungen. Ursula Grünenwald erinnert an ihr Schaffen.

Aus dem Notizbuch

Worte, grünes Land, Falafel

Der Höhbeck, kann man lesen, ist eine saale-kaltzeitliche Stauchendmoräne inmitten der niedersächsischen Elbtalaue, mithin im Biosphärenreservat Lüchow-Dannenberg. Neben dem Erkenntnisgewinn, den man bekommt, wenn man diese Informationen nachgeschlagen hat, führen sie uns vor Augen, wohin es Eldad Stobezki verschlagen hat. Schlüge man auch noch in Haaretz, der Genesis, dem Wetterbericht, in der Geschichte der Zugtoiletten, in der Münchner Kunst und in Ovids „Metamorphosen“ nach, fände man den Kosmos dieser Notizen in nuce.

Eldad Stobezkis „Rutschfeste Badematten und koschere Mangos“

Katzen und Hunde

Mit etwas Glück werden die Einfälle eines Aphoristikers von seiner Persönlichkeite zusammengehalten. Sein Interesse leitet seine Wahrnehmung, und umgekehrt werden sich die farbigen Steine seiner knapp gefassten Notate von selbst zu einem ausgeformten Mosaik zusammenfügen, an das er schreibend gar nicht zu denken braucht. Eldad Stobezki, der auch TEXTOR-Autor ist, hat seine bedenkenswerte Gedankensammlung für ein Buch arrangiert, das Ulrich Breth vorstellt.

Nina Mays Walachei-Glossen

Rumänien to go

Nina May, geb. 1965 in Linz an der Donau, Diplom-Physikerin, sagte 2008 dem deutschen Staatsdienst ade und zog als „Aussteigerin“ nach Rumänien, um in Siebenbürgen ein einfaches Dasein auf dem Land zu leben. Bis ihr rumänischer Ehemann, der „Göttergatte" ihrer Glossen, sie nach Bukarest entführte, wo sie seit 2011 als Journalistin und seit 2020 als Chefredakteurin der „Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien (ADZ)“ arbeitet. Die meisten der in diesem Band vereinten Glossen sind zwischen 2011 und 2024 in der ADZ erschienen. Und Matthias Buth findet sie gut.

Gespräch mit Karola Gramann und Heide Schlüpmann über Alice Guy

Falling Leaves

Die Filmwissenschaftlerin Karola Gramann verabschiedet sich nach 25 Jahren von der Kinothek Asta Nielsen mit einer persönlichen Auswahl besonderer Schätze der Filmgeschichte in Frankfurt vom 12. bis 15.9. und in Berlin am 1. und 2.11.2024. Als Hommage an sie bringen wir ein Gespräch, das Isa Bickmann mit ihr und der Kinothek-Mitgründerin und Filmprofessorin Heide Schlüpmann 2012 über die Filmpionierin Alice Guy führte, deren Film „Falling Leaves“ aus dem Jahre 1912 auch im Abschiedsprogramm gezeigt wird.

Vor 15 Jahren starb Pina Bausch

Was Menschen bewegt

Die Ursache des Konflikt auf die Tutu-Fraktion der konservativen Ballett-Liebhaber abzuschieben, wäre zu einfach. Was Pina Bausch in Wuppertal ins Werk setzte, war ein Angriff auf das Selbstverständnis der Kategorie Ballett, die Ersetzung der formalisierten Choreographie durch eine permanent sich weiterentwickelnde, emotionalisierte Körpersprache. 15 Jahre nach ihrem Tod haben viele Kollegen von ihr gelernt, – ob sie’s wissen oder nicht. Walter H. Krämer erinnert an die große Tänzerin und Choreographin.

Frauen und Musik in Afghanistan

Wo man singt, da lass dich nieder….

Dass Singen und Spielen keine harmlosen Lebensäußerungen sind, hat nicht nur die katholische Kirche immer wieder bestätigt. Betroffen von den Einschränkungen und Verboten des Musizierens waren besonders, und das vor allem in der Gegenwart, die Frauen. In Afghanistan, wo seit 2021 wieder die radikal-islamistischen Taliban herrschen, gehört das Musikverbot zu den Instrumenten der totalen Unterdrückung. Clair Lüdenbach skizziert die Geschichte.

Geregelte Migration, geregelte Sprache

Presse und Macht

Fast 60 Prozent der Geflüchteten werden mittlerweile durch die Folgen des Klimawandels ihrer Existenz beraubt. Sie suchen Schutz in genau jenen Ländern, die die Verursacher ihrer desolaten Verhältnisse sind. Nicht zuletzt durch die zunehmend einseitige Berichterstattung der Medien verweigert die deutsche Öffentlichkeit, diese Zusammenhänge zu akzeptieren. Peter Kern führt in seinem Beitrag vor Augen, wie Medienkonzerne dieser fatalen Entwicklung Vorschub leisten.

Der Fotograf Alexander Paul Englert

Die alltägliche Normalität

Als sich die Fotografie in der Gesellschaft durchsetzte, sahen sich die Maler der realistischen Kunst ihrer Kompetenz beraubt. Zu unrecht. Die Lichtbildner ihrerseits versuchten, neben den dokumentarischen auch die kunstmalerischen Möglichkeiten in das neue Medium zu übertragen. Heute durchdringen sich Realismus und Bildgestaltung zumeist. Alexander Paul Englert sieht seine Kunst in der unspektakulären, intuitiven Erfassung der Möglichkeiten, die die Situation anbietet. Doris Stickler porträtiert den Fotografen.

Georg Leß: „die Nacht der Hungerputten"

Die letzten Fragen von Satzbau und Wohnraum

Putten sind Säuglinge mit – nach den Gesetzen der Aerodynamik – zu kurzen Flügeln, um abheben zu können. Niemand weiß, warum und wozu sie eigentlich existieren. Ihr Entwicklungsstand schließt eine musikalische Ausbildung aus, dennoch sieht man sie allenthalben mit Instrumenten hantieren. Und sie sind viel zu herzig, um auch noch gut sein zu können. Georg Leß mag diese opake Unsichtbarkeit zu einem gewagten Gedichtband angeregt haben. Alexander Kappe hat ihn gelesen und ist zu dessen poetologischen Gründen vorgestoßen.

Anmerkungen zur Gegenüberstellung von populärer und akademischer Philosophie.

Kritik der Philosophie

In der ersten TEXTOR-Ausgabe vom 16. August 2024 veröffentlichte Bernd Leukert unter dem Titel „Der soziale Faktor“ einen Artikel über öffentliche und akademische Philosophen. Darin referiert er die kategorische Differenz der beiden, wie sie gestern und heute, in der Presse wie in der Literatur, ausformuliert wird. Vor allem geht er auf Bücher der Philosophen Daniel-Pascal Zorn und Claus Langbehn ein, die das alte Problem thematisieren. Leon Joskowitz, selbst Philosoph, hat daraufhin eine Entgegnung verfasst.

Die Lehren nach Auschwitz

Der Judenhass

In seinen „Betrachtungen zur Judenfrage“ schrieb Jean-Paul Sartre, nicht die Erfahrung schaffe den Begriff des Juden, sondern das Vorurteil fälsche die Erfahrung: „Wenn es keinen Juden gäbe, der Antisemit würde ihn erfinden.“ Und: Der Antisemitismus sei eine Weltanschauung, gebärde sich aber als Leidenschaft. Die Juristin Channah Trzebiner äußert sich in ihrer Streitschrift zur Täter-Opfer-Umkehr.

Der Papst und die Literatur

Literaturpapst

Der Krummstab ist eine Symbolversion des Hirtenstabes, mit dessen Krümme der Hirt seine Tiere an den Hammelbeinen packt. Kardinäle, Bischöfe, Äbte und Äbtissinnen tragen ihn. Aber der Papst nicht. Deshalb kann er auch empfehlen, Bücher jenseits der Heiligen Schriften zu lesen, ohne auf den Index unkatholischer Literatur zu verweisen. Matthias Buth begrüßt den Hirtenbrief mit poetischen Empfehlungen.

Ottilie von Goethes Mut zum Chaos

Die geniale Schwiegertochter

Sie war eine der faszinierendsten und unkonventionellsten Frauen ihrer Zeit. Sie gründete ein Journal, dichtete, übersetzte und förderte den englisch-deutschen Kulturtransfer. Politisch aktiv, unterstützte sie eine neue Generation von Autor:innen. Die Ausstellungen der letzten beiden Jahre, „Mut zum Chaos. Ottilie von Goethe“ im Goethe und Schiller-Archiv Weimar, und im Deutschen Romantik-Museum, Frankfurt am Main, sowie neue Publikationen haben sich nun ihrem Leben und Werk gewidmet. Francesca Müller-Fabbri von der Klassik-Stiftung Weimar beschreibt die ungewöhnliche Frau.

Vortrag zum Konflikt im Nahen Osten

„Deutschland, Israel und die Crux historischer Ethik“

Die diesjährigen 55. Römerberggespräche in Frankfurt befassten sich mit Fragen der Erinnerungskultur nach dem 7. Oktober. Wenige Tage zuvor hatten jedoch zwei internationale Gerichte, der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) und der Internationale Gerichtshof, Entscheidungen getroffen, die beide kritisch auf das sich dramatisch zuspitzende Kriegsgeschehen zwischen Israel und Palästina Bezug nahmen. In diesem zeitlichen Kontext untersucht der Historiker Dan Diner explosive Tiefenschichten der deutsch-israelischen Beziehungen.

Knotenpunkte einer Reise

Güstrow, Ernst Barlach und Uwe Johnson

Das Wahrscheinliche kann sich gegen das Unwahrscheinliche nicht abschotten. Undenkbar, dass irgendjemand unserer direkten Vorfahren mit historischen Persönlichkeiten in Verbindung stand, die ihrerseits mit anderen Berühmtheiten vertraut gewesen sein sollen? Und dann die Überraschung. Der Schriftsteller Eric Giebel entdeckt auf einer Reise nach Güstrow Uwe Johnsons Verbindung zu Ernst Barlach.

Der Theatermann Willy Praml wird 83

Das Schwierige gewagt

„To play or not to be" – so darf man wohl das Lebens- und Arbeitsmotto des Theatermenschen Willy Praml verstehen. In der hessischen Theaterlandschaft ist der in Niederbayern geborene Willy Praml eine feste Größe. Seit 1971 macht er Theater: Zunächst mit Aufsehen erregenden Inszenierungen mit Jugendlichen und Laien. Später mit dem 1991 gegründeten Theater Willy Praml. Walter H. Krämer macht auf den Jubilar aufmerksam.

Aus dem Notizbuch

Freunde, Kirschen, Heumond

Ein Aschenbecher von einem französischen Flohmarkt, Chanel No 5 von einer deutschen Dame, Kirschkerne vom Witwer, der Mond vom Heu oder das jüdische Volk aus dem Alten Testament – die Souvenirs, die sein Gedächtnis einsammelt und sein Bewusstsein in die knappste Form bringt, hat Eldad Stobezki zwar alle notiert, ihre Bezüge untereinander stellt er erst durch ihre Auswahl her. Sie springen in die Augen oder halten sich diskret verborgen.

Aus dem Notizbuch

Wortstamm

Die Berufung ist eine göttliche Bestimmung, die nicht allen Menschen, die diese von ihrem Beruf erwarten, zuteil wird. Eldad Stobezki fand aber zwei geistliche Exemplare für diese schöne Koinzidenz und darüber hinaus die Erfahrung einer Authentizität in der Stadt Münster, wo einst die Dichterin und Komponistin Annette von Droste-Hülshoff geboren wurde.

Jan Koneffkes „Im Schatten zweier Sommer“

Handkuss und Verbeugung

Es gibt einige Schriftsteller, die diese Gabe besitzen: das Einfühlen in eine historisch gegebene und dennoch konkret zu erfindende Situation, den phantasievollen Nachvollzug dessen, was hätte sein können. Jan Koneffke ist in seinem neuen Roman durch Orte und Zeiten gereist, um die Wege des großen Reiseschriftstellers, Erzählers und Romanciers Joseph Roth zu kreuzen. Christel Wollmann-Fiedler hat sein Buch begeistert.

Notizbuch. Im Lorbeerhain

Es ist Sommer

Manche binden ihn sich um den Kopf, manche werfen ihn in die Suppe. Für Eldad Stobezki muss es schon mehr vom Lorbeer geben: den Lorbeerwald als Sehnsuchtsort. In seinem Notizbuch sammelt er aber auch Wassermelonen, das Meer, Kinder im Zwielicht der Sprachen, Liebes- und Sonnenblumen, Servietten und Musik. Entweder – oder; oder beides.

Betrachtungen nach Wolfgang Rihms Tod

Jetzt trocknet die Tinte

Bevor er als 16-Jähriger Kompositionsunterricht nahm, hatte er sich schon mit Streichquartett und Streichorchester ausprobiert. Ins Bewusstsein der Öffentlichkeit geriet Wolfgang Rihm zehn Jahre später mit seiner Kammeroper „Jakob Lenz“, in der alte und neue Musik gleichberechtigt nebeneinander stand. Er war ein gefragter, weltberühmter und beliebter Komponist; seine überbordende Werkliste zeigt den rastlos Schaffenden. Achim Heidenreich beschreibt seine Arbeitsweise.

Komische Oper Berlin im Schillertheater

Stoppen Sie diese Schande!

Die Komische Oper gehört in Berlin zu den Musikhäusern, denen der Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne hinsichtlich Repertoire und Präsentation gelungen ist. Noch dazu erreicht sie besonders wirksam ein breitgefächertes Publikum. Nun soll die Oper möglicherweise dauerhaft ins Schillertheater verlegt werden. Dagegen hat Barrie Kosky, ehemaliger Intendant und Chefregisseur der Berliner Bühne, mit einem offenen Brief protestiert. Andrea Richter beschreibt die Situation.

Zwei Völker am Abgrund

Vom Meer bis zum Fluß

Die lange beschworene Zweistaatenlösung für Israel und Palästina war die Basis eines westlichen Friedenstraums, der an der tatsächlichen Situation dort zerschellt. Zwei Experten dieser Konfliktgeschichte, ein Palästinenser und ein Israeli, haben sich mit den Möglichkeiten von Krieg und Frieden befasst. Und Jutta Roitsch hat aus der Lektüre ihrer Schriften Erkenntnisse gewonnen.

Gedicht

Ausfahrt

Gedicht

Memento

Zum 100. Geburtstag von William Gass

Nur in Übersetzung?

Der Schriftsteller, Übersetzer und Philosoph William Gass, der 2017 gestorben ist, wäre am 30. Juli 2024 hundert Jahre alt geworden. Er gehört zu den wichtigen Persönlichkeiten der US-amerikanischen Literatur, die bei uns deshalb nicht bekannt sind, weil ihre Werke nicht ausreichend übersetzt sind. Matthias Göritz hat einen großen und bemerkenswerten Essay über den Sprach-Denker geschrieben, der tief in die Kunst des Übersetzens greift und nach Übersetzung verlangt – von Büchern von William Gass.

Kurzgeschichte

Der Zwiebelanschlag

Dass die Zwiebel den Zweifel nahelegt, liegt an der ersten Silbe, welche Zwietracht sät. Ist im Namen der Gerechtigkeit die Zwietracht zwischen Arm und Nichtarm angelegt, haben wir einen gesellschaftlichen Konflikt, der Auflösung erfordert. Die Kurzerzählung von Alexandru Bulucz führt nicht diese Auflösung vor Augen, sondern einen Plan, der zum Kern der Zwiebel führt.

12-teilige ARTE-Serie

Die Mafia tötet nur im Sommer

In der Mediathek des Fernsehsenders ARTE ist derzeit die bemerkenswerte 12-teilige Serie „Die Mafia tötet nur im Sommer“ zu finden. Auf der erzählerischen Oberfläche der Geschichte einer fiktiven kleinbürgerlichen Familie in Palermo wird ein bedrückendes Thema abgehandelt: Die sehr realen Machenschaften der Cosa Nostra, ihres Einflusses auf die Stadt und ihre Menschen in den Jahren 1979/80. Die Serie war bei ihrer Ausstrahlung 2013 auf RAI -TV in Italien ein Renner. Sehr sehenswert findet Andrea Richter sie heute noch.

Deutsches Romantik-Museum

Werthers Welt - Das Werther-Jahr 1774

Im Herbst 1774 erschien Johann Wolfgang Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werthers“. Das Buch war ein Publikumsrenner und machte Goethe mit nur 25 Jahren in ganz Europa berühmt. Aktuell zeigt das Romantik Museum in Frankfurt am Main die Ausstellung „Werthers Welt – Das Werther-Jahr 1774“. Eine der Besonderheiten ist, dass sie jeden Monat anders aussieht. Kurator der Ausstellung ist Dr. Johannes Saltzwedel, der im vergangenen Jahr auch das Buch „Werthers Welt“ veröffentlicht hat.

Peter Kerns „Dorfansicht mit Nazis“

Onkel Paul in HJ-Uniform

Erst glaubte man an das Tausendjährige Reich, dann an den Verrat und den Zusammenbruch. Dann hatte niemand etwas gemerkt, und keiner wollte es gewesen sein. Aber es gibt Bibliotheken, Archive, Berichte von Zeugen und Überlebenden, Kirchenbücher und Chroniken, aus denen das Ausmaß der aktiven Bevölkerungs-Beteiligung am Krieg und den Verbrechen des NS-Regimes hervorgeht. Peter Kern hat die entsprechenden Informationen für sein Buch über das Dorf seiner Herkunft zusammengetragen, und Johannes Winter hat es gelesen.

100. Todestag von Joseph Conrad

Seine launische Geliebte

Er wollte unbedingt Seemann werden. Doch das ist ihm nicht gut bekommen. Mit 38 Jahren geht Kapitän Korzeniowski von Bord, um unter dem Namen Joseph Conrad sein Leben als Schriftsteller weiterzuführen. Denn im selben Jahr war sein erster Roman erschienen, der ihn mit einem Schlag bekannt machte. Ria Endres skizziert das Leben des polnisch-britischen Autors.

Ingeborg Bachmann und ihre Lyrik (III)

Auf Widerruf

Anlässlich ihres 50. Todestages ist Ingeborg Bachmann vielfach vergegenwärtigt worden, vor allem mit biografischen Betrachtungen. Publikationen von Briefwechseln lenkten den Blick insbesondere auf die vielen Liebesbeziehungen, die die als feministische Schriftstellerin Etikettierte mehr oder weniger glücklich mit Männern einging. Ria Endres hat dagegen andere Erfahrungen der ikonischen Nachkriegsliteratin als Beweggrund für ihre Lyrik benannt. Ihren Essay veröffentlichen wir in drei Teilen. Hier ist der dritte.

Ingeborg Bachmanns Lyrik (II)

Die härteren Tage

Anlässlich ihres 50. Todestages ist Ingeborg Bachmann vielfach vergegenwärtigt worden, vor allem mit biografischen Betrachtungen. Publikationen von Briefwechseln lenkten den Blick insbesondere auf die vielen Liebesbeziehungen, die die als feministische Schriftstellerin Etikettierte mehr oder weniger glücklich mit Männern einging. Ria Endres hat dagegen andere Erfahrungen der ikonischen Nachkriegsliteratin als Beweggrund für ihre Lyrik benannt. Ihren Essay veröffentlichen wir in drei Teilen. Hier ist der zweite.

Über Dagmar Dusils Roman „Das Geheimnis der stummen Klänge"

Musikmärchen

Über Theodor W. Adorno geht die Rede, er habe es vorgezogen, eine Partitur zu lesen, anstatt sich die Musik im Konzertsaal anzuhören: Im Kopf entsteht beim Lesen der Klang doch so authentisch, wie keine Aufführung es zu leisten vermag. So ähnlich konnte ein pianistisch geschulter Mensch in vordigitaler Zeit die Musik beim Üben auf der Klaviatur vergegenwärtigen, die auf Papierstreifen aufgemalt war. Dagmar Dusil hat daraus den Titel ihres Romans gezogen, den Matthias Buth gelesen hat.

Stefan Geyers „Der Stadtwanderer“

Ausschweifendes Leben

„Es ginge vieles besser, wenn man mehr ginge“, schrieb der Fußgänger Johann Gottfried Seume, der es wandernd bis nach Syrakus schaffte. Dass man beim Fahren weniger erfährt als beim Gehen, hat mit dem Tempo zu tun, mit dem man die Welt durcheilt. Selbst wenn die Welt sich auf Frankfurt beschränkt, das Stefan Geyer durchwandernd stets neu entdeckt, gehören seine dabei gewonnenen Erkenntnisse zu den kleinen Bausteinen einer globalen Aufklärung. Ulrich Breth hat das Buch mit kundigem Blick gelesen.

„Unmögliche Verbindung“ in Bregenz

Wie, schon zu Ende?

Die Bregenzer Festspiele sind bekannt für ihre Opern- und Operettenspektakel auf der Seebühne. Dass es dort auch eine Werkstattbühne nebenan gibt, auf der Zeitgenössisches uraufgeführt wird, ist weitgehend unbekannt. Ende Juli 2024 kam dort das Musiktheaterwerk „Unmögliche Verbindung“ des tschechischen Komponisten und Dirigenten Ondřej Adámek mit dem Ensemble Modern zur Uraufführung, das Andrea Richter auf eine emotionale und kurzweilige Achterbahnfahrt mitnahm.

Regierungsbildung in Frankreich

Poker zwischen Parlament und Élysée

Im zentralstaatlichen Frankreich sind offenbar alte Mythen immer noch Faktoren der Politik. Die, denen die Götter Unsterblichkeit schenkten, wohnen im Palast der elysischen Gefilde, es gibt bourbonische und jakobinische Traditionen, kurz: Die politischen Spielregeln unserer Nachbarn können uns Deutschen zuweilen kurios erscheinen. Jutta Roitsch hat die jüngsten Ereignisse dort bündig zusammengefasst.

Peter Strohschneiders „Wahrheiten und Mehrheiten“

Ewige Sehnsucht nach Eindeutigkeiten

Ergeben die Untersuchungen eine hundertprozentige Übereinstimmung mit der Grundannahme, spricht man in der Wissenschaft von einer Tatsache. Politiker, deren Wirkungsmacht von Mehrheiten der Wähler abhängig ist, sehen sich von solchen Tatsachen undemokratisch beeinträchtigt und bezeichnen sie deshalb als Meinungen. Der Mediävist und Forscher Peter Strohschneider hat die Wissenschaftler einer Kritik unterzogen, und Matthias Schulze-Böing schreibt, worum es ihm dabei geht.

Leben und Tod von Otto Freundlich

Farbkasten im Küchenherd

Otto Freundlich war Maler, Bildhauer und Autor, einer der ersten Künstler der Abstraktion, Jude, Kommunist und Kosmopolit. 1908 zog er nach Paris ins Bateau-Lavoir, wo er sich mit Picasso, Braque, Gris und Apollinaire befreundete. Unter der Vichy-Regierung musste er fliehen, wurde mehrfach verhaftet und in Konzentrationslager gebracht. Johannes Winter ist seiner Geschichte nachgegangen.

Gedicht

Traumata

Ausstellung im Kunst Archiv Darmstadt

Helga Föhl

Die Bildhauerin Helga Föhl (1935–2022) vermachte noch zu Lebzeiten ihren Nachlass dem Kunst Archiv Darmstadt. Dort ist nun ein Teil ihres Schaffens in einer großen Einzelausstellung zu sehen. Es handelt sich um die letzte Ausstellung, die Claus K. Netuschil, der Gründer und langjährige Vorstandsvorsitzende des KAD, organisiert hat. Im letzten Monat hat er seinen Vorstandsposten an ein neues Team abgegeben. Kenneth Koark hat sich die Ausstellung angesehen.

Gespräch über „Cloud Walks"

Zwischen der Kunst und den Wolken gibt es eine Wahlverwandtschaft

Gerhard Lang untersucht Wahrnehmung mit bildlichen und performativen Mitteln. Isa Bickmann hat mit dem Künstler über seinen New Yorker Wolkenspaziergang, über das Erfahren des Stadtraums mittels des Rückwärtsgehens mit einem Claude-Lorrain-Spiegel, den L'intervento minimo (kleinstmöglichen Eingriff) und die Vorzüge des Schwarz-Weißen korrespondiert.

Theater für Kinder

Vogel anderswo

„Zuhause und Anderswo“ waren die  ersten Gedanken von Stephan Wolf-Schönburg, als er ein Stück über Flucht für Kinder entwickeln wollte. Eben nicht zuhause zu sein, sondern anderswo und in den Augen der Anderen von anderswo zu kommen. Wie kann das Trennende überwunden und zum Verbindenden werden? Ein zentrales Element war für ihn von Anfang an, die Sprache des Anderen, des Ankommenden, des von wo anderswo Seienden, denen, die ein Zuhause haben, näherzubringen. 

CD-Besprechung

Fern jeder Beliebigkeit

Zwischen Spark und Bird hat es gefunkt. Das Kammermusik-Ensemble, das sich selbst als klassische Band bezeichnet, und die irische Singer-Song-Künstlerin Wallis Bird haben ein großartiges, überraschendes Album eingespielt: „Visions of Venus“. Der Titel ist Programm. 18 Stücke von Komponistinnen aus nahezu einem Jahrtausend. Bestechend sind neben der Auswahl der Stücke die Arrangements und vor allem das hohe künstlerische Niveau, in dem sich vermeintlich Unzusammengehörendes von Epochen, Stilen und Genres vereinen, meint Andrea Richter.

Literarische Meditation

Zwischen Bach und Casals

In seinem jüngsten grandiosen Roman „No te veré morir“ (Seix Baral) verweist Antonio Muñez Molina wiederholt auf die Musik von Johann Sebastian Bach – insbesondere auf seine Cello-Suiten – sowie auf den legendären Cellisten Pablo Casals, der vor 50 Jahren verstorben ist. Die Monatszeitschrift Tinta Libre bat den Autor um eine literarische Meditation über diese Musik, und Claudia Gehricke übersetzte den Beitrag aus dem Spanischen für Textor.

Romanauszug

Der Teufel

Im zeitlichen Abstand erst wird deutlich, was für einen ungeahnten Einfluss das deutsche Fernsehprogramm in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf die Gemüter der heranwachsenden Generation hatte. Die künstliche Schlagerseligkeit, die angestrengte Fröhlichkeit, die als ‚volkstümlich’ verkauft wurde, hat sich ihr, zumeist mit einer unüberwindlichen Distanz, ins Gedächtnis gelegt. Andreas Maiers Reminiszenz erinnert daran, worauf wir gerne verzichtet hätten.

Gedicht

Gleisberg

Wim Wenders und das Kino der 1980er Jahre

Der Reisende und der Schneider der Zeit

1982 hat Wim Wenders im Zimmer 666 des Hotels Martinez in Cannes seine Regisseur-Kollegen versammelt, um ihnen Fragen zur Zukunft des Kinos zu stellen. Dass dabei immer wieder die wahrhaft dialektische Entscheidung ins Zentrum rückte, ob der Film die Wirklichkeit schafft oder als Produkt der Realität aufscheint, ist angesichts der Wirkmacht des Kinofilms nicht verwunderlich. Ulrich Breth reflektiert die Ideengeschichte, die sich in den Aussagen der Dokumentation spiegelt.

Goethes Mutter Aja, geborene Textor

Vergnügt wie eine Göttin

Die Textors waren erfolgreiche Juristen. Johann Wolfgang Textor war Ratsherr, Schöffe und Bürgermeister in Frankfurt. Letztlich bekam er als Stadtschultheiß die Leitung des Justizwesens der Stadt auf Lebenszeit. Seine Tochter Catharina Elisabeth wurde als Siebzehnjährige an den 21 Jahre älteren wirklichen kaiserlichen Rat Johann Caspar Goethe verheiratet. Ein Jahr später bekam sie ihren „Hätschelhans“, Johann Wolfgang Goethe. Mit Frau Aja, wie die Mutter des Dichters genannt wurde, hatte es seine besondere Bewandtnis, wie Eva Demski zu berichten weiß.

Kurt Drawerts „Alles neigt sich zum Unverständlichen hin“

Ode an die Hoffnungslosigkeit

„Der Ton, in dem ich mit mir spreche, kränkt mich zutiefst.“ – Es sind solche abgründig-komischen Sätze, die man mit einiger Sicherheit Kurt Drawert zuschreiben kann. Sein jüngstes Buch ist ein großes Gedicht in 14 Paragrafen und Fotos vom Odenwald und von Kalifornien. Es ist von großer Ernsthaftigkeit und gerade deshalb am Rande der Absurdität. Die Lyrikerin Julia Grinberg ist durch das Werk gegangen.

Eine kleine Autobiografie

Rhabarber

Der holländische Maler und Performancekünstler Fredie Beckmans kann tatsächliche Begebenheiten so erzählen, als wären sie erfunden, und umgekehrt. Wenn es also bei ihm eine Wahrheit gibt, dann ist sie nicht durch Glaubwürdigkeit gedeckt. Das klingt nach Kunst und führt uns in einen unglaublichen Abschnitt seiner Biografie.

Feministische KI

Kann feministische KI Geschlechtergleichstellung und Inklusivität fördern?

Algorithmen sind ebenso sexistisch, rassistisch und diskriminierend wie wir und könnten dies sogar noch verschärfen. Zu diesem Schluss kommt die Frankfurter GRÜNEN-Stadtverordnete Dana Kube. In ihrem Vortrag zeigt sie die Defizite der KI in Sachen Geschlechtergerechtigkeit auf und mahnt die Verwendung besserer Datensätze an. Die digitalpolitische Sprecherin sieht hierzulande viel Potenzial, um KI demokratischer und inklusiver zu machen.

Gedicht

Paul

Jerry Z. Mullers Biografie von Jacob Taubes

Der Professor der Endzeit

Es ging das Gerücht, Jacob Taubes brauche Bücher nicht zu lesen, sondern könne sich ihren Inhalt durch Handauflegen einverleiben. Denn er konnte mehr erzählen, als er wissen konnte. Die schillernde Figur des Judaisten und Hermeneutikers, der bis März 1987 lebte, hat der einstige Geschichtsprofessor in Washington, Jerry Z. Muller, in „vielen Leben“ beschrieben. Und Arno Widmann, der in Taubes’ Seminaren saß, äußert sich darüber kundig.

Die Geschichte der Hamas

Eine blutige Geschichte

Netanjahu und Israel, Hamas und Palästina, – der große Topf, in den man alles hineinwerfen kann, samt der Interessen der Großmächte und der falschen Informationen: Es geht um Ideologien und Gewinn und Verlust von Land, in dem man lebt und leben will. Wahrheit scheint längst außerhalb unserer Wahrnehmung zu liegen, wenn es sie überhaupt gibt. Der Historiker Joseph Croitoru hat es dennoch unternommen, Fakten zur Frage „Was ist die Hamas?“ zusammenzutragen, und Jutta Roitsch hat das Resultat kritisch gesichtet.

Erinnerung an Harry Oberländer

Homme de lettres

Die Erkenntnisse, die durch lebenslange Lektüre einem Menschen wie Harry Oberländer zuteil wurden, sind uns Übriggebliebenen entzogen. Sie gehören ganz seiner Persönlichkeit, die nach seinem Tod ausgelöscht ist. Den Verlust kann am ehesten ermessen, wer lange mit ihm zusammengearbeitet hat. Björn Jager, Oberländers Nachfolger in der Leitung des Hessischen Literaturforums, hat dem Mann der Literatur einen Nachruf geschrieben.

Über öffentliche und akademische Philosophen

Der soziale Faktor

Der öffentliche Philosoph sitzt nicht mehr in der Tonne und sagt seinem König, er solle ihm aus der Sonne gehen. Er sitzt vielmehr in Fernsehstudios, im Radio, in vielen Internetkanälen und verteilt Vernunft, Esoterik, Lebenshilfe und Provokationen, die er auch in seinen Büchern vertreibt. Der akademische Philosoph übt sein Amt in der Uni aus und bleibt unbekannt. Bernd Leukert hat einige Aspekte zu einer uralten Kontroverse zusammengetragen.

Karl Heinz Haag zum 100. Geburtstag

Entzauberte Natur

Ein gläubiger Mensch kennt den Auftrag, der ihm mit seiner Erschaffung erteilt wurde, nämlich, sich zu vermehren, die Erde zu füllen und sie sich untertan zu machen. Der 2011 gestorbene Philosoph Karl Heinz Haag sah mit der industrialisierten Unterwerfung der Erde diesen Auftrag gefährdet und ins Gegenteil verkehrt. Zum hundertsten Geburtstag beschreibt Peter Kern die Erkenntnistheorie des 2011 gestorbenen Denkers.

Aus dem Notizbuch

Kirche und Welt

Der Überlieferung nach soll Jesus von Nazareth jüdischer Herkunft gewesen sein. Diejenigen, die dann ihr Leben nach seinem Vorbild führen wollten, reinigten aber ihre Glaubenshandlungen von allen heidnischen und jüdischen Elementen. Und die Juden warteten weiter auf den Erlöser. Eldad Stobezki fädelt die Sprüche und Widersprüche der religiösen Identitäten auf, läßt aber auch das Deutschtum, das Problem mit dem Asyl, den Konservatismus und die Kulinarik nicht liegen.

 

 

Zur Musik von Ernstalbrecht Stiebler

Achte auf die Stelle unter deinen Füßen

Ernstalbrecht Stiebler, der im Juni 2024 gestorben ist, war eine der letzten Persönlichkeiten der musikalischen Nachkriegsavantgarde. Der Komponist und hr-Redakteur gehörte zu den profilierten Komponisten, die in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts an Arnold Schönberg und Anton Webern sowie an Karlheinz Stockhausen anknüpften, um dann ein eigenes, radikales Musikdenken zu entwickeln. Stefan Fricke, einer der Nachfolger Stieblers in der Redaktion der Neuen Musik des Hessischen Rundfunks, beschreibt sein musikalisches Denken.

Ingeborg Bachmann und ihre Lyrik

Es kommen härtere Tage

Anlässlich ihres 50. Todestages ist Ingeborg Bachmann vielfach vergegenwärtigt worden, vor allem mit biografischen Betrachtungen. Publikationen von Briefwechseln lenkten den Blick insbesondere auf die vielen Liebesbeziehungen, die die als feministische Schriftstellerin Etikettierte mehr oder weniger glücklich mit Männern einging. Ria Endres hat dagegen andere Erfahrungen der ikonischen Nachkriegsliteratin als Beweggrund für ihre Lyrik benannt. Ihren Essay veröffentlichen wir in drei Teilen. Hier ist der erste.